Pierre Bourdieu

Die männliche Herrschaft

Cover: Die männliche Herrschaft
Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005
ISBN 9783518584354
Gebunden, 210 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Jürgen Bolder. Männliche Herrschaft ist das Paradigma - und oft das Modell und der Gegenstand - aller Herrschaft. Da sie hinreichend abgesichert ist, bedarf sie keiner Rechtfertigung. Die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern scheint nämlich in der "Natur der Dinge" zu liegen: Sie hat sich in der sozialen Welt niedergeschlagen und ist in den Einstellungen aller, dem Habitus, präsent: als ein universelles Prinzip des Sehens und Einteilens, ein System von Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungskategorien. Dies erklärt, warum eine solche Macht akzeptiert wird: Die Zustimmung zu ihr beruht nicht auf einer freiwilligen Entscheidung, sondern auf der unmittelbaren Unterwerfung der sozialisierten Frauen. Wie die Frauen einer Sozialisierung unterworfen werden, die auf ihre Herabsetzung zielt, sind auch die Männer Gefangene der herrschenden Vorstellungen, obwohl sie perfekt ihren Interessen entsprechen. Für Bourdieu bedarf es daher einer symbolischen Revolution, einer radikalen Umgestaltung jener gesellschaftlichen Verhältnisse, die die beherrschten Frauen dazu bringt, den herrschenden Männern und sich selbst gegenüber einen Standpunkt einzunehmen, der mit dem der Herrschenden identisch ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.05.2005

Pierre Bourdieu vertritt in seinem Buch über die Dominanz männlicher Herrschaft die These, dass diese unabhängig von historischen und sozialen Veränderungen trotz nachweislicher Verbesserungen für die Frauen "stabil" geblieben ist, erklärt Sonja Asal. Der Autor greift für seine Studie auf die bei den Berbern in der Kabylei herrschenden Machtstrukturen zurück, die er in den 60er Jahren untersucht hat, und gibt diesem methodischen Ansatz so etwas wie den "Status einer erkenntniskritischen Vorrede", so Asal weiter. Das Buch hat, als es 1998 im französischen Original erschien, nicht nur beeindruckende Verkaufszahlen eingebracht, sondern auch eine Debatte um die Person Bourdieus losgetreten, weiß die Rezensentin. Dabei wurde dem Autor von der Historikerin Jeannine Verdes-Leroux vorgeworfen, dass er nur deshalb mit "militanten politischen Aktionen" auf sich aufmerksam machen würde, weil er mit seinen wissenschaftlichen Theorien in eine "Sackgasse geraten" sei. Asal findet es ungerecht, den "engagierten Intellektuellen gegen den Wissenschaftler auszuspielen". Trotzdem tritt sie dem an Bourdieu gerichteten Vorwurf vehement entgegen, seine Thesen seien konservativ und allzu deterministisch ausgerichtet. Allerdings kann Asal nicht umhin festzustellen, dass man bei allem Zuwachs an "theoretischem Instrumentarium", dennoch "wieder zurück bei den alten Fragen" ist, die schon Simone de Beauvoir umgetrieben haben.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.05.2005

Ute Frevert würdigt Pierre Bordieu als "soziologischen Großmeister" und unterzieht seine Studie über "männliche Herrschaft" zunächst einer erwartungsvollen, wohlmeinenden Lektüre, bevor sie ihrer Enttäuschung Ausdruck verleiht. Ausgehend von ethnologischen Beobachtungen nordafrikanischer Völker, in die er Verweise auf moderne okzidentale Gesellschaften einstreue, wolle Bordieu die "Konstanz und Permanenz männlicher Herrschaft über die Jahrhunderte hinweg ... als konstruiert und strategisch hergestellt" beschreiben, wie Frevert zusammenfasst. Die Rezensentin stört sich allerdings daran, dass Bordieu den feministischen Diskurs ausblende und ein "Zerrbild historischer Geschlechterforschung" erzeuge. Und ohne sein investigatorisches und deskriptives Verdienst herabwürdigen zu wollen, fragt sie sich, "welche Botschaft Bordieu als politisch engagierter Intellektueller eigentlich verkünden wollte". Das Buch suggeriere über weite Strecken die Ausweglosigkeit aus der Determiniertheit der Verhältnisse, deren Opfer letztendlich alle seien, Männer wie Frauen - aber dass dieses Opferdasein "sozial, zeitlich und räumlich sehr unterschiedlich" aussehe und möglicherweise beeinflussbar sein könnte, werde zugunsten der "Konstanz der Struktur" ausgeblendet. Es fehle die "Option des Entrinnens", womit sich die Rezensentin nicht abzufinden gedenkt.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.05.2005

Ach, wie fleißig haben Frauen über die Herrschaft der Männer geschrieben, wie wenig hat es die Herren interessiert, seufzt Susanne Mayer. Dass mit Pierre Bourdieu sich nun endlich einmal ein Mann des Themas angenommen hat, freut sie erst einmal, auch wenn sie skeptisch bleibt, ob er wirklich die "Spirale der Erkenntnis" höher treiben kann. Ja doch, er kann, versichert Mayer. Was ihn interessiere, sei, wie sich die männliche Herrschaft scheinbar so mühelos reproduziert. Er legt die Mechanismen dieser Machtmaschine offen: "Die soziale Ordnung funktioniert wie eine gigantische symbolische Maschine zur Ratifizierung der männlichen Herrschaft, auf der sie gründet", zitiert Mayer Bourdieu. Sehr luzide findet die Rezensentin, wie Bourdieu anschließend beschreibe, wie jeder Einbruch von Frauen in eine Männerdomäne als grundsätzlicher Angriff auf die Männlichkeit empfunden wird, köstlich gar seine Interpretation von Virgina Woolfes "Fahrt zum Leuchtturm". Auch die Komplizenschaft der Frauen, ihr vorauseilender Gehorsam, werden von Bourdieu unter die Lupe genommen, nimmt die Rezensentin anerkennend zur Kenntnis, die nur nicht Bourdieus Glauben an die heilende Kraft der Liebe teilen mag.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2005

Pierre Bourdieu stellt in seinem Buch "Die männliche Herrschaft" die Frage, warum männliche Herrschaft über Frauen mit einer solchen Konstanz die "Jahrhunderte überdauert" und warum in verschiedenen Kulturen vergleichbare Herrschaftsformen zu finden sind, stellt Ulrike Brunotte fest. Dabei zeige der