Brigitte Hamann

Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth

Cover: Winifred Wagner oder Hitlers Bayreuth
Piper Verlag, München 2002
ISBN 9783492043007
Gebunden, 688 Seiten, 26,90 EUR

Klappentext

Mit zahlreichen s/w-Abbildungen. 1915 zieht die 18jährige Winifred Williams als Ehefrau von Richard Wagners einzigem Sohn Siegfried in Bayreuth ein. Die Villa Wahnfried ist damals ein Zentrum der "deutschen" Kunst, der Nationalen und Antisemiten, die sich um Winifreds Schwager, den Rassentheoretiker Chamberlain, scharen. 1923 pilgert Hitler zu Wagners Grab. Es beginnt eine lebenslange Freundschaft zwischen "Winnie" und "Wolf", die die ganze Familie Wagner einschließt. Ab 1933 wird Bayreuth in der Festspielzeit zum Mittelpunkt europäischer Politik. Winifred nützt die Macht, die sie durch Hitler erhält, setzt sich aber auch für Verfolgte ein.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.07.2002

Rezensent Udo Bermbach zeigt sich recht beeindruckt von Brigitte Hamanns voluminöser Biografie über die "Herrin von Bayreuth", Winifred Wagner. Hamann begnügt sich nicht damit, Leben und Wirken Winifreds darzustellen, hält Bermbach fest. Sie schildert darüber hinaus die völkische Bewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, den Aufstieg Hitlers, dessen enge Verbindungen zu maßgebenden Kreisen des konservativen Bildungsbürgertums, die Geschichte der Festspiele sowie die Rivalitäten und Streitigkeiten der Wagner-Dynastie, berichtet Bermbach. Er hebt insbesondere hervor, dass Hamann für ihr Buch reiches, bisher nicht genutztes Quellenmaterial zusammengetragen hat, worin er den "großen, den entscheidenden Vorzug" dieser Arbeit sieht. Winifred Wagner werde erstmals in ihren Licht- und Schattenseiten abgewogen dargestellt, in ihrer politischen Ignoranz so gut wie mit ihren Verdiensten um die Festspiele. Allerdings hätte sich Bermbach eine "stärkere Systematisierung und analytische Durchleuchtung" des ausgebreiteten Materials gewünscht - was "den Erkenntnisgewinn zweifellos erhöht, auch manche narrativen Redundanzen erspart" hätte. Gleichwohl bleiben für Bermbach die Verdienste der Studie. Insgesamt würdigt er Hamanns Arbeit als "wichtiges Buch", das manche festgefahrenen Urteile zu korrigieren zwinge und viele neue Details zur Geschichte Bayreuths und seiner Festspiele ans Licht bringe.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.06.2002

Der Rezensent Ralph Bollmann lobt an der von der Autorin und Historikerin Brigitte Hamann verfassten Biografie Winifred Wagners vor allem die erfolgreiche "Verweigerung gängiger Klischees" über die Naziverstrickung ihrer Protagonistin. Grundsätzlich gebe es ja auch keinen Zweifel: Die ehemalige Festspielchefin Bayreuths (1930-1944) habe sich noch 1975 in einem Interview des Regisseurs Hans-Jürgen Syberberg selbst als treue Anhängerin Hitlers zu erkennen gegeben - aus Unfähigkeit, historische Realitäten auf Hitler zu beziehen, dessen "erotischer Ausstrahlung" sie schon früh erlegen sei, wie Hamann meint. Allerdings war sie nicht die einzige Schuldige im Clan. Andere Familienmitglieder, unter anderem ihr Sohn, Nachfolger und heutiger Leiter der Festspiele Wolfgang Wagner, distanzierten sich nur aus "taktischen Motiven", gibt der Rezensent die Autorin wieder. Die zeige Winifred Wagner dann als entschiedene Persönlichkeit, die schon ab den zwanziger Jahren versucht hätte, die Festspiele zu modernisieren und die später auch Verfolgten des Nationalsozialismus half, so dass Hitler 1940 den Kontakt abbrach. Für die anderen Familienmitglieder war sie demnach nach 1945 ein bequemes Bauernopfer, um ungestört weitermachen zu können.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.06.2002

