Mahmud Doulatabadi

Der Colonel

Cover: Der Colonel
Unionsverlag, Zürich 2009
ISBN 9783293004023
Gebunden, 280 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Persischen und mit einem Nachwort von Bahman Nirumand. Eine pechschwarze Regennacht in einer iranischen Kleinstadt, ein altes Haus. Der Colonel hängt seinen Gedanken nach. Erinnerungen stürmen auf ihn ein. An seine Jahre als hochdekorierter Offizier der Schah-Armee. An seine Kinder, die ihren eigenen Weg gingen, sich den Revolutionsgardisten Khomeinis angeschlossen haben und in den Krieg zogen, in die Leidenschaften der Revolution und des Todes. Durch die Gassen werden die gefallenen "Märtyrer" getragen, in der Stadt werden ihnen Denkmäler gebaut. Es herrscht Krieg - "diese giftige, fleischfressende Pflanze". Und im Haus sind Geheimnisse verborgen: Ein Sohn versteckt sich im Keller, gepeinigt von den Albträumen seiner Erinnerungen. Da klopft es an die Tür. Der Colonel wird abgeführt, zur Staatsanwaltschaft.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.07.2009

Dieser Welt-Erstveröffentlichung wünscht Hans-Peter Kunisch eine über die Iran-Krise hinaus andauernde Wertschätzung. Kunisch erzählt von der langen Entstehungszeit des Romans, von der iranischen Zensur, der der Text zum Opfer fiel, und von einer Hauptfigur, die trotz ihrer mörderischen Wahnhaftigkeit dem Leser Verständnis abzuringen vermag. Verstörend ist wohl das passende Wort, um die Lektüreeindrücke des Rezensenten zusammenzufassen. Den Zustand des traumatisierten Colonels zeichnet Mahmud Doulatabadi laut Kunisch mit "kraftvollen Bildern" und differenziert genug, um sich politisch nicht vereinnahmen zu lassen. Vor allem die sprachliche Spiegelung des Wahns (von Macbeth'scher Dimension, wie Kunisch erklärt) hat den Rezensenten überzeugt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.06.2009

Düster und nicht leicht zu lesen ist dieses Werk nach Ansicht von Rezensent Andreas Fanizadeh, der es den Lesern als "Dokument für das iranische Desaster" trotzdem sehr empfiehlt. Denn es handele sich um eine "brutale Erzählung" von einer Familie, die vom Lauf der Geschichte zermalmt werde. Mahmud Doulatabadi erzähle, wie sich privates und gesellschaftliches Unglück im Iran nach 1979 unheilvoll verstrickten, weshalb der Roman im Iran bisher auch nicht habe erscheinen können.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.06.2009

Diese Lektüre ist dem Rezensenten nicht leicht gefallen. Dass die iranische Revolution die Hölle war, die Folter ihr Instrument und die Niedertracht ihre maßgebliche Räson, weiß Christian Thomas jetzt. Mahmud Doulatabadi drängt es dem Leser geradezu auf, teilt uns Thomas leicht überreizt mit. Die Rezensentennerven sind vor allem darum so ausgedünnt, weil der Autor, so berühmt er in seiner iranischen Heimat auch sein mag, dem selbstgestellten Thema ästhetisch eigentlich nicht gewachsen sei. Der wilde Mix aus auktorial gehaltenem politischen Disput und erlebter Rede, aus Reflexion und Emotion, aus dem Doulatabadi sein Familiendrama vor dem Hintergrund iranischer Geschichte entwickelt, überzeugt den Rezensenten nicht. Die Figuren bleiben holzschnittartige Träger politischer Überzeugungen, findet er. Die gewährten Einblicke in die iranische Kultur hält er zwar für aufschlussreich, literarisch ist das Buch für ihn jedoch von eher geringem Reiz.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 18.06.2009

