Wolfgang J. Mommsen

War der Kaiser an allem schuld?

Wilhelm II. und die preußisch-deutschen Machteliten
Cover: War der Kaiser an allem schuld?
Propyläen Verlag, Berlin 2002
ISBN 9783549071694
Gebunden, 256 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Der Kaiser als Galionsfigur.Wilhelm II. und seine Rolle in der jüngeren deutschen Geschichte haben die historische Forschung in den letzten Jahren erneut intensiv beschäftigt. Während der politische Einfluss des Kaisers lange eher gering veranschlagt wurde, überwog in jüngster Zeit die Tendenz, ihm die Hauptverantwortung für die politischen Fehlentscheidungen des Reiches und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs zuzuschreiben. In dieser Debatte bezieht Wolfgang J. Mommsen differenziert, aber unmissverständlich Position: Er betont die Verantwortung der preußisch-deutschen Machteliten, die sich die herausragende Stellung Wilhelms II. zunutze machten, um ihre verhängnisvollen außen- wie innenpolitischen Ziele durchzusetzen. Jede Schwächung des Kaisers hätte zudem eine Stärkung des parlamentarischen Systems und damit den eigenen Machtverlust bedeutet.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.03.2003

"Als wäre er dabei gewesen" und zugleich mit der intellektuellen Distanz des Wissenschaftlers, so schreibe Mommsen. Christoph Jahr lässt keinen Zweifel daran, dass er den Historiker für einen der Großen seines Faches hält. Das gelte auch für dieses Buch, das im Titel rhetorisch frage und dann kenntnisreiche Antwort gebe: Die Schuld an der fehlerhaften und aggressiven deutschen Politik in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg trifft nicht in erster Linie den Kaiser, sondern vor allem die "preußisch-deutschen Machteliten". Und eigentlich das System des "Semikonstitutionalismus", dass den verschlungenen machtpolitischen Dynamiken zugrunde lag: Weder wollte man den Kaiser machen lassen, noch konnte man ohne ihn. Jedenfalls sei Wilhelm II., was die Außenpolitik anging, "eher Getriebener als Antreiber" gewesen, davon ist der Rezensent nach der von Mommsen abgesteckten "Achterbahnfahrt der kaiserlichen Gefühle, Handlungen und Unterlassungen" überzeugt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.03.2003

Es gibt, weiß Volker Ullrich, unter Historikern einen lange währenden Disput über die Rolle Wilhelm II.: Hat er tatsächlich die Politik des Kaiserreichs selbst dominiert, wie es seinen Zeitgenossen erschien? Oder verdeckte seine politische Präsenz nur die im Hintergrund agierenden, eigentlichen Machthaber? Wolfgang J. Mommsen unternimmt laut Ullrich den Versuch einer Vermittlung zwischen beiden Positionen - und zwar durchaus überzeugend, so das Urteil des Rezensenten. Mommsen belege, dass Wilhelm II. zwar den Krieg fürchtete und von mehreren Reichskanzlern zuweilen gelenkt wurde, zugleich aber die Hauptverantwortung für das Wettrüsten mit England trage. Sein Einfluss müsse also als geringer angesehen werden, als es die eine Riege der Historiker behauptet, dennoch stehe seine wichtige - und zutiefst negative - Rolle in der deutschen Politik, die schließlich in den Krieg mündete, außer Frage. Diesen Nachweis hat Mommsen, lobt Ullrich, gewissenhaft geführt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.01.2003

Von einer "Sternstunde" der Geschichtsschreibung schwärmt Johannes Willms im Falle des jüngsten Wurfs des Historikers Wolfgang J. Mommsen, der sich schon im Titel mit einer präzisen und anschaulichen Frage outet, auf die alle im voraus die Antwort erahnen, wie Willms meint: Nein, der Kaiser war nicht an allem Schuld. Warum nicht, das be- und ergründet Mommsen mit einem flotten essayistischen Text, der durch Kürze und Anschaulichkeit besticht und sich an ein breiteres Lesepublikum wendet, schwärmt Willms. Seit Fritz Fischers Entlarvung deutscher Imperialismusbestrebungen hat eine Art "Entzauberung der kaiserlichen Dämonie" stattgefunden, konstatiert Willms, so dass der Kaiser als eher lächerliche Figur galt. Willms verweist auf die hierzulande erst in zwei Bänden vorliegende Biografie Wilhelms II. von John C.G. Röhl, der zu der Erkenntnis gelangt sei, dass Wilhelm einen entscheidenden, wenn auch nur einzelnen Beitrag zur Ausrichtung deutscher Außenpolitik leistete. Mommsen analysiert nun den Zerfallsprozess der kaiserlichen Autorität, so Willms, bis die Monarchie so ausgehöhlt war, dass dann im ersten Weltkrieg ein militärisch-industrieller Komplex die Herrschaft übernehmen konnte. Einzig bedauerlich an Mommsens Darstellung findet Willms den Umstand, dass sich der Historiker nicht getraut habe, am Bismarckschen Denkmal zu kratzen.
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