Nina Jäckle

Noll

Roman
Cover: Noll
Berlin Verlag, Berlin 2004
ISBN 9783827005434
Gebunden, 192 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Nolls Abschied vom Leben ist eine Huldigung an das Erzählen. Nina Jäckle legt dem Leser Fährten aus - die Geheimnisse einer Familie, die Zerbrechlichkeit der Liebe und des Lebens komponiert sie mit unvergleichlich musikalischem Gespür zu einem dichten Gefüge aus Wahrnehmung und Erinnerung. Ein Mann nimmt Abschied, er wird den nächsten Tag nicht überleben. Doch Noll kann nicht aufhören, sich zu erinnern, und so werden die letzten Stunden zur Spurensuche und zu dem Roman eines Lebens - wie ein Musikstück komponiert, fügen sich Geschichten voller Geheimnisse, Schuld und Augenblicken des Glücks ineinander.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.08.2005

Als ein "Stück existenzielle Prosa" würdigt Rezensentin Daniela Strigl diesen Debütroman Nina Jäckles, den die Autorin als "Ritual des Abschiednehmens und Erinnerns" inszeniere. Es geht um Noll, einen krebskranken, vom Leben erschöpften Mann, der einen als Unfall getarnten Freitod begeht. - um gegen das Zwangsläufige des Krebs-Ganges zu demonstrieren und auch um seiner Mutter und Schwester die Versicherungssumme zukommen zu lassen. Im zweiten Teil der Geschichte, die es nach Strigls Ansicht an Stringenz mit dem ersten nicht aufnehmen kann, stellt dann eine Versicherungsdetektivin Überlegungen zu Nolls Selbstmord an. Beeindruckt haben Strigl vor allem Sprache und Erzählweise des Romans. Jäckle erzähle in einer "betont schlichten, durch Wiederholungen strukturierten Sprache, mit großer Intensität, aber ohne jede Wehleidigkeit und mit viel Gespür für die Wirkung der Lücke".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2005

Großartig findet Verena Mayer den Debütroman von Nina Jäckle, der "eine kurze Geschichte vom Sterben" erzählt. Ein todkranker Mann verbringt seine letzten Tage, er ordnet seine Angelegenheiten, er erinnert sich. Das Besondere an diesem Roman ist für Mayer, dass Jäckle auch formal den Strukturen des Erinnerns folgt. Jäckle arbeite mit Wiederholungen und Auslassungen, Unwichtiges werde wichtig und Wichtiges nur angedeutet; die Erinnerung gehorche scheinbar dem Zufallsprinzip, das in Wirklichkeit, erklärt Mayer, gar nicht nach diesem Prinzip arbeite. Die Autorin pflege einen trockenen resümierenden Stil, der für Nebensätze und Abschweifungen keine Zeit zu haben scheine. Nach zwei Dritteln des Romans wechselt im übrigen die Erzählperspektive, ein interessanter dramaturgischer Kniff, der die Lebensgeschichte des mittlerweile verstorbenen Noll aus der Sicht einer Versicherungsangestellten noch mal aufrollt und, versichert wiederum Mayer, in seinen Details bestätigt. "Noll" sei ein bis in kleinste Detail durchkomponiertes Buch, das die Mechanismen des Erinnerns und Verdrängens genau rekonstruiere.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.11.2004

Von diesem Roman, dem zweiten Buch der Autorin Nina Jäckle ist Martin Lüdke sehr angetan. Vermeintlich "simpel" konstruiert, erweist sich die Handlung des Buches als durchaus "vertrackt" und "schwer zu beschreiben", gibt der Rezensent zu und macht sich an die Arbeit: Es geht um einen 58 Jahre alten an Krebs erkrankten Mann, der seinen Selbstmord plant, erklärt Lüdke. Der Roman beginnt bei dessen Tod und liefert die Vorgeschichte nach, verlässt dann nach zwei Dritteln des Buches die Perspektive des Toten und schwenkt auf die Beobachtungen und Reflexionen der Versicherungsangestellten Sonia ein, die seinen Tod untersucht, so der Rezensent weiter. Dass dieses Buch jegliche "Transzendenz" und alle Antworten auf "letzte Fragen" vermissen lässt und dabei "eher eine blutleere Gedankenwelt" schildert als das Psychogramm eines Selbstmörders, liegt in diese Konstruktionsschleife, bemerkt Lüdke beeindruckt. Für ihn weist die Autorin in ihrem Roman, der ihm wegen der fehlenden "sinnlichen Präsenz des Außenwelt" wie ein "Experiment" erscheint, eindrucksvoll nach, dass der Tod sich eben nicht erklären lässt, er nicht nachträglich "mit Sinn auszustatten" ist.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.07.2004