Der Stoff in Wagners Opern ist voll von "vertrackten Paarbeziehungen", von denen "keine einzige" Legitimität genoss, weiß Gerhard R. Koch. In der Realität sah es nicht viel anders aus. Ein Familienmitglied des "Wagner-Clans" ist dabei, so der Rezensent, besonders ins Licht der Öffentlichkeit gerückt: Winifred Wagner, Frau des Wagner-Sohns Siegfried, die nach dem Tod Cosimas und Siegfrieds im Jahr 1930 die Leitung von Bayreuth bis 1945 übernahm und freudig den Nazis Einzug gewährte. Die Wiener Historikerin Brigitte Hamann hat nun, berichtet Koch, über die begeisterte Hitler-Anhängerin eine politische Biografie geschrieben, die "für alle außerordentlich aufschlussreich ist, die sich für Wagner, Bayreuth, NS-Zeit und die Verstrickungen von Kultur und Politik interessieren", ist der Rezensent überzeugt. "Materialreich", "gelungen", "plastisch", "anschaulich" und "quellenreich" findet er die Studie, beschwert sich aber über manche "Redundanzen" und hätte sich einen "stärker analytisch-strukturierenden Durchgriff" gewünscht. Etwas merkwürdig findet Koch Hamanns Polarisierung in Gute und Böse im Hause Wagner: Wolfgang etwa komme fast "ungeschoren" davon, während Wieland die Rolle des "Finsterlings" zugeschrieben werde.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 04.06.2002

Geradezu genüsslich seifenopernhaft stürzt sich der Rezensent Johannes Willms ins wagnerianische Getümmel, webt unter Paukenschlägen am Sagenteppich und will offensichtlich damit dem Leser klarmachen, wie verlockend und gleichzeitig wichtig die Thematik des Buches ist. Und doch haben die Historiker den Stoff bisher gemieden, wofür Willms zwei Erklärungen findet: die Hemmung, Wagners apotheotische Musik mit den späteren Ereignissen in einen Kausalzusammenhang zu bringen, und die "abschreckend-effiziente Geschichtspolitik der Wagnersippe", die wesentliche Dokumente stur unter Verschluss hält. Auch Hamanns Buch wird den schweren Schleier nicht lüften, meint Willms. Nicht nur weil auch ihr der Zugang zu den "wesentlichen Archivalien" verweigert wurde, sondern ganz offensichtlich, weil sie in der Fülle des verfügbaren Materials ertrinkt. Enttäuschend, findet Willms und diagnostiziert "historischen Positivismus in seinem simpelsten Verständnis", da die Quellen weder themenbezogen gewichtet noch analytisch, kritisch und synthetisch behandelt würden. Gerade der immense Erkenntnisgewinn, den eine gelungenen Analyse erbracht hätte, mache es so schade und so ärgerlich, dass hier das Thema "geradezu exemplarisch verfehlt" werde. So bleibt Hamanns Buch ein "erschreckend geistesschlichtes Rezeptbuch", urteilt Willms, macht dafür aber auch die vorschnelle Verlagspolitik verantwortlich.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.05.2002

Der Historikerin Brigitte Hamann ist es gelungen, so Claus Spahn, mit dem Blick auf das Leben von Winifred und der Wagner-Familie Hitlers Aufstieg in Deutschland aus einer Art Innenperspektive zu schildern. Und dies, obwohl ihr der Nachlass von Winifred und Siegfried Wagner, die gesamte Korrespondenz , vor allem diejenige mit Adolf Hitler, nicht zugänglich gewesen sei, da Winifred noch zu Lebzeiten diesen ihrer Enkelin Amelie Hohmann übergab, um - vor allen Dingen nach dem Syberberg-Film von 1975 - nationalsozialistisches Belastungsmaterial beiseite zu räumen. Anhand von privaten Quellen, wie unter anderem Winifreds Briefe an ihre Freundinnen, hat die Autorin versucht, das Leben und das künstlerisch-gesellschaftliche Panorama in Bayreuth während der NS-Zeit zu zeichnen, mit bizarren Details, so der Rezensent. Aber Brigitte Hamann habe auch den Hilfegesuchen und Bittbriefen Rechnung getragen, die Winifred Wagner an Adolf Hitler zugunsten von jüdischen Personen und Homosexuellen richtete, anfangs oft mit Erfolg. Dies sei allerdings nicht als Aufbegehren gegen die Partei zu verstehen gewesen, eher als Korrekturarbeit an der nationalsozialistischen Praxis, berichtet Spahn. Kritisch wird aufgezeigt, so Spahn, dass nicht nur Winifred heillos in den Nationalsozialismus verstrickt gewesen sei, sondern der gesamte Wagner-Clan. Wieland Wagner erscheine in der Biografie als "ein verhätschelter, ewig eifersüchtiger, Hitler höriger Erbe". Nach dem Krieg hat man dann erfolgreich versucht, allein Winifred als Repräsentantin des braunen Bayreuth darzustellen, schreibt Spahn.