Gabriel Garcia Marquez

Leben, um davon zu erzählen

Cover: Leben, um davon zu erzählen
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2002
ISBN 9783462030280
Gebunden, 603 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Dagmar Ploetz. Gabriel Garcia Mßrquez erzählt vom Leben seiner Eltern, denen er in "Die Liebe in den Zeiten der Cholera" ein Denkmal setzte, von der eigenen Kindheit und Jugend. Er erzählt von großer Armut und wilden Liebesabenteuern, von Freunden fürs Leben und der Leidenschaft für die Literatur.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 24.12.2002

"Man erkennt es sofort", notiert Eberhard Falcke und sieht das mythische Macondo aus "Hundert Jahre Einsamkeit" neben dem echten Aracataca auferstehen, wohin der junge Marquez im Jahr 1950 mit seiner Mutter fährt, um das Haus der Familie zu verkaufen. Für Falcke ist dieser erzählerische Kunstgriff des Autors, der auf eben jener Reise, wie der Rezensent meint, eine Initiation seiner erzählerischen Fantasie erlebt und zu den familiengeschichtlichen Quellen seiner späteren Romane vorstößt, "eine fabelhafte Eröffnung" für den ersten Band (von vorgesehenen drei) der Garcia Marquez-Autobiografie. Die Reiseschilderung nimmt sich gegen die nachfolgende, anteilige Lebensgeschichte (bis zum Jahr 1955), die ansonsten chronologisch dargestellt wird, wie eine abgeschlossene Novelle aus, meint Falcke. Der ganze Rest hat ihm - mit Abstrichen, unter anderem dem Zeitdruck und Marquez' Krebserkrankung geschuldet, wie der Rezensent gnädig anmerkt - dennoch gefallen. Die Sprache scheint nicht ganz so reich, der Stoff nicht völlig gebändigt, heißt es kritisch, aber fesselnd bleibt Marquez' Lebensgeschichte, beispielsweise seine Jahre als Journalist unter den Bedingungen einer Diktatur, allemal. Bloß auf selbstanalytische Erkenntnisse des "geborenen Erzählers", der vielfach sich selbst zitiert, sollte man nicht hoffen, warnt Falcke.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.12.2002

Rezensentin Karin Ceballos Beancur verbeugt sich in ihrer Rezension mehr vor dem künstlerischen Gesamtwerk des Nobelpreisträgers als vor seinem neusten Buch, dem ersten Teil seiner Autobiografie. Ihre Verehrung garniert sie allerdings mit vielen schönen Zitaten aus dem Buch. Die Autobiografie erzählt, wie uns die Rezensentin wissen lässt, die ersten 28 Jahre des Schriftstellers und endet mit dem Erscheinen seines ersten Romans "Laubsturm". Als Hauptvertreter des so genannten Magischen Realismus habe Garcia Marquez vor der Veröffentlichung des Buches, so vermutet die Rezensentin, sein ganzes Können eingesetzt und zusammen mit dem Verlag einige Mythen gesät, die im Buch dann stückweise aufgeklärt würden. Im Grunde sei das aber unwichtig. Denn die Erinnerungen seien weder wichtig für das Verständnis von Garcia Marquez' Werk noch eignen sie sich für ernsthafte biografische Deutungsversuche. Eher sei es der unverkennbare Schreibstil des Autors, der das Buch in die Herzen der treuen Leserschaft treiben werde: "Da liegt er also, dieser riesige Batzen Papier, und du fragst dich, ob du es wirklich so genau wissen wolltest, ob er sich nicht hätte kürzer fassen können, Nobel hin oder her, und nach den ersten Seiten bist du dann wieder soweit, ihm für jeden Satz auf Knien zu danken, und beginnst, die Zahl 604 unten links zu fürchten."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.12.2002

Thomas Steinfeld nutzt die Rezension des Buches zunächst für eine Abrechnung mit dem lateinamerikanischen "magischen Realismus", den er als "wohlfeile" Verklärung erbärmlicher sozialer und politischer Verhältnisse durch die Phantasie verurteilt. Er sieht darin die "sentimentale Fabel von der erlösenden Kraft der Literatur", die für ihn nicht zuletzt von Marquez praktiziert wird. Aus diesem Grund gefällt ihm der erste Teil seiner Autobiografie nicht, die jetzt auch auf deutsch erschienen ist. Am besten scheint ihm in der Lebensbeschreibung noch die Darstellung der "gesellschaftlichen und politischen Zustände" um 1948 zu gefallen. Der Autor habe als "Augenzeuge" miterlebt, wie der linke Politiker Gaitan ermordet wurde, teilt Krumbholz mit. Der Rest des Buches sei "aufgelöst in Tausenden von Charakteren und Anekdoten", so der Rezensent gereizt, der die Schilderungen als "Abenteuer für gringos" abtut. Er wirft Marquez "Sentimentalität" vor und stöhnt über die vielen "furchtbaren Passagen", in denen dadurch seiner Ansicht nach "das Literarische" des Buches erheblichen Schaden erleidet. Am Ende bezichtigt Steinfeld den kolumbianischen Autor, in seiner Autobiografie vor allem "Reklame für sich selbst" zu betreiben und damit seine eigenen Erinnerungen zu Werbezwecken zu "verraten".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.12.2002

Der Anfang ist großartig, berichtet Leopold Federmair begeistert. Ähnlich wie bei "Hundert Jahre Einsamkeit" führe der erste Satz mitten ins Geschehen und schaffe es außerdem, indem er auf das zugleich reale und mythische Haus aus jenem Roman anspielt, den autobiografischen Bezug zu diesem Roman herzustellen, der als das berühmteste Buch des kolumbianischen Autors gilt. Gabriel Marcia Marquez' Leben, muss Federmair feststellen, ist so prall, dass dies erst der erste einer auf drei Bände angelegten Autobiografie ist. Im Grunde lese sie sich auch nicht viel anders als Marquez' sonstige Bücher, meint der Rezensent: wie ein großer "flussartig" angelegter Roman. Marquez hat recherchiert oder recherchieren lassen: die Geschichte seiner Familie, die so alt und verzweigt ist, dass es ihm ohne weiteres gelingt, wie Federmair einräumt, nebenbei die ganze Geschichte seines Landes zu erzählen. Und wie früher ist infolge seines mythologisierenden Schreibens der Wahrheitsgehalt nicht so genau erfassen. Dieser "Wahrheitsrelativismus", wundert sich Federmair, läuft parallel zum "dokumentarischen Wahrheitswillen". Abgesehen vom Anfang verfährt Marquez chronologisch: die Kindheit in Aracataca, Lehrjahre als Journalist in Bogota, politische Aktivitäten, Lektüren, Liebschaften usw. Der erste Teil bricht ab, bevor Marquez nach Europa geht, berichtet Federmair und versichert, er sei sehr gespannt, wie es weitergeht.