Jacques Le Goff

Ludwig der Heilige

Cover: Ludwig der Heilige
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2000
ISBN 9783608918342
Gebunden, 996 Seiten, 50,11 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Grete Osterwald und Jochen Grube. Eine klassische Studie über den markantesten und zugleich unbekanntesten Herrscher auf dem Thron Frankreichs im Mittelalter, der große Gegenspieler von Kaiser Friedrich II. im 13. Jahrhundert, ein Heiliger, der zum Inbegriff des 13. Jahrhunderts wurde. Ludwig IX. (1214?1270), der erste und einzige heiliggesprochene König Frankreichs ist neben Kaiser Friedrich II. von Hohenstaufen (1194?1250) die herausragende Herrschergestalt des 13. Jahrhunderts. Ludwig wird zur nationalen, ja mythischen Identifikationsfigur der Franzosen wie sein kaiserlicher Gegenspieler für die Deutschen. Jacques Le Goff entwirft eine historische Biografie des Königs und Heiligen, Kreuzfahrers und Friedensstifters, entfaltet das Weltbild seines Jahrhunderts und erzählt das Leben des Königs: seine Herkunft, die Geburt 1214, der frühe Tod des Vaters, die Bedeutung des Großvaters, die Regentschaft seiner Mutter, Blanka von Kastilien, die Heirat mit Margarete von Provence und der erste Kreuzzug (1248?1254). Der König gerät in Gefangenschaft und kommt nur durch die Zahlung eines Lösegeldes frei. Schließlich kehrt er nach dem Tod der Mutter in das damalige Frankreich zurück, regiert und reformiert sein Königreich und stirbt 1270 vor Tunis während eines zweiten, gescheiterten Kreuzzuges.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.11.2000

Ludolf Kuchenbuch lobt dieses "hochkarätige Alterswerk" Le Goffs in den höchsten Tönen. Besonders spannend findet er dabei, dass der Autor immer wieder den Zweifel aufkommen lässt, ob Ludwig überhaupt je existiert hat, oder ob er nicht möglicherweise ein "Produkt" der Nachwelt ist. Davon abgesehen wird nach Kuchenbuch in dieser Biografie der immense fachliche Hintergrund Le Goffs deutlich, der sich vorher schon in zahlreichen Veröffentlichungen auch zum Alltag dieser Zeit hervorgetan hat, und was nach Ansicht des Rezensenten auch hier mit einfließt. Kuchenbuch betont allerdings ausdrücklich, dass es sich bei Le Goffs Vorgehensweise nicht in ein "Sichhineinversetzen" in die Person Ludwig handelt, sondern dass der Autor stets die Position eines Beobachters einnimmt. Le Goff `umkreise` Ludwig, `nähere` sich ihm und stelle dabei auch immer wieder "Gewissheiten" in Frage. "Atmosphärische Unmittelbarkeit" wird, so der Rezensent, immer wieder durch zeitgenössische Zitate hergestellt, gleichzeitig könne man auch einiges über die heutigen Forschungsergebnisse erfahren. Nicht zuletzt lobt der Rezensent Le Goffs Fähigkeit zu "fast aphoristischer gedanklicher Verdichtung". Auch von der Übersetzung durch Grete Osterwald sowie der Ausstattung des Bandes und dem ergiebigen Anhang zeigt sich der Rezensent äußerst begeistert.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.10.2000

Bernd Schneidmüller preist die fast tausend Seiten umfassende Biografie des französischen Mittelalter-Experten Jacques Le Goff über Ludwig den Heiligen als "Glücksfall" des Biografen für sein Objekt und des Dargestellten für seinen Biografen. Ludwig IX. von Frankreich (1226-1270) gelte als Ausnahmeerscheinung unter den französischen Königen. Er sei als Herrscher modern, neugierig und besonders religiös gewesen mit großem Interesse an den neuen Bettelorden. Doch sei seine Religiosität auch in Fanatismus umgeschlagen. Zweimal habe Ludwig als letzter westlicher König desaströse Kreuzzüge ins Heilige Land angeführt. Le Goff müsse nun die Patina der Verklärung abtragen, die durch die Heiligsprechung und die Geschichtsschreibung seit dem 13. Jahrhundert entstanden sei, schreibt der Rezensent. In einem ersten Teil erzähle Le Goff "chronologisch brav gegliedert" aber "spannend", "brillant" und "vorzüglich übersetzt" das Leben Ludwigs, immer ausgehend von einer "radikalen Kritik" an der Objektivität seiner Darstellung. Im zweiten Teil verwandele der Historiker die Quellenkritik "listig ... in eine Kür".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.10.2000

Die Rezensentin Christa Dericum weist darauf hin, dass eine Biografie aus der Feder eines Historikers der Annales-Schule auf den ersten Blick erstaunlich ist - denn Männer, die Geschichte machen, wollten die Autoren der Annales gerade nicht ins Zentrum rücken. Eine gewöhnliche Biografie aber sei dieses "bedeutende, verführerische, einmalige Buch" auch gar nicht: Le Goff gelingt es, so Dericum, sein umfassendes Wissen über das 13. Jahrhundert durch beharrliche "Querfragen", nicht der Heldenbeschreibung, sondern "den Staubkörnern der Geschichte verpflichtet", eindrucksvoll auszubreiten. Er geht dabei nicht chronologisch vor, sondern umkreisend, auch gegenüberstellend: als imposante Gegenfigur erscheint der Staufer Friedrich II. Das Bild, das so von Ludwig dem Heiligen gezeichnet werde, sei entsprechend facettenreich. Sein Gerechtigkeitsgefühl und seine Frömmigkeit würden ebenso beschrieben wie grausame Züge: "auch ein Heiliger hat Fehler", resümiert die Rezensentin. Das Buch von Le Goff aber, so scheint es, nicht.
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