Aleksandar Hemon

Die Welt und alles, was sie enthält

Roman
Cover: Die Welt und alles, was sie enthält
Claassen Verlag, Berlin 2024
ISBN 9783546100472
Gebunden, 400 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Henning Ahrens. Als Erzherzog Franz Ferdinand an einem Junitag des Jahres 1914 in Sarajevo eintrifft, ist Rafael Pinto damit beschäftigt, hinter dem Tresen der Apotheke, die er von seinem Vater geerbt hat, Kräuter zu zerkleinern. Es ist nicht ganz das Leben, das er sich während seiner Studententage im libertären Wien vorgestellt hatte, aber es ist nichts, was ein Schuss Laudanum, ein Spaziergang und Tagträumereien nicht in Wohlgefallen auflösen könnten. Und dann explodiert die Welt. Der Krieg verschlingt alles, was er kannte, und das Einzige, worauf Pinto hinlebt, ist die Zuneigung von Osman, einem Kameraden, einem Mann der Tat, der Pintos poetische Seele komplementiert. Ein charismatischer Geschichtenerzähler und Pintos Beschützer und Liebhaber. Gemeinsam entkommen Pinto und Osman den Schützengräben und geraten in die Fänge von Spionen und Bolschewiken. Während sie über Berge und durch Wüsten reisen, von einer Welt in die andere, bis nach Shanghai, ist es einzig Pintos Liebe zu Osman, die überleben wird.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 25.04.2024

Über einen großen Roman, der alle Kniffe der Erzählkunst umspannt, freut sich Rezensent Franz Haas und vergleicht den Autor Aleksandar Hemon mit Größen wie Nabokov und Borges. Die Handlung ist ein Ritt durch Raum und Zeit, das gesamte 20. Jahrhundert wird umspannt, das Attentat, das den Ersten Weltkrieg auslöst, ist der Hintergrund für eine sich langsam entspannende Liebesgeschichte zwischen dem Juden Rafael und dem Moslem Osman in Bosnien. 9/11 bildet den erzählerischen Schlusspunkt, erfahren wir aus der begeisterten Besprechung. Die vielen Handlungsorte, auch Shanghai ist darunter, werden auch auf der sprachlichen Ebene wiedergespiegelt, es gibt immer wieder Einsprengsel auf Russisch oder Ladinisch, so Haas. Ein "grandioser weltgeschichtlicher Abenteuerroman", der sich nie in seinen Handlungssträngen verirrt, lobt der bewundernde Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.03.2024

Aleksandar Hemon erzählt in seinem Roman eine "Geschichte der Vergeblichkeit", der ultimativen Katastrophen, erkennt Rezensent Burkhard Müller. Der Hauptprotagonist Pinto, erlebt das Attentat von Sarajewo, den Ersten Weltkrieg, den Gulag in Taschkent, die Russische Revolution, Japans Krieg in China und Maos Machtübernahme - immer auf der Flucht, immer im Unglück. Einmal begegnet ihm die Liebe in Gestalt seines Landsmanns Osman, der ihm eine Tochter hinterlässt, die er mit einer Usbekin gezeugt hat. "Irgendwie" bleibt hier alles in der Schwebe, meint Müller, auch die Sprache, die voller Einwürfe auf Bosnischer, Französisch, Deutsch, Tadschikisch, Uigurisch, Chinesisch und Ladino ist - ohne Übersetzung. Eine "Herausforderung" bekennt Müller, der sich von dem Buch sichtlich inspirieren lässt: Seine Meinung bleibt genauso in der Schwebe wie die Handlung.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 19.02.2024

Als eine Liebesgeschichte mit einem schönen Anfang aber grausamem Fortgang liest Jörg Plath Aleksandar Hemons Roman. Hauptfigur ist Rafael Pinto, ein jüdischer Apotheker, der sich 1914 in Sarajevo in den k.u.k.-Rittmeister Kaspar verliebt. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs kommt, heißt es weiter, den beiden dazwischen, später, im Schützengraben, lernt Pinto dann Osman kennen. Die Erlebnisse der beiden fügen sich nach den etwas pathetischen ersten paar Dutzend Seiten weder zu einer Schmonzette noch zu einem Schaulaufen der Toleranz-Diskurse, beruhigt uns Plath, sondern zu einem großen Roman über Liebe, Krieg und Emigration, in dem gar die Grenze zwischen Tod und Leben überschritten wird, wenn Pintos geliebter Osman stirbt und doch nicht aus der Handlung verschwindet. Noch weitere faszinierende Figuren tauchen in der reichhaltigen Handlung auf, erfahren wir, so etwa ein eingebildeter Oxford-Major und ein Mädchen, das Pinto durch die Kriegswirren begleitet. Hemon beweist sich ein weiteres Mal als ein faszinierender Solitär der amerikanischen Migrationsliteratur, seine Sprache vermischt amerikanische und osteuropäische Einflüsse und ist außerdem ironiebewusst, , freut sich der Kritiker. Auch gelinge es ihm famos, die 35 Handlungsjahre, die der Plot umfasst, zu straffen und sein Buch mit einem Bewusstsein für das Wesen der Fiktion anzureichern.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 30.01.2024

Rezensentin Sigrid Löffler kann kaum glauben, was Aleksandar Hemon in seinem neuen Buch alles unterbringt: einen Kriegsroman, eine tragische Liebesgeschichte, einen Schelmenroman, eine Erzählung über Migration und ein Geschichtsbuch, das sich vom Attentat auf Franz Ferdinand bis zum Ende von WK2 und von Sarajevo bis Shanghai spannt. Noch unglaublicher: Es funktioniert. Löffler folgt dem pikaresken Helden, einem sephardischen Juden, Poeten, Opiumjunkie durch Kriege und über Kontinente und begegnegt mit ihm den großen Migrantenströmen und schließlich seiner großen Liebe, einem faszinierenden Muslim - und unterhält sich bestens mit diesem "bösen Märchen".