Rafael Chirbes

Krematorium

Roman
Cover: Krematorium
Antje Kunstmann Verlag, München 2008
ISBN 9783888975219
Gebunden, 432 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. Matias ist gestorben, der charismatische jüngere Bruder des erfolgreichen Bauunternehmers Ruben Bertomeu, in seiner Jugend ein Anhänger revolutionärer Gewalt, später wie seinem Bruder zum Trotz ein Ökobauer. Mit dem Tod von Matias setzt ein vielstimmiger Chor ein: Da ist Ruben, der Sozialist und Bauunternehmer, der auf sein Leben zurückblickt, in dem jedes Ideal für Geld und Erfolg geopfert wurde. Da ist seine zweite Frau Monica, blutjung und karrieregeil, mit unbedingtem Aufstiegswillen. Und seine Tochter Sylvia, eine Kunsthistorikerin, gefangen in einer freudlosen Ehe mit dem arroganten Professor Juan Mullot. Sie alle profitieren von Rubens Reichtum, gleichzeitig verachten sie ihn. Rubens Kindheitsfreund, Federico Brouard, ist als Schriftsteller gescheitert und verbringt seine letzten Tage im Suff, Ramon Collado ist Rubens Mann fürs Grobe. Aus diesen unterschiedlichen Perspektiven entsteht ein grandioses Gesellschaftspanorama: die Familie als Ort des Besitzdenkens, die Zerstörung der Umwelt, Bauspekulation, schmutzige Geschäfte, Korruption, Drogen. Sexualität als Ware und gleichzeitig letzter Halt gegen die Auflösung jeglicher Verbindungen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.12.2008

Von Rafael Chirbes' Roman "Krematorium", der eine Trilogie über Spanien von 1940 bis in die Gegenwart abschließt, ist Christoph Schröder hellauf begeistert. Das Buch setzt sich zusammen aus den Gedanken und Reflexionen der hinterbliebenen Freunde und Familienangehörigen des Ökobauern Matias, dem sie vor der Einäscherung im Krematorium die letzte Ehre erweisen, fasst der Rezensent zusammen. Durch die vielstimmige Perspektive wird die Lektüre nicht eben einfach, gibt Schröder zu, der aber gerade darin den enormen "Gewinn" dieses Buches sieht. Insgesamt genommen ziehen diese Stimmen in ihren inneren Monologen nämlich die Bilanz ihres individuellen Lebens sowie der Geschichte Spaniens insgesamt, sei es der skrupellose Bauunternehmer Ruben, Tochter Silvia, die sein Profitstreben verachtet, jedoch von seinem Geld lebt, oder die anderen Figuren des Buches. Daraus ergibt sich eine schonungslose Abrechnung sowohl mit den "Idealisten" wie mit den "Pragmatikern" des Romans, so der Rezensent angetan. Dass das Buch zudem brillant geschrieben und übersetzt ist, befeuert die Begeisterung Schröders zusätzlich.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.10.2008

Judith Luig ist von Rafael Chirbes' neuem Roman nicht losgekommen. Dabei hätte sie ihn angesichts der trostlosen Isolation von Chirbes' Figuren gern aus der Hand gelegt. In dieser Leseerfahrung sieht sie Chirbes' literarisches Programm für diesen Roman aufgehen. Sein Porträt der Brüder Matias - ehemals Linksradikaler, jetzt Ökobauer - und Ruben - einst Visionär, jetzt korrupter Unternehmer - ist für Luig eine Darstellung des "Scheiterns einer Generation spanischer Intellektueller". Chirbes untermale die Isolation seiner Charaktere, indem er sie in "endlosen Monologen" sprechen und Nähe nur durch lieblosen Sex aufkommen lasse. Die Handlungsarmut und die Konzentration aufs Innenleben der Figuren in diesem Roman findet Luig "brillant konzipiert", zumal sie den Autor als einen "Meister der inneren Rede" schätzt. Warm ist der Rezensentin bei der Lektüre dieses "Grabmals linker Ideologien" wahrlich nicht geworden. Dass es sich nach Luigs Ansicht lohnt, sich der schonungslosen Einsamkeit auszusetzen, die Chirbes schildert, wird in ihrer Rezension aber auch klar.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2008

In Rafael Chirbes neuem Roman fällt es leicht, die Geschichte zweier ungleicher Brüder als Parabel auf das Spanien von heute zu lesen, meint Rezensent Albrecht Buschmann. Für ihn war die Lektüre sehr ergiebig; facettenreiche Erzählstränge seien stets von politischer und gesellschaftlicher Relevanz. Die Geschichte, so Buschmann, sei sehr aktuell. Das Buch spielt im heutigen Spanien, in der Nähe von Valencia, wo der Tourismus-Boom die Gesellschaft zur "kulturellen Selbstaufgabe" getrieben hat. Der Bio-Bauer Matias Bertomeu stirbt und anlässlich seines Todes versammeln sich nun sein geschäftsmännischer Bruder und andere Bekannte, die anfangen, ihr Leben in Frage zu stellen. Wie Buschmann fortfährt, befrage das Buch in inneren Monologen die "Formbarkeit der Wirklichkeit", was für ihn immer auch die Frage nach Spaniens Modernisierungsalternativen bedeutet: was wäre, wenn sich Spanien nicht dem skrupellosem Tourismus hingegeben hätte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 16.09.2008

Nachdem sich Rafael Chirbes in seinen bisherigen Romanen vor allem mit Spaniens jüngerer Geschichte beschäftigt hat, wendet er sich in seinem neuesten Roman "Krematorium" der Gegenwart und den verlorenen Idealen seiner eigenen Generation zu, stellt Alex Rühle fest. Es ist ein durch und durch bitteres Resümee, das der spanische Autor zieht, sei es in der wichtigsten Figur seines Romans, dem Baulöwen Ruben Bertomeu, der seinen Reichtum skrupellos auf der Verschandelung der spanischen Küste aufgebaut hat, sei es in den von ihm abhängigen Familienangehörigen und Freunden, die Rubens Geschäft ablehnen, aber dennoch von seinem Reichtum profitieren. Und so bezieht sich der Titel nicht nur auf Kremierung von Rubens Bruder, dem Ökobauern Matias, sondern auch auf die Zerstörung der Umwelt und den Verlust aller Moral, erklärt der Rezensent: "Präadamismus ohne Schuldgefühl". Und der Übersetzung durch Dagmar Ploetz, die dieses Buch "wunderschön flüssig" ins Deutsche gebracht hat, sei es zuzuschreiben, dass die Werke des Autors besonders in Deutschland so großen Erfolg hätten, so Rühle überzeugt.
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