Gila Lustiger

So sind wir

Roman
Cover: So sind wir
Berlin Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783827005571
Gebunden, 260 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Im Mittelpunkt des neuen Romans von Gila Lustiger steht die Familiengeschichte der Autorin. Inspiriert von Fotos und Gegenständen - einem Briefbeschwerer, Zeitungen oder einer Puppe - , erinnert sich die Ich-Erzählerin an die Eltern, Großeltern und näheren Verwandten und deren Geheimnisse. Was diese Menschen verbindet, ist ihre Abstammung. Sie sind mitteleuropäische Juden und daher Verlierer der Geschichte. Sie sind Schweiger, die über ein brillantes Gedächtnis verfügen, aber auch über die souveräne Möglichkeit, keinen Gebrauch davon zu machen. So wird dieser Roman auch zu einem Roman der Suche.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.06.2005

Voll des Lobes ist die Rezensentin Anne Kraume angesichts dieses eher ungewöhnlichen und "fesselnden" Familienromans. Ungewöhnlich, erklärt sie, ist er deshalb, weil er nicht "ausufernd" erzählt und die Gegenwart nur dann ins Spiel kommt, wenn sie die Vergangenheit, um die es eigentlich geht, beleuchten kann. Und die Vergangenheit, der es zu begegnen gelte, sei Gila Lustigers eigene, in der Person ihres Vaters, Arno Lustiger, der als polnischer Jude ins KZ kam und dem die Flucht aus einem Todesmarsch gelang. An kleinen Gegenständen der Erinnerung nimmt Lustiger Kontakt mit der Vergangenheit auf, und diese Gegenstände geben laut Rezensentin den "Rhythmus des Erzählens und des Erzählten" vor. Sehr gefallen hat der Rezensentin, wie sich Lustiger auf "das Spiel mit der Fiktion" einlässt. Wo Leerstellen in der Erinnerung auftreten oder die Erzählung zu intim zu werden droht, greife Lustiger zur Erfindung, jedoch "gewissenhaft", wie sie es auch selbst beschreibe. Nach und nach entwickle sich ein eindrückliches Bild des Vaters, ein "bewegliches Standbild" des immer raschelnden, weil frenetisch zeitungslesenden Vaters, der sich geschworen habe, sich nie mehr "von der Welt überrumpeln zu lassen".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.04.2005

Rezensentin Beatrix Langner widerspricht dem Schriftsteller Aharon Appelfeld, der vor kurzem in "Le Monde diplomatique" die These verteidigt hatte, nur Überlebende des Holocaust selbst könnten über den Genozid in fiktionalisierter Weise schreiben. Das kommt einem Sprach- und Bilderverbot für die Kinder jener Überlebenden gleich, entgegnet Langner. Auch die Autorin von "So sind wir" sei mit diesem Problem konfrontiert. Gila Lustiger ist die Tochter des jüdischen Historikers Arno Lustiger. Sie geht das Bilderverbot mit der nötigen Forschheit und "Frivolität" an, verstrickt sich dabei aber gelegentlich in innerjüdische Diskurse, was Langner durchaus verzeihlich findet. Viel mehr zählt für die Rezensentin, dass Lustiger in einer Mischung aus "Selbstironie, Sprachwitz und diskursiver Geschichtsdarstellung" ein Stück modernen jüdischen Alltags zu schildern wagt, "ohne sich aus der Geschichte davonzustehlen". Erst als Erwachsene erfährt nämlich die Tochter, dass ihr Vater selbst nach Auschwitz deportiert worden war. In einem eigens abgesetzten Teil des Romans rekapituliert die entsetzte Tochter (entsetzt vor allem, dass sie es nicht früher und von ihrem Vater selbst erfahren hat) seine Überlebensgeschichte, wobei sie "das Unvorstellbare dekontextualisiert", wie Langner schreibt. Eine erfolgreiche Technik, die Distanz bleibe gewahrt. Leider habe Gila Lustiger auf die Frage nach dem Wesen der Juden am Ende leider nur "eine Handvoll Klischees aus der folkloristischen Mottenkiste" zu bieten.
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