Andreas Kossert

Kalte Heimat

Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945
Cover: Kalte Heimat
Siedler Verlag, München 2008
ISBN 9783886808618
Gebunden, 432 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Nach dem Zweiten Weltkrieg flohen mehr als 14 Millionen Menschen aus den deutschen Ostgebieten, der überwiegende Teil in die westlichen Besatzungszonen. Diejenigen, die Flucht und Vertreibung überlebt hatten, fühlten sich von ihren deutschen Landsleuten aber nicht aufgenommen, sondern ausgegrenzt. Während die einen schon alles verloren hatten, sahen sich die anderen nun dem gewaltigen Zustrom der »Fremden« ausgesetzt, der das soziale Gefüge Restdeutschlands auf den Kopf stellte. Vorurteile und der mit dem Lastenausgleich aufkommende Neid zogen einen tiefen Graben durch die deutsche Gesellschaft. Ohne die Vertriebenen, die mit Nichts begannen, hätte es jedoch ein "Wirtschaftswunder" nicht gegeben, sie waren ein wichtiger Motor der Modernisierung in der Bundesrepublik. So wurden sie zwar als Wähler heftig umworben und politisch von allen Seiten instrumentalisiert, zugleich aber mit ihren tiefen Traumatisierungen allein gelassen. Andreas Kossert hat die schwierige Ankunftsgeschichte der Vertriebenen umfassend erforscht und beleuchtet erstmals diesen blinden Fleck im Bewusstsein der deutschen Nachkriegsgeschichte. In seinem Buch beschreibt er eindrucksvoll die Erfahrungen derjenigen, die durch den Krieg entwurzelt wurden und immense Verluste erlitten haben, und fragt nach den materiellen und seelischen Folgen für die Vertriebenen und deren Nachkommen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.12.2008

Einige notwendige Korrekturen sieht die Rezensentin Claudia Schwartz vom Historiker Andreas Kossert vorgenommen, der in seiner Studie "Kalte Heimat" am Bild von der gelungenen Integration der Vertriebenen in die deutsche Nachkriegsgesellschaft kratzt. Denn nach ihrer von Schikanen und Volkszorn begleiteten Umsiedlung aus den polnisch und tschechisch gewordenen Gebieten erlebten die meisten Vertriebenen in der neuen Heimat "Ausgrenzung, Ablehnung und sozialen Abstieg", mithin eine Kälte, die sich nicht nur durch die Not der Nachkriegszeit erklärt. Auch Kosserts Schilderung von der Radikalisierung der Vertriebenendebatte nach Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze - einerseits durch die immer ungehemmter deutschtümelnden Verbände, andererseits durch ihre pauschale Abkanzelung als revanchistisch -, hat die Rezensentin mit Gewinn gelesen. Zu weit geht ihr allerdings, wenn Kossert beklagt, dass sich die Achtundsechziger zuvörderst mit dem Holocaust und nicht mit der Vertreibung beschäftigt hätten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.08.2008

Vor dem Vorwurf des Revisionismus möchte Karl-Peter Schwarz das Buch gern präemptiv in Schutz nehmen. Wenig relevant findet er auch den möglichen Einwand, das Buch von Andreas Kossert lasse Wichtiges aus, über- oder unterbewerte. Bei derart breit angelegten Studien, meint er, sei das nicht zu vermeiden. Viel wichtiger, weil außergewöhnlich, erscheint Schwarz die "Perspektive der Vertriebenen", die der Autor einnimmt und mit deren Hilfe er beschreibt, in welchem Maß Flucht und Vertreibung die deutsche Nachkriegsgesellschaft geprägt haben. Welche Dramatik die Umsiedelung mit sich brachte, wie die ländlichen Sozialstrukturen dadurch gesprengt wurden, wie Vertriebenenverbände, Parteien und Kirchen sich verhielten und wie die Vertreibung schließlich im kollektiven Gedächtnis sowie auch in der Kunst behandelt wurde, das alles erfährt der Rezensent in diesem "wichtigen" Buch.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.06.2008

Mir hohem Lob bedenkt Cord Aschenbrenner diese Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, die Andreas Kossert vorgelegt hat. Das Buch bietet seiner Ansicht nach einen sehr erhellenden Blick auf die Nachkriegsgeschichte und -politik in Deutschland. Deutlich wird für ihn, welch eine enorme Herausforderung die 14 Millionen Flüchtlinge, die in die vier Besatzungszonen kamen, darstellten. Er bescheinigt Kossert zugleich, überzeugend die lange gültige Lesart der angeblichen "Erfolgsgeschichte" der Integration in Frage zu stellen. An einer Fülle von Beispielen führe der Autor die großen Anpassungsschwierigkeiten der Vertriebenen vor Augen, ihre Ausgrenzung, ihre Diskriminierung, die Verständnislosigkeit und Feindseligkeit ihnen gegenüber. Aschenbrenner würdigt insbesondere Kosserts einfühlsame und "unideologische" Darstellung sowie sein Bestreben, den "Vertriebenen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.05.2008

Andreas Kosserts Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945 hat bei Harry Nutt großen Eindruck hinterlassen. Er sieht diese "umfassende Darstellung der Eingliederungsgeschichte nach 1945" durchaus im Widerspruch zur Tendenz der jüngeren Geschichtsschreibung, die Integration der deutschen Vertriebenen als großartige bundesrepublikanische Erfolgsgeschichte darzustellen. Kosserts "Kalte Heimat" scheint ihm dagegen in vielerlei Hinsicht eine "soziologische Schauergeschichte", die die Mühen der angebliche Erfolgsgeschichte sichtbar macht und diese als harten Kampf um Teilhabe und Ausgrenzung beschreibt. Nutt hebt hervor, dass sich Kossert zwar auf den schwierigen Eingliederungsprozess der Deutschen in Deutschland konzentriert, die Vorgeschichtge aber keineswegs ausspart. Er attestiert dem Autor, den historischen Überblick überzeugend mit "alltagsorientierten Naheinstellungen" zu verbinden. Mit hohem Lob bedenkt er den "souveränen Ton" des Autors, dem es in seinen Augen gelungen ist, ein schwieriges Kapitel deutscher Geschichte neu zu erzählen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 29.05.2008

"Wichtig, ja wegweisend" findet Rezensent Volker Ullrich diese Studie des am Deutschen Historischen Institut in Warschau tätigen Historikers. Seinen Informationen zufolge zeichnet er darin ein sehr konträres Bild zur bis heute gängigen Überzeugung, die Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten seien problemlos in die Bundesrepublik Deutschland integriert worden. Einfühlsam und verständnisvoll beschreibe Andreas Kossert Ausgrenzung und Diskriminierung der Flüchtlinge, sowie Nazi-Restrassismus und Ressentiments gegen Menschen aus osteuropäischen Gebieten. Auch den großen Anteil der Vertriebenen am Wirtschaftswunder, den Prozess der wirtschaftlichen und kulturellen Integration, sowie die Position der Flüchtlinge zur SDP-Ostpolitik der siebziger Jahre findet Ullrich interessant und erhellend dargestellt. In Dissenz zum Autor befindet sich der Rezensent jedoch, was dessen Thesen zur Tabuisierung der Flüchtlings- und Vertreibungsthematik betrifft. Sogar ärgerlich schließlich findet er Kosserts Vorwurf an die Generation von '68, das Schicksal der Vertriebenen zu Gunsten des Holocaust hintan gestellt zu haben. Dennoch erhält die Debatte über Flucht und Vertreibung durch dieses Buch aus Sicht des Rezensenten eine begrüßenswerte neue Wendung.