Albrecht Selge

Wach

Roman
Cover: Wach
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783871346941
Gebunden, 252 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Er kann nicht mehr schlafen, muss immerzu gehen: August Kreutzer geht ziellos durch die Stadt, abends, nachts, dann immer länger, immer weiter. Er sucht Erlebnisse, sammelt Bilder und die Geschichten, die sich dahinter verbergen in heruntergekommenen Ladenzeilen, in Eckkneipen und auf Friedhöfen, und auf dem Weg zur Mall, wo er arbeitet. So vergeht der Sommer zwischen immer längeren Streunereien und der zehrenden Routine des Tags, in bleierner Müdigkeit, die zugleich die Sinne schärft: August sieht sich verfolgt von einem Doppelgänger, der unter seinem Namen obszöne Einträge im Internet postet; und er wird sich selbst verdächtig. Zwischen Tag und Traum, Stadtrand und Hochglanzvierteln entspinnt sich ein heutiges Leben, das vibriert vor vergangenen und verborgenen Möglichkeiten.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.12.2011

Kilian Trotier ist mit Albrecht Selge durch die Brachen rund um den Berliner Hauptbahnhof spaziert, an Schrebergärten und dem Amtsgericht vorbei bis zu einer Moabiter Einkaufspassage und er kann dem Schriftsteller danach eindeutig Flaneursqualitäten attestieren. Allerdings stellt Trotier fest, dass der Autor wesentlich ruhiger ist als der rastlose Erzähler in seinem Roman "Wach", dieser August Kreuzer ist viel extensiver, überbordender, wenn er, von Schlaflosigkeit getrieben, durch die Stadt spaziert. Überhaupt erzählt das Buch keine Geschichte, erklärt der Rezensent, es besteht aus einer Aneinanderreihung von "Beobachtungen, Denkfragmenten, Erlaufenem", doch mit jedem Streifzug gräbt sich der Erzähler weiter in die Tiefen der Stadt, deren Struktur in die Struktur der Erzählung übergehen. Die Neuerfindung der Flaneursfigur feiert Trotier mit diesem Buch und das "wahrnehmungsfilterlose Drauflosgucken".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.09.2011

Angesteckt von der Ästhetik des Flanierens bezeichnet Christian Thomas diesen Roman als eine "erratisch-urbane Erzählung". Erratisch, weil Selge darin einen ausdauernden Herumschweifer namens August inszeniert, der sich kaum satt sehen kann an den Eckkneipen, Friedhöfen und Einkaufscentern der großen Stadt. Urban, weil die Stadt für Thomas das Flanieren, als ästhetisierendes Umherirren mit offenen Augen geradezu herausfordert, "denn was ist die Stadt wenn nicht ein Gesamtkunstwerk aus Überlagerungen von Raum und Zeit". Die Stadt - zweifelsfrei Berlin, meint Thomas und nimmt gern Teil am Bad in den Straßen der Hauptstadt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.09.2011

Angetan ist Gustav Seibt von Albrecht Selges Debütroman um einen chronisch schlaflosen Submanager einer Berliner Shopping Mall. Krachende Sozialkritik findet er nicht in diesem "leisen, schönen, oft komischen Buch", sondern zahlreiche subtile und nachdenkliche Beobachtungen aus der unwirklichen Welt großer Shopping Center. Außerdem bietet das oft lyrisch anmutende Werk präzise, aber nie böse Beschreibungen des Berlins der Gegenwart, so dass es einmal als "Erinnerungsspeicher" wird dienen können. Für Seibt ein "handwerklich perfektes" Buch.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.08.2011

Einem durch die nächtliche Großstadt flanierenden Helden mit zunehmend gestörtem Realitätsbewusstsein widmet sich dieses Romandebüt Albrecht Selges, wie Rezensent Rainer Moritz berichtet. Für besonders originell hält der von Benjamin und Döblin verwöhnte Kritiker die Idee nicht, aber für überraschend gut umgesetzt. "Stilsicher" und mit "fein dosierter Komik" schildere Selge die Eindrücke und Widerfahrnisse seines Protagonisten, so dass Moritz meint, die besten Passagen könnten ohne weiteres neben Wilhelm Genazinos Großstadtgeschichten bestehen. Allerdings weist der Rezensent auch auf gewisse Längen hin, die letztlich der Handlungsarmut des Romans geschuldet seien. Das "turbulente Finale" empfindet Moritz wiederum als verspätete Bemühung des Autors, hier einen Ausgleich zu schaffen. Es wirke jedoch unausgegoren und lasse den "eleganten, gut formulierten Duktus" des Hauptteils missen, schließt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.07.2011

Albrecht Selge, der hier seinen ersten Roman vorlegt, ist Produzent akustischer Reiseführer durch europäische Metropolen. Das merkt man, findet Sandra Kegel, seinem Buch an. Was sie sehr freundlich meint, denn "Wach" ist, lobt sie, ein Berlin-Roman der anderen Art. Er hat einen Erzähler mit Namen August, der beruflich Prospekte für eine Mall schreibt (und da einen Vorgesetzten mit Namen Xerxes hat), privat aber ein leidenschaftlicher Berlin-Flaneur ist. Und, fürwahr, findet Kegel, da schreibt ein Kenner der Stadt. Einer allerdings, der die Blicke und Gänge zielsicher entschleunigt und vor allem einen Blick fürs unbedeutende Detail, fürs Abseitige, für den Seitenweg hat. Ziemlich aus der Welt gefallen kommt der Rezensentin das insgesamt vor, aber das Nichtverstehen der Normalität, um das es da geht, scheint ihr mehr als verständlich.
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