Antonia S. Byatt

Das Geheimnis des Biografen

Roman
Cover: Das Geheimnis des Biografen
Insel Verlag, Frankfurt am Main 2001
ISBN 9783458170747
Gebunden, 275 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Melanie Walz. Phineas Gilbert Nanson, Student der Literaturwissenschaft, beschließt seine Doktorarbeit aufzugeben: Er will Fakten sehen und ein neues Leben beginnen. Sein Doktorvater gibt ihm den Rat, sich mit dem unterschätzten Genre der Biografie zu beschäftigen, und empfiehlt ihm die Lebensbeschreibung des berühmten viktorianischen Reisenden und Gelehrten Sir Elmer Bole aus der Feder des fast gänzlich unbekannt gebliebenen Biografen Scholes Destry-Scholes. Phineas beginnt mit wachsender Faszination zu lesen, wobei sich sein Interesse allmählich vom Gegenstand der Biografie auf ihren Verfasser selbst verlagert. Er fasst den Entschluss, eine Biografie dieses Biografen zu schreiben...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.10.2002

Barbara von Becker weiß zwar die Qualitäten dieses Romans zu schätzen, sieht ihn jedoch in Aufbau und Programm gescheitert. Sie beschreibt es als typisch für die britische Autorin, in ihrer Geschichte eines Doktoranden, der eine Biografie eines Biografen zu schreiben unternimmt, Fiktion, historische Wirklichkeit, Naturwissenschaft und Magie zu vermischen. Daraus ist ein sehr "anspielungsreiches, hoch intelligentes geistesgeschichtliches Kreuzworträtsel" entstanden, das leider "heillos überladen" ist. Dazu kommt für die Rezensentin erschwerend hinzu, dass die "Balance" zwischen Romanform und naturwissenschaftlicher Abhandlung unausgewogen und das Programm des Romans, die Ergründung des Verhältnisses von "Identität, Biografie und Fiktion", sich als "zu diffus" erweist. Wenn sie dann auch noch an den, wie ihr scheint, "wenig bearbeiteten Recherchefrüchten" der Autorin teilhaben muss, sieht sie das Gleichgewicht zwischen Roman und Referat endgültig zerstört. Das findet die Rezensentin nicht zuletzt deshalb so schade, weil Byatt ganz nebenbei mal wieder als Erfinderin äußerst "skurriler Gestalten und Sujets" brilliert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.12.2001

"Statt der Einkaufstüte des prallen Lebens hört man ... das Seminarpapier rascheln", schreibt Ulrich Raulff zur Rezeptur dieses Buches. Es beginnt in einem Literaturseminar, wo der "gänzlich unheldische Held" beim Blick in einer verschmutzten Fensterscheibe die Erleuchtung hat, sich fortan der "Welt der wirklichen Dinge" widmen zu wollen, fasst Raulff die Handlung zusammen. Doch das Gegenteil passiert und die Hauptperson versinkt geradezu in Weltfremdheit - der Mann betätigt sich als Biograf und wühlt etwa in den Nachlässen der "drei Magier des Nordens" (Linne, Galton und Ibsen). Dabei fördere er immerneue "Rätsel und Unschärfen" zutage, übermittelt der Rezensent. Das Streben des Romanhelden nach Klarheit führe nur zum Gegenteil, und der Rezensent entdeckt dabei die "Liebe zum Bildungszitat" bei der Autorin. Auch wenn Teile des Romans der Autorin "gehörig aus dem Ruder" gelaufen sind - der Rezensent hat ihn trotzdem "nicht unzufrieden" beiseite gelegt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.11.2001

Im Zentrum des neuen Romans von Antonia S. Byatt steht ein Doktorand der Literaturwissenschaft, der während eines poststrukturalistischen Seminars seine Unzufriedenheit erkennt und seine Doktorarbeit fallen lässt, Stattdessen beschäftigt er sich mit dem "Genre der Biografie", erzählt Elke Brüns. In Verlagsarchiven setzt er sich mit einer Biografie auseinander und schreibt dabei seine eigene, so Brüns. Die Biografie der Biografie oder die Biografie in der Biografie? Egal, denn bedauerlicherweise funktioniere S. Byatts Erzähltechnik des detektivischen Aufspürens nicht mehr wie in ihrem erfolgreichen Debütroman "Besessen", klagt Brüns. Trotz der "Seitenhiebe auf Unibetrieb und Theorieblüten" verliere der Leser die Lust, meint Brüns. So viel Dekonstruktion macht sie müde.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.10.2001

Werner von Koppenfels versucht in seiner Rezension tapfer, dem Leser die Handlung des Romans vorzustellen, die einigermaßen verwickelt zu sein scheint. Offenbar geht es um einen "desillusionierten Jung-Akademiker", der beschließt, eine Biografie über einen Biografen zu schreiben, dessen eigener Lebenslauf von den Biografien, die er geschrieben hat, absorbiert zu sein scheint - verwirrend also. Der Roman spielt sich, von der Ebene der Autorin bis zur Ebene der skizzierten Lebensläufe, zwischen Realität und Fiktion und zwischen Gegenwart und Vergangenheit ab, wobei die "Vergangenheit als Hypothek oder Fluchtraum einer zunehmend zukunftslosen Generation" zu verstehen ist, müht sich Koppenfels weiter um Erklärung. Die Verbindung zwischen den verschiedenen Ebenen entstehe durch die vielen Analogien, deren Entdeckung für den Rezensenten einen großen Teil des Lesevergnügens ausgemacht haben. Zudem lobt er die "souveräne" Übersetzung von Melanie Walz, die auch mit dem reichen Vokabular der verschiedensten Wissensgebiete Schritt halten könne.