Günter Grass

Letzte Tänze

Gedichte und Bilder
Cover: Letzte Tänze
Steidl Verlag, Göttingen 2003
ISBN 9783882438826
Gebunden, 96 Seiten, 35,00 EUR

Klappentext

Aus der Schreibpause, die sich der Schriftsteller Grass verordnet hatte, wurde ein Schaffensrausch des Bildhauers und Zeichners Grass. In rascher Folge entstanden Tango tanzende und kopulierende Paare, die er aus rotem Ton formte und dann in Bronze gießen ließ, sowie auf graues Papier gezeichnete, sich wild oder lässig drehende Tänzer. Mitten in der Arbeit meldete sich der Dichter zu Wort: Gedichte entstanden, die Bewegung und Rhythmus der Figuren aufgreifen... Der Titel "Letzte Tänze" verweist auf die Perspektive des alt gewordenen Dichters, der, ein geübter, leidenschaftlicher Tänzer, in weit ausschreitenden Bewegungen Erinnertes und Gegenwärtiges umkreist. In seinen neuen, überraschenden Gedichten zeigt er sich, wie er gelegentlich die Welt lächelnd aus dem Kopfstand betrachtet und sich im nächsten Moment kämpfend und liebend ins Leben stürzt, denn "der Beat hört nicht auf zu hämmern".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.12.2003

Sicher, der Titel des neuen Lyrikbandes von Günter Grass verbreite "einen Hauch von Altersmelancholie", schreibt ein diesbezüglich Zweifel anmeldender, hellauf begeisterter Christoph Bartmann, denn wo "so viel Vitalität" herrsche, kann es sich wahrlich nicht um die "letzten" Tänze des großen Dichters handeln. Doch nicht allein die von Grass "gottähnlich" eingeführten Gedichte haben dem Rezensenten zu gefallen gewusst, denn auch die optische Aufmachung des "richtigen Prachtbandes" waren ganz nach seinem Geschmack: So komme dieser im "üppigen Großformat" daher, ist "mit Kohlezeichnungen von tanzenden oder kopulierenden Paaren" versehen und auch die altbekannte "unablässig ins Bild hinein spielende Schreibhand des Autors" haben den Rezensenten verzückt.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.09.2003

Man möchte Günter Grass nicht um dieses Zeugnis beneiden, das ihm Roman Bucheli mit seiner Rezension ausstellt. Bucheli erwähnt lobend zwei Dinge: das Gedicht über einen gestorbenen Hund und die "opulente Ausstattung" des Bandes. Der Rest wird vor allem als "entbehrlich" gekennzeichnet. Die anfängliche Erinnerung an frühere Unbeschwertheit, ausgehend von getöpferten, tanzenden Paaren, kippe in "erotisch derbe Verse" und Zeichnungen, die von Liebe und Tod erzählen wollen, dabei allerdings zumeist den Insignien stolzer Männlichkeit verschrieben sind ("Was Wunder! / er steht").

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.09.2003

"Applaus und Tusch". Fritz J. Raddatz ist froh über den gelungen Seiltanz von Günter Grass. Der lyrische Grass unterscheide sich deutlich von seinem schriftstellerischen Alter Ego. Wie ein Bildhauer, also von außen nähere er sich hier seinen Sujets, die werdende Skulptur immer wieder aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtend, um sein Werk herumgehend, ständig in Bewegung. "Er tanzt." Raddatz spürt in diesen "Beobachtungsgedichten" "etwas Erdiges" und glaubt, dass sie gerade deshalb funktionieren, weil Grass sich seiner selbstverordneten Fröhlichkeit entzogen hat. Die "makabre Diesseitigkeit" der Verse erinnert ihn an die Tanzbilder von Pina Bausch, und sein einziger Einwand gilt dem Titel: "Ich wünsche nicht, dass es die letzten Tänze von Günter Grass seien."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.08.2003

Es scheint Ina Hartwig fast eine anthropologische Konstante, dass sich gegen Ende eines erfolgreichen Männerlebens wie im Falle von Günter Grass eine gewisse Altersmilde einstellt - gepaart mit einem etwas großväterlich wirkenden Stolz, setzt Hartwig hinzu. Nach der geschichtslastigen Novelle "Im Krebsgang" habe Grass offensichtlich etwas Leichteres machen - schreiben und zeichnen - wollen und entsprechend heiter und flott kämen die Gedichte und Zeichnungen daher; vom Verlag aufs Feinste gedruckt und gebunden, wie die Rezensentin versichert. Der Ton der meist freien Verse sei süffig, genießerisch, schreibt Hartwig, manchmal ins Ironisch-Zotige gehend, was sie zwischen peinlicher Berührtheit und einer gewissen Achtung für Grass' Offenheit schwanken lässt. Auch der Illustrator Grass schöpfe aus dem Erotisch-Vollen, meint sie, "ebenso virtuos wie peinlichkeitsgrenznah: tricky". Am spannendsten (und am wenigsten gefällig) sind für Hartwig jedoch die Gedichte und Zeichnungen, die sich der fieberhaften Tänze der Nachkriegszeit erinnern; da klingt regelrecht "ein bisschen Blechtrommelwirbel" nach, meint Hartwig.