Pat Barker

Niemandsland

Roman
Cover: Niemandsland
Carl Hanser Verlag, München 1997
ISBN 9783446189218
Gebunden, 324 Seiten, 20,40 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Juli 1917: Siegfried Sassoon, ein begabter junger Poet und Frontkämpfer, richtet an das englische Parlament einen Aufruf, den sinnlos gewordenen Krieg zu beenden. Doch statt ihn daraufhin vor das Kriegsgericht zu stellen, erklärt man Sassoon, um die Sache geheimzuhalten, für verrückt. In einem schottischen Krankenhaus trifft er auf Männer, die zum Teil noch schlimmer traumatisiert sind als er, die nicht fertig werden mit ihren furchtbaren Erlebnissen. Für dieses Buch erhielt Pat Barker 1995 den Booker-Preis.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 31.08.2000

Aus Anlass der Publikation des letzten Bandes der deutschen Übersetzung von Pat Barkers Roman-Trilogie über den Ersten Weltkrieg ("Niemandsland", "Das Auge in der Tür" und "Die Straße der Geister") würdigt Klaus Harprecht noch einmal das ungewöhnliche Unternehmen der britischen Autorin. Zum einen vergleicht er die in Britannien berühmten "war poets" Wilfried Owen und Siegfried Sassoon, ihren "bitteren, negativen Idealismus" - so die Autorin des Nachworts, Angela Schader - mit den Reaktionen deutscher Künstler auf das Erleben in den Schützengräben, nämlich deren "wild-verbales Gestikulieren". Er macht dann die "Fälle" jener beiden britischen Poeten, ihre Internierung in Nervenheilanstalten und freiwillige Rückkehr an die Front, als Hintergrund der Romane aus. Und schließlich fragt er sich, warum die britische Historikerin, die "mitten im Zweiten Weltkrieg geboren" wurde, sich so ausschließlich und intensiv mit dem "Großen Krieg", wie er in Britannien bis heute heißt, beschäftigt hat? Seine Antwort ist überzeugend: u.a. weil sein Erleben in Britannien überdeckt ist durch die flächendeckende Erinnerung durch Filme und Bücher an die "finest hour" im Sieg gegen Hitler. Und weil das Grauen der Vernichtungsmaschinerie, der der einfache Soldat ausgeliefert war, für die Völker der britischen Inseln im Ersten Weltkrieg stattfand. Insofern, so Harprecht, definiert ihn Groß Britannien als Vorbereitung "gleichsam hinter dem Rücken der europäischen Kulturgeschichte" auf "Auschwitz und Treblinka". Pat Barker lässt nun ihre Protagonisten Leutnant Billy Prior aus dem Proletariat des englischen Nordens und seinen feinsinnigen Nervenarzt Doktor Rivers die Konflikte und Tragödien dieses historischen Geflechtes ausagieren. Das Erleben im Schützengraben, so Harprecht, hat sie mit "erstaunlicher Wachheit?unter anderem auch in seinen "homoerotischen" Aspekten portraitiert, hat "unerschrocken" sexuelle Szenen zwischen den Männern geschildert, ebenso wie die verzweifelten Versuche des Arztes, durch Einfühlung in seine Patienten sie vom Nervenschock durch Trommelfeuer und Gasangriff zu heilen, - nur um sie wieder "frontfähig" schreiben zu müssen. Der "böse Spiegel", den sie dem vergangenen Jahrhundert vorhält, zeigt zudem ein Stück britischer Kolonialgeschichte: Doktor Rivers setzt das europäische Kriegsgeschehen in "merkwürdige Beziehung" zu seinen Erfahrungen als Antropologe und berichtet, wie die britischen Herrscher den in ihrem Machtbereich lebenden Kopfjägern "den permanenten Krieg verboten" haben. Ein großes Lob von Harprecht am Ende auch für den Hanser Verlag - und den Übersetzer Matthias Fienbork -, die dieses "bedeutende Werk" zugänglich gemacht haben.