Dai Sijie

Balzac und die kleine chinesische Schneiderin

Roman
Cover: Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
Piper Verlag, München 2001
ISBN 9783492042895
Gebunden, 200 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Gio Waeckerlin Induni. Der Roman erzählt von zwei pfiffigen chinesischen Studenten, die es in ein gottverlassenes Bergdorf verschlagen hat. Ein Koffer voll westlicher Weltliteratur und eine entzückende Schneiderin retten ihnen das Leben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.12.2002

Eine "bezaubernde Parabel" über die "emanzipatorische Kraft" von Literatur ist dieser Roman des in Frankreich lebenden Exil-Chinesen Dai Sijie nach Meinung des Rezensenten Martin Halter. Er ist beeindruckt von, wie der Autor mit "leichtem, romantisch-ironischen Ton" vom Schicksal zweier zur Umerziehung in den Himalaya zwangsverschickter Studenten erzählt - beeindruckt auch deshalb, weil diese Geschichte stark autobiografische Züge trage und eine Zeit voller Demütigungen im Leben des Autors beschreibt. Das Buch hinterlässt beim Rezensenten ein gutes Gefühl, obwohl dem Helden kein Happy End blüht - das hat aber weniger politische als amouröse Gründe. Das großartige an dem Roman ist nach Halters Meinung "der aphrodisische Zauber und die erlösende Kraft", den die Literatur hier ausstrahlt. In Frankreich ist der Roman dementsprechend auch ein großer Erfolg gewesen und wird gerade im post-kulturrevolutionären China verfilmt, weiss der Rezensent mit Begeisterung zu berichten.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.01.2002

Der Debütroman des 1954 in der Provinz Fujian geborenen und 1984 nach Paris emigrierten Chinesen Dai Sijie ist die Geschichte einer Verbannung, informiert Friederike Herrmann. Dieses Thema ist zwar schon oft gestaltet worden, aber "dem Zauber dieser Geschichte" konnte sich die Rezensentin nicht entziehen. "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin" erzählt die Geschichte von zwei Jungen, die in der Zeit der Kulturrevolution zur Umerziehung in ein abgelegenes Bergdorf geschickt werden, wo selbst das bescheidenste kulturelle Angebot fehlt. Auch wenn das traurige Schicksal zweier junger Menschen im Mittelpunkt steht, deren Entwicklungsmöglichkeiten brutal unterbrochen werden, sieht die Rezensentin als eigentliche Botschaft des Romans die Tatsache, dass die Diktatur Gefühle, Bedürfnisse und Sehnsüchte der Menschen nicht kontrollieren könne. In der Abgeschiedenheit der Verbannung kommen die Jungen durch Zufall an einen Koffer mit verbotenen Büchern. Die dort versteckten Texte der Weltliteratur des 19. Jahrhunderts, informiert Hermann, werden nicht nur zum Lebenselexier der beiden, sondern durchdringen bald das gesamte Leben der dörflichen Gemeinschaft, denn die Jungen erzählen aus den Romanen, lesen vor, spielen nach. Dass der Roman autobiografische Züge hat, wie die Rezensentin weiß, mag zu seiner eindrücklichen Wirkung beitragen. Ironie und Schelmenhumor lassen kein Pathos aufkommen, versichert sie.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.10.2001

Manfred Papst findet diesen Roman auf den ersten Blick ganz gelungen, beim zweiten Hingucken an einigen Punkten aber doch etwas klischeehaft. Der Chinese Dai Sijie erzählt in seinem Debüt die deutlich autobiografisch inspirierte Geschichte von zwei jungen Männern, die während der chinesischen Kulturrevolution "zur Umerziehung" in ein verlassenes Bergdorf geschickt werden. Ihre Zeit dort überstehen sie einigermaßen glimpflich, nicht zuletzt wegen eines Bücherkoffers voll westlicher Literatur, die sie von einem ebenfalls Frondienste leistenden Bekannten gestohlen haben. Wie Sijie über die Erfahrungen seiner Protagonisten schreibt, gefällt dem Rezensenten: der Autor ist seiner Ansicht nach "selbstironisch" und "frei von Larmoyanz", weshalb der Roman für Papst zu einem "munteren Schelmenstück" geworden, das gleichzeitig ein Beweis für die Macht der Literatur ist. Auch die Übersetzung von Gio Waeckerlin Induni gefällt ihm, abgesehen von einigen kleineren Details. So richtig zufrieden ist Papst aber trotzdem nicht: manchmal macht Sijie es sich seiner Meinung nach zu leicht und heischt nach dem Beifall des (westlichen) Publikums. Was dabei herauskommt, klingt in Papsts Ohren dann etwas "altklug".
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