Martin Walser

Leben und Schreiben

Tagebücher 1974-1978
Cover: Leben und Schreiben
Rowohlt Verlag, Reinbek 2010
ISBN 9783498073695
Gebunden, 544 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Dritter Band. Als 1976 der Roman "Jenseits der Liebe" erscheint, veröffentlicht die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine verheerende Kritik von Marcel Reich-Ranicki. Martin Walser ist niedergeworfen. Er horcht in sich hinein, spürt das zahnlose Nagen, die eigene unkluge Wut: er sucht nach Auswegen und Antworten, legt Rechenschaft ab. Die Tagebücher der Jahre 1974-78 sind beides: Selbstzeugnis und zeithistorisches Dokument. Sie gewähren tiefen Einblick in das Spannungsverhältnis zwischen Literatur und Kritik, Autor und Kritiker. Denn der Tagebuchschreiber offenbart sich als Beobachter der eigenen Verletzbarkeit und auch als Zeitgenosse, als unermüdlich Reisender, den Beruf und Neugier quer durch Deutschland und Europa, von Amerika bis nach Japan treiben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.03.2010

Dies sei bereits jetzt ein Klassiker eines Schriftstellertagebuchs, schreibt Alexander Cammann über die ersten erschienenen Journale Martin Walsers. Und zwar wegen ihrer hochemotionalen Statements zu Schriftstellerkollegen, seinem Verleger Siegfried Unseld oder Kritikern, Marcel Reich-Ranicki zum Beispiel, dessen Verriss eines Walser-Romans 1976 eine Lebenskrise bei diesem Autor auslöste. Selten sei das "umkämpfte Innenleben eines Autors" so sichtbar geworden, schreibt Cammann, der das Leiden des damals immerhin schon 50-jährigen Schriftstellers in seinen Aufzeichnungen anschwellen sieht, "wie einen mäandernden Strom". Walser reiße das Hemd auf und zeige uns seine Wunden, "damit wir ihn verstehen".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.03.2010

In Martin Walsers Tagebuch, das er zwischen 1974 und 1978 geführt hat, kann man eine "Vernichtung" und die anschließende "Wiederauferstehung" eines Schriftstellers eindrücklich nachvollziehen, stellt Helmut Böttiger fest. Martin Walsers Reaktion auf den Verriss seines Romans "Jenseits der Liebe" durch Marcel Reich-Ranicki 1976 bilden für den Rezensenten eine Zäsur in diesem Tagebuch, das bis dahin eher die Fiktionalisierung des Lebens und die Stilisierung des Schriftsteller-Ichs betrieben hatte, unterbrochen von Beobachtungen im Bekanntenkreis und Entwürfen von Figuren und Dialogen. Nach der vernichtenden Kritik seines Romans aber erlebe Walser eine "Katharsis", wie Böttiger diesem Tagebuch entnehmen kann, dass er für ein überaus aufschlussreiches "Grundlagenwerk" zu Walsers Leben und Schaffen hält. Denn es erlaubt tiefen Einblick in die Existenz des Schriftstellers und seine Produktionskräfte und nicht zuletzt auch in Walsers "sexuelle Obsessionen" und seine "Lebensgier", verspricht Böttiger.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.03.2010

Ach Walser, hört man im Geiste Felicitas von Lovenberg beim Schreiben ihrer Kritik stöhnen, diese ollen Kamellen mit Reich-Ranicki, dieses ständige Aufkratzen einer alten Verletzung, wie fruchtlos ist das. Für die Rezensentin war das entscheidende Jahr des Zeitraums, den dieser Tagebuchband umfasst, ohnehin nicht das Jahr 1976, als Marcel Reich-Ranicki in der FAZ einen spektakulären Verriss von Walsers Roman "Jenseits der Liebe" veröffentlichte, sondern das Jahr 1978, als Walser mit seiner Novelle "Ein fliehendes Pferd" einen Riesenerfolg hatte. Lovenberg zitiert den Autor, der seine zwiespältigen Gefühle im Tagebuch niederschrieb: "Jeder, der mir etwas Nettes sagen will über das kleine Buch, gesteht jetzt, was ihm an früheren Büchern nicht gefiel." Auch wenn Lovenberg die Eitelkeiten des Autors spürbar auf die Nerven gehen, hat sie doch auch einiges gelernt über den Literaturbetrieb in jener Zeit. Richtig gut sieht keiner aus: nicht der Verleger Siegfried Unseld, nicht die Schriftstellerkollegen und auch nicht der Autor. Der immerhin habe sich darüber auch "wenig Illusionen" gemacht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.03.2010

Den dritten Band der Tagebücher Martin Walsers, der die Jahre 1974 bis 1978 behandelt, hält Martin Lüdke für den spannendsten überhaupt. Nach Meinung des Rezensenten, für den Tagebücher von Schriftstellern generell eine problematische Gattung sind, ist es Walser ausgezeichnet gelungen, sein Leben immer reflektiert, teils sehr intim, aber niemals indiskret aufzuzeichnen. Der Leser lauscht bei Walser, der sich laut Lüdke als Seismograph seiner Zeit versteht, nicht nur dem Streit zwischen Walsers Töchtern beim Familienessen, sondern erfährt neben den Alltagssorgen auch von den Demütigungen und Erfolgen, seiner Fehde mit Marcel Reich-Ranicki, die seine schriftstellerische Arbeit und seine Behauptung im Literaturbetrieb mit sich brachte, so der Rezensent. Walser schreibe "Mentalitätsgeschichte", nein, eigentlich sogar die "Geschichte der Bundesrepublik", meint der begeisterte Lüdke, der findet, dass Walsers Ich auch auf der privaten Bühne eine gute Figur macht.