Tom Wolfe

Ich bin Charlotte Simmons

Roman
Cover: Ich bin Charlotte Simmons
Karl Blessing Verlag, München 2005
ISBN 9783896672728
Gebunden, 800 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Walter Ahlers. Charlotte schließt die Highschool in ihrem Dorf in den Blue Ridge Mountains als Beste ab und erhält ein Stipendium für die Dupont University in Pennsylvania. Das hoch begabte Mädchen freut sich darauf, an dieser bedeutendsten Universität des Landes endlich in den "Olymp des Wissens" aufgenommen zu werden. Doch kaum hat sie voller Idealismus ihr Studium begonnen, findet sie sich in einer Umgebung wieder, in der Saufgelage und sexuelle Ausschweifungen an der Tagesordnung stehen...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.01.2006

Für Thomas Leuchtenmüller steht der Roman des 1931 geborenen Amerikaners Tom Wolfe in einer Reihe mit den besten "campus novels" seines Landes. Als eine "funkelnde Satire" sei das Werk angelegt und schildere die Nöte der hochbegabten und hübschen, aus einem konservativem Elternhaus kommenden Provinzlerin Charlotte Simmons, die sich an einer Ivy-League-Universität der Ostküste mit den Intrigen und Machenschaften ihrer Kommilitonen auseinander setzen muss. Dabei liege Wolfes Stärke in der anschaulichen Darstellung verschiedener Lebensstile. Vom Sporthelden bis zum vergeistigten Akademikernachwuchs lege der Autor "kompakte Porträts extremer Charaktere vor", die sich durch ihre Klischeelosigkeit und pointierten Dialoge auszeichnen. Zwar erliege Wolfe hier und da der schematischen Verkürzung aktueller Themen, wie dem "Verhältnis zwischen den Rassen" oder der "Darwin-Debatte". Trotzdem werde der Roman dank seiner Hauptfigur Bestand haben, da ist sich der Rezensent sicher.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.11.2005

Tom Wolfe hat keinen Humor und er ist auch "kein Genie", stellt Helge Timmerberg klar, aber er sei "erstklassig und superfleißig". Der Fleiß bekommt seinen Büchern gut, der ehemalige Journalist Wolfe recherchiert gründlich. Die Leser erfahren aus Wolfes Romanen alles über den American way of life - aber nichts, was man nicht schon vorher gewusst hätte, stöhnt Timmerberg, aber nun weiß er es noch besser. In diesem Fall sind es die Studierenden einer amerikanischen Eliteuniversität, ihre Codes, ihre Sprache, ihr Konsumverhalten, die Wolfe ausgekundschaftet hat. Wolfe besitze die distanzierte Herangehensweise des Journalisten, bemerkt Timmerberg, "er lässt sich nicht berühren und berührt deshalb auch nicht". Kalt, aber nicht cool, glaubt er. Wirklich gut werde Wolfe nämlich dort, wo Wolfe in die Innenwelt seiner Protagonistin eintauche, eines Provinzmädels, das an der Eliteuniversität einen Anpassungsprozess durchläuft, der von Depressionen begleitet wird. Und die seien richtig finster, findet Timmerberg, und ungemein eindringlich beschrieben. Insofern wünscht er sich, dass Wolf endlich Wichtigeres als Moden und Magersüchtige beschreiben möge.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.10.2005

Robin Detje findet, dass dieser Universitätsroman seinem Autor Tom Wolfe "so genau" passt wie seine legendären cremefarbenen Anzüge. Detje kann gar nicht genug knallige Attribute auffahren, um diesem "in jeder Hinsicht grandiosen" Buch eine angemessene Beschreibung angedeihen zu lassen, wobei es nicht ungetrübte Begeisterung ist, was den Rezensenten bewegt. Denn diese Geschichte, in der es "im Wesentlichen" um die "Entjungferung" einer vom Lande stammenden "Musterschülerin" geht, die sich an der amerikanischen Elite-Hochschule gleich mit drei Mitstudenten näher einlässt, ist vor allem als "ungeheuer abstruse Schicksalskolportage" erzählt, so der Rezensent. Wolfe hat sein "knallbuntes Melodram" mit jeder Menge "Klischees" und "bösen Stereotypen" versetzt, wobei sein kritischer Blick auf den "Kulturfaktor Lüsternheit" selbst "recht lüstern" und das "onkelhafte Entsetzen" des Autors am Einbruch des "Sexus" in die Geisteswelt der Hochschule reichlich "naiv" wirkt, wie Detje findet. In seinem Element ist der Autor nach Detjes Meinung dann, wenn er schreibend seitenlang die "Erniedrigung" eines Basketballspielers oder mit "bürokratischer Genauigkeit" die Einzelhandlungen, die zur Entjungferung der Heldin führen, schildert. Der Roman sei eine "völlig weltfremde, mürbe Donquichotterie", doch gerade "deshalb unleugbar groß und von großer und trauriger Überflüssigkeit", so der Rezensent ambivalent.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.10.2005

Na ja, "Ich bin Charlotte Simmons" fehlt es zwar an der "Schärfe und Stringenz", die Ulrike Meitzner bei "Fegefeuer der Eitelkeiten" so bewundert hat. Dafür kann die Entwicklung der jungen Protagonistin durchaus faszinieren, versichert Meitzner. "Deren Jugend federt auch einige Desaster ab." Das unschuldige Provinzgewächs Charlotte wird in die promiske Welt einer Eliteuniversität verpflanzt. Die Dupont University ist ein "Mikrokosmos der Eitelkeiten", in dem es beinahe rund um die Uhr um das andere Geschlecht geht. Wolfe habe hier einen "neurobiologischen Großversuch" inszeniert, erklärt die Rezensentin. Seine These, dass die Umgebung das Bewusstsein bestimmt, illustriert er ausführlich und in gewohnter Detailtiefe. Von Bierbädern auf Parkplätzen bis hin zu "nuttig angezogenen" Mädchen auf den Feiern der studentischen Verbindungen, bei seiner Recherche hat Wolfe wirklich nichts ausgelassen, wie Meitzner versichert.