Der Text, vom Verlag als Roman bezeichnet, liest sich eher wie eine stimmungsvolle Ballade, meint Petra Kohse. Der balladenhafte Charakter ergibt sich für die Rezensentin durch den musikalischen Aufbau des Textes, seine rhythmische Variation von Handlungsmotiven und sprachlichen Wendungen. Das Balladenhafte passt auch zu der Thematik des Buches, das die Lebensgeschichte eines Mannes skizziert, der sich wegen einer schweren Krebserkrankung das Leben nehmen wird. Ein stilles Leben, so Kohse, das sich in stiller Verweigerung geübt hat und aus einer respektvollen Distanz berichtet wird. Dummerweise folgt dem ersten Teil ein zweiter, kritisiert die Rezensentin, in dem diese erzählerische Distanz, diese Ich-Enthaltsamkeit, die ganze Vagheit der Erzählung aufgehoben wird, indem eine Versicherungsangestellte nach dem Tod des Protagonisten den Fall genauer aufzudröseln versucht und den ersten Teil damit in gewisser Weise hinfällig macht. Besser, rät Kohse, man hört gleich nach dem ersten Teil mit dem Lesen auf, dann bleibt die Enttäuschung aus.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.07.2004

Nina Jaeckle erzählt eine unglaublich traurige Geschichte, meint Martin Krumbholz, sie erzähle sie aber kühl, unbeteiligt und strikt aus einer Außenperspektive. Der Rezensent sieht diese distanzierte Haltung ambivalent: einerseits produziere Jaeckle eine formal einwandfreie Prosa, minimalistisch zwar, aber formschön, mit "klarem Gefühl für Rhythmus und Proportionen", schreibt Martin Krumbholz. Andererseits scheint ihm die kühle Haltung hinter diesem Text, der von dem geplanten Suizid eines unheilbar kranken Mannes handelt, zu "kaltschnäuzig", etwas zu formverliebt, so dass die vielen Leerstellen, die der Text in die in Rückblenden erzählte Lebensgeschichte einbaut, ihm zu wenig grundiert erscheinen. Bestätigt fühlt sich der Rezensent in seiner enttäuschten Sicht durch den zweiten Teil, in dem die Autorin einen Perspektivenwechsel vollzieht und den Fall von einer Versicherungsangestellten erneut aufrollen lässt: ein reines Formexperiment, bescheidet Krumbholz abschlägig, das die gesamte Komposition des Buches aus den Angeln hebt und das Interesse für den Protagonisten vollends erlöschen lässt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.05.2004

Einen "schönen und doch ziemlich traurigen Roman" erblickt Rezensent Kolja Mensing in Nina Jäckles Buch über Noll, einen älteren Mann, der sich entschieden hat, seinem Leben ein Ende zu setzen. In der ihm verbleibenden Zeit nimmt er Abschied von seinem Alltag und den Erinnerungen. Es geht dabei um Familiengeheimnisse, verblasste Freundschaften und zerbrochene Liebschaften, ein ungeborenes Kind und Worte, die nicht gesagt wurden. Beeindruckt haben ihn vor allem die "lakonische und zugleich melodiöse Sprache", die die Autorin für die Verzweiflung ihres Protagonisten Noll gefunden hat, und die ungewöhnliche Perspektive des Romans. Etwas bedauerlich findet er dann allerdings, dass Jäckle im zweiten, kürzeren Teil des Romans noch einmal ansetzt, um Nolls Leben und Sterben zu rekonstruieren, diesmal aus der Perspektive einer jungen Frau. "Zum Schluss soll also die Literatur all das in Ordnung bringen, was im Leben nicht funktioniert hat", schließt der Rezensent. "Das ist ein wenig kitschig."
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