Für Eberhard Falcke war dieser Roman des iranischen Schriftstellers Mahmud Doulatabadi eine "erschütternde Lektüre". Vor 25 Jahren hat Doulatabadi mit ihm begonnen und erst im vorigen Jahr nach mehrfachen Überarbeitungen fertiggestellt, berichtet Falcke über die Entstehung. Im Iran hängt der Roman noch bei der Zensurbehörde fest. Kein Wunder, möchte man fast sagen: Er erzählt die Geschichte des Irans als eine der "staatlich ausgeübten Grausamkeit", vom Streit ums Öl, über den Sturz Mossadeghs, das Regime des Schahs und den Terror der Geheimpolizei, bis zur Revolution und der Machtergreifung der Mullahs, dem Krieg gegen den Irak und die Unterdrückung der Gesellschaft. "Zu Trauer besteht immer Anlass. Jede Sorge bleibt hilflos. Bedrohung liegt über allem", beschreibt der Rezensent die Atmosphäre, die über dem Geschehen liegt: Ein ehemaliger Militär muss seine Tochter begraben, die vom Geheimdienst ermordet wurde, es ist das letzte seiner fünf Kinder, das er an die Revolution verloren hat. Der Colonel selbst, berichtet Falcke beklommen, sitzt ebenfalls im Gefängnis: In einem Wahn von Eifersucht hat er seine Frau getötet.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.06.2009

Rezensentin Sabine Berking würdigt Mahmud Doulatabadi als einen der bedeutendsten iranischen Schriftsteller der Gegenwart. Sein bereits 1983 begonnener Roman "Der Colonel", der bisher nicht im Iran erscheinen durfte, nun aber auf Deutsch vorliegt, hat sie tief beeindruckt. Sie sieht darin ein bitteres, dunkles Historiendrama von Shakespeare'schem Format. Die Handlung spielt in einer iranischen Provinzstadt 1980, die grausame Herrschaft des Schahs ist gerade zerfallen, eine neue ebenso grausame bricht an. Im Zentrum steht ein ehemaliger Offizier aus der Armee des Schahs, der seine Frau erstochen hat, im Gefängnis landet und später hilflos mit ansehen muss, wie in der Revolution seine fünf Kinder vernichtet werden. Sichtlich nah gegangen sind der Rezensentin Folterszenen, Verhöre und Bekenntnisse. Die Szenerie des Romans - Keller, Gefängniszellen, Leichenhäuser, Friedhöfe, Marktplätze, auf denen Menschen exekutiert werden - mutet sie "surreal", "kafkaesk" an. Ihr Fazit: ein "Werk von erschütternder Radikalität", das "kompromisslos modern und zugleich der reichen persischen Erzähltradition verpflichtet ist".
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.06.2009

Tief beeindruckt ist Angela Schader von Mahmud Doulatabadis Roman "Der Colonel", der die bedrückende Vergangenheit Irans vor Augen führt. Das Buch spielt hauptsächlich Anfang der 80er Jahre und erzählt von einem Colonol, der schon unter dem Schah seiner Offizierswürden beraubt wurde und nun ein Kind nach dem anderen verliert: durch Folter, die Geheimdienste oder als Märtyrer der Revolution. Für westliche Leser ohne besonderes Vorwissen der iranischen Geschichte sei der Roman zwar schwer zu lesen, sie empfehle aber dennoch, auf das erklärende Vorwort des Übersetzers erst später zurückzugreifen und sich ganz der alptraumhaften Atmosphäre zu überlassen, die ein eindrückliches "Panorama iranischer Seelenqual" entfalte, so die Rezensentin. Sie lässt noch wissen, dass das Originalmanuskript von der Zensur Teherans bislang nicht zum Druck freigegeben wurde und macht dafür die "vernichtende" Bilanz verantwortlich, die Doulatabadi aus der iranischen Geschichte zieht sowie die Tatsache, dass die beiden "wendigsten Opportunisten" im Roman die Namen "Allah" und "Rasul" tragen, wobei letzterer ein Beiname des Propheten Mohammeds ist.