Jan Philipp Reemtsma

Folter im Rechtsstaat?

Cover: Folter im Rechtsstaat?
Hamburger Edition, Hamburg 2005
ISBN 9783936096552
Kartoniert, 154 Seiten, 12,00 EUR

Klappentext

Ist unter bestimmten Bedingungen Folter in einem modernen Rechtsstaat legitimierbar? Diese Frage wurde nach dem 11. September 2001 in den USA aufgeworfen: Wäre Folter für den Fall, dass durch ihren Einsatz ein Terroranschlag mit tausenden von Toten verhindert werden könnte, nicht ein zulässiges, vielleicht notwendiges Mittel? In Deutschland wurde diese Diskussion anlässlich des Entführungsfalles Metzler virulent, als bekannt wurde, dass dem Entführer eines Kindes von der Polizei Gewalt angedroht wurde, wenn er nicht das Versteck der Geisel verrate. Für beide Fallszenarien - der Abwehr terroristischer Gewalt und der Lebenserhaltung einer Geisel - gibt es eine Vorgeschichte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 04.10.2005

Jan Philipp Reemtsma hat ein Plädoyer gegen einen neuen "Rechtsgeschmack" in Deutschland in Sachen Folter geschrieben, dessen zentralen Aussagen sich Rezensent Michael Schefczyk nur vehement anschließen kann. Der Autor gebe einen "klug kommentierten" Überblick zur aktuellen Debatte um die Folter in Ausnahmefällen. Der Heidelberger Staatsrechtler Winfried Brugger, so Schefczyk, sei gewissermaßen Reemtsmas wesentlicher "Antipode". Über "isolierte Gedankenexperimente" mit Extremsituationen versuche dieser, staatliche Folter in Ausnahmefällen als gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Reemtsma verweise dagegen auf den Unterschied von privater und staatlicher Reaktion und räume freimütig ein, dass er persönlich im Notfall durchaus gewalttätig reagieren könnte und es rechtlich ja auch dürfte. Der Staat dagegen beschädige den Rechtsstaat und damit "unsere Identität" insgesamt. Der Bürger sei so der Gefahr ausgesetzt, "irrtümlich" gefoltert zu werden. Der Rezensent weist über Reemtsmas Argumente hinaus auf die Möglichkeit hin, dass Verbrecher sich auf rechtsstaatlich erlaubte Folterung sicherlich einstellen würden und somit der "Nettonutzen" so oder so negativ wäre.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.06.2005

Jan Süselbeck sagt dies zwar nicht explizit, scheint jedoch große Stücke auf Jan Philipp Reemtsmas Umgang mit der Frage nach der "Folter im Rechtsstaat" zu halten. Denn der Rezensent widerspricht Reemtsmas Argumentation, die er teilweise detailliert nachzeichnet, in keinem Punkt und lässt sich auch von der Kernthese des Autoren überzeugen. Diese besage, "dass nicht einmal Ereignisse wie der 11. September nötig sind, um zentrale rechtsstaatliche Errungenschaften im Handumdrehen zur Disposition zu stellen". Für den gegenwärtig in Deutschland beobachteten Trend zur Enttabuisierung der Folter suche Reemtsma Ursachen in der Vergangenheit und stoße dabei auf "'affektive Appelle'", die sowohl von staatstheoretischen Schriften wie von Hollywood-Filmen transportiert worden seien und sukzessive einen Wandel im öffentlichen "Rechtsgeschmack" (Reemtsma) herbeigeführt hätten, resümiert Süselbeck. Dass Reemtsma seine Untersuchung "nicht mit polemischer Emphase, sondern mittels einer nüchternen rechtsphilosophischen Erörterung" angehe, verleiht dem Buch und den in ihm ausgesprochenen Warnungen in den Augen des Rezensenten erst recht Nachdruck.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.06.2005

Ein klares Plädoyer gegen die Legalisierung von Folter sieht Rezensent Michael Pawlik in Jan Philipp Reemtsmas Buch "Folter im Rechtsstaat?". Im Vergleich zu den herkömmlichen Beschwörungen der Menschenwürde findet er Reemtsmas Begründung zunächst "erfrischend originell". Demnach verbietet sich die Folter, weil uns ihre Anwendung den Boden unseres rechtsstaatlichen Selbstverständnisses unter den Füßen wegzuziehen droht. Pawlik hebt hervor, dass Reemtsma dann allerdings "stillschweigend" auf die "herkömmliche Begründungsbahn" zurückkehrt. So argumentiere er, dass Folter mit dem Rechtsstaat nicht zu vereinbaren sei, weil dadurch das Individuum als Rechtssubjekt angegriffen und im Extremfall zerstört werde. Wider Willen zeigten Reemtsmas Ausführungen, wie schwierig es sei, "den Schrecken der Folter auf den Begriff zu bringen". Nichtsdestoweniger lobt er das Buch als "kluges" Werk, auch weil es verdeutliche, dass es "innernormativ" zum Thema der Folter im Rechtsstaat bis auf weiteres nichts nennenswert Neues mehr zu sagen gibt.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.05.2005

Seit der Entführung und Ermordung des Schülers Jakob von Metzler diskutieren nicht nur Juristen über die Lockerung des Folterverbots. Jan Philipp Reemtsma komme nicht nur das Verdienst zu, betont Rudolf Walther in seiner Rezension, diese Debatte zu rekonstruieren und zu analysieren, sondern er verweise auch auf frühere Debatten, unter anderem auf einen Vortrag von Niklas Luhmann aus dem Jahr 1992. Auch den Grundgesetzkommentar von Maunz/Dürig knöpfe sich Reemtsma vor, der gewisse "finale Erwägungen" berücksichtigt sehen will. Für Reemtsma ist die Frage rechtlich nicht aufzulösen, berichtet Walther; der Autor, selbst Opfer einer Entführung, tritt für ihn mit dem "befremdlichen" aber - aufgrund seiner eigenen Geschichte - verständlichen Bekenntnis hervor, privat im schlimmsten Fall auch zu den härtesten Mitteln zu greifen. Dem Staat würde Reemtsma dies allerdings nicht zugestehen, meint Walther. Reemtsma habe einen brillanten Essay abgeliefert, findet er, weist aber darauf hin, dass es nicht nur Privatsache sei, sondern der öffentlichen Debatte bedürfe, welche Mittel der Rechtsstaat anzuwenden bereit sei.