Robert Coover

Geisterstadt

Roman
Cover: Geisterstadt
Rowohlt Verlag, Reinbek 2002
ISBN 9783498009199
Gebunden, 188 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren. Der einfältige Cowboy reitet auf seinem treuen Klepper durch die Wüste, hinter den flimmernden Mesas stets eine kleine Stadt im Blick. Lange bleibt sie für ihn eine Fata Morgana, dann ist er plötzlich da, zwölf Uhr mittags, leere Straßen, eine Geisterstadt. Doch sobald der Cowboy den Saloon betritt, belebt sie sich (als hätte jemand einen Film angeschaltet): Revolverhelden, Goldsucher und leichte Mädchen; man versammelt sich zu falschem Spiel, Zugüberfall und Indianerhatz. Jeder Western braucht einen Helden, darum wird der Cowboy kurzerhand zum Sheriff ernannt und darf gleich den unschuldigen Bankier aufknüpfen: erstes einer schier endlosen Reihe halsbrecherischer Abenteuer, bis der kreuzbrave Mann auf den unvermeidlichen Showdown zugaloppiert...

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.09.2002

Martin Lüdke zeigt sich in seiner eingehenden Rezension zutiefst beeindruckt von diesem Roman. Dabei seien es weder der "Stoff" noch die "Handlung", die das Buch zu etwas Herausragendem machten, erklärt der Rezensent. Vielmehr sieht er das "Bemerkenswerte" darin, dass der ganze Roman "Zitat" ist. Zitiert werden vor allem Cowboy-Filme, der Rest ist Literaturzitat, so Lüdke fasziniert. Und so fallen ihm bei der Lektüre neben John Ford und Sergio Leone Kafka und Beckett ein, die er in den großen und allgemein bekannten Bildern des Buches evoziert sieht. Doch, stellt der Rezensent klar, handelt es sich bei diesem Buch keineswegs um eine "Parodie", wie das gelegentlich deutlich werdende "Augenzwinkern" des Autors glauben machen könnte. Er preist den Roman als beeindruckendes "Lehrstück" der menschlichen Weltwahrnehmung, der die Bilder zeigt, die wir alle "schon im Kopf haben". Die große Leistung des amerikanischen Autors sieht er darin, mit welcher "Souveränität" er die Handhabung seines "Bilder-Vorrates" meistert. Zwar sind die Abenteuer des einsamen Helden, der durch die Prärie reitet und dann vom "Labyrinth" einer Stadt aufgesogen wird, nach Ansicht Lüdkes zwar "restlos Sinn-entleert". Doch folgt die Geschichte der inneren Logik des Autors und ist dadurch von "großer poetischer Kraft", so der Rezensent begeistert.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.05.2002

Richtig begeistert ist der Rezensent David Wagner von diesem Western in Romanform, und dafür hat er einige Gründe. Der Roman sei kein Abklatsch der vom Film etablierten Codes, sondern vielmehr "ein surrealistisches Bühnenweihspiel", das eine ganz eigene Ebene schaffe. Obwohl die Geschichte alle Cowboy- und Westernbilder aktiviert, die der Leser im Kopf hat, und gekonnt mit ihnen spielt, "verrät der Text an keiner Stelle ..., dass es so etwas wie ein Westernkino gibt", freut sich Wagner. Dazu kommt, dass die Erzählung eine großartige "Ausschnittsvergrößerung" bietet, denn "der Text hat eine viel höhere Auflösung als das erinnerte Kinobild". Der Held der Geschichte ist in Wagners Augen ein Prototyp, "dessen Gesicht unter dem Hut kaum je zu sehen sein soll". Damit dekonstruiert der Autor Robert Coover den "Pathos des klassischen Western" und ist nach Wagner dem Westerngenre, dem er hier ziemlich geschickt einen neuen Aspekt hinzufügt, ein ganzes Stück voraus.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.03.2002

Wenn Dorothea Dieckmann von diesem Roman als von einem "schillernden Juwel" spricht, so spielt sie damit auf die Vielfalt der "amerikanischen Existenzialien" an, die das Buch, genau wie ein gut geschliffener Edelstein das Licht, einfängt. Der Autor, lässt Dieckmann uns wissen, steigert den Amerikanischen Traum freilich zu einem gigantischen Alp, einem "Trash- Chaos, in dem Hirn und Sperma fließen, Knochen und Galgenholz splittern". Plausibel erscheint er der Rezensentin dabei, weil die montierten Versatzstücke aus Western und Pulp "zugleich Archetypen von psychoanalytischer Reichweite" darstellen. Komisch, pathetisch, barock (etwa in Bildern, die für Dieckmann wie Koprodukte Edward Hoppers und de Chiricos aussehen) und vulgär zugleich ist das ohnehin. Coovers "magischer Nihilismus", so Dieckmann, sei "süffig und grell wie eine Kreuzung aus Mariachi-Filmen und Italowestern", das Buch, schwärmt sie, sei allemal mehr als eine Westernparodie.