Der Kulturinfarkt

Von Allem zu viel und überall das Gleiche
Cover: Der Kulturinfarkt
Albrecht Knaus Verlag, München 2012
ISBN 9783813504859
Gebunden, 224 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Von Dieter Haselbach, Arnim Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz. Das kulturpolitisch so erfolgreiche Programm einer "Kultur für alle" war Höhepunkt der bürgerlichen Bildungsutopie, die tief in der deutschen Klassik wurzelte: Es ging um nichts weniger als die "ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts"; darunter machen es die Deutschen nicht. Doch längst können Kunst und Kultur weder das individuelle noch das kollektive Glücksversprechen erfüllen. Sie ermöglichen weder die Vervollkommnung des Einzelnen noch erlösen sie von den Zumutungen der Globalisierung und Moderne. Sie stiften weder den Zusammenhalt der Nation noch helfen sie bei der Integration des Fremden. Sie befördern nicht die Wirtlichkeit unserer Städte und schon gar nicht das ökonomische Wachstum durch eine blühenden "Kreativwirtschaft". Vielmehr spaltet öffentlich geförderte Kultur die Gesellschaft. Der Fetisch Kulturstaat, in dem alle diese Wunschvorstellungen kulminieren, stößt an seine Grenzen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.03.2012

Joachim Güntner hat das Bedürfnis, den vier Autoren Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz beizuspringen angesichts der lautstarken Kritik an ihrer Streitschrift "Der Kulturinfakt", die in der letzten Woche im "Spiegel" in Kurzfassung zu lesen war. Die nun erschienene Buchfassung allerdings lässt seine Hilfsbereitschaft spontan versiegen. Redundanz, das Einrennen offener Türen, Unschärfe der Kriterien und schwammige Angriffe wirft er den Autoren vor, deren "kulturkonservativer" Gestus ihm zusätzlich die Freude an der Lektüre nimmt. Zuvorderst vermisst Güntner empirische Belege für die Befunde der Autoren, die sich lieber mit dem "kulturpolitischen Überbau" als mit Spielplänen und Ausstellungsthemen befassen, wenn sie der Kultur allgemeine Erstarrung vorwerfen. Dass dabei zwischendurch durchaus die "richtigen Fragen" gestellt werden wie danach, ob der Kunst nicht zu viele Aufgaben aufgebürdet werden oder was kulturpolitisch gefördert werden sollte, kann den Rezensenten nicht darüber hinwegtrösten, dass er es hier mit einem reichlich "matten Elaborat" statt mit einer bissigen Polemik zutun hat.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 22.03.2012

Thomas E. Schmidt kann dem bereits vielfach abgekanzelten Buch der vier Kulturmanager Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz auch Positives abgewinnen. Ihr Befund von der Reformunfähigkeit der deutschen Kulturinstitutionen ist nicht neu, aber zutreffend. Auch die Frage, wer und was legitimiert Kultursubventionen findet Schmidt wichtig. Für das beste am Buch hält er allerdings den "Ingrimm", mit dem die Autoren eine Debatte über die Strukturen des Kulturbetriebs führen wollen. Schmidt möchte die auch führen, allerdings wäre es ihm lieber, wenn die Basis, auf der dies geschieht etwas tragfähiger wäre, als dieses Buch. Was er den Autoren nämlich negativ ankreidet, ist durchaus beträchtlich: Schmidt vermisst unter anderem so grundlegende Dinge wie eine Analyse der Organisationen, einen Begriff von Kultur und Gesellschaft, eine Vorstellung davon, wie Erfolg zu bemessen wäre. Stattdessen sieht Schmidt die Autoren von "exlinkem Ressentiment" gegen zugleich egalitäre, abgehobene und gepamperte Kunst getragen. Dass der Markt eine bessere Kunst hervorbringt als ein staatliches System hält Schmidt denn auch mit Blick auf die zeitgenössische Kunst für eine recht abenteuerliche These.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 21.03.2012

Mit Oliver Reese lässt die FR den Intendanten des Frankfurter Schauspiels das Buch besprechen, der als einer von diesem Buch Angesprochenen gelten darf. Eine echte Zumutung war denn auch für ihn das Buch, in dem vier Kulturmanager fordern, die Hälfte aller Theater und Museen zu schließen, um die andere Hälfte finanziell besser ausstatten zu können und wildwachsenden Strukturen Einhalt zu gebieten. Ob sich das Staatstheater in Darmstadt freuen kann, wenn es das Geld vom geschlossenen Theater in Wiesbaden bekommt?, fragt sich Reese. Und was bleibt einem bürgerlichen Selbstverständnis in Städten wie Recklinghausen oder Witten, wenn deren Kultureinrichtungen geschlossen werden. Krude bis skandalös findet der Rezensent all die unbelegten Behauptungen, "robespierrehaft" seinen Stil und kalt die Argumentation: Warum sagt keiner der vier Autoren einmal Ich? So wie in: Ich habe diese Erfahrungen gemacht und deswegen bin ich dieser Überzeugung.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.2012

Niklas Maak ist selbst alles andere als zufrieden mit der Subventionspraxis für die Kultur. Aber ein ganzes Buch rechtfertigt die Kritik an schwergängiger Bürokratie und fehlgeleiteter Unterstützung nicht, meint der Rezensent, zumal hier ohnehin große Einigkeit besteht. Und so hat Maak auch den Verdacht, dass Dieter Haselbach, Armin Klein, Pius Knüsel und Stephan Opitz schon allein deshalb zu überspitzten Thesen und hanebüchenen Forderungen greifen, um ihrem Werk "Der Kulturinfakt" eine Existenzberechtigung zu verleihen. Wenn die Autoren in bemüht lockerem Ton nach Streichung der Hälfte der Subventionen ruft und von Künstlern und Institutionen mehr Unternehmertum und Marktkompatibilität fordern, so findet das Maak nicht nur ärgerlich. Er beklagt hier auch einen entschiedenen Mangel an Geistesschärfe und historischem Wissen. Der Rezensent hat das Gefühl, in der vagen Kritik gegen Konzeptkunst und Theorie, die dem Leser des Buches als "Gesellschaftsdiagnostik" verkauft wird, kristallisiere sich vor allem die persönlichen Ressentiments der Autoren. Was er zudem hier vorgeführt sieht, ist nicht zuletzt die "Verwüstung, die marktorientiertes Denken in der Sprache anrichtet".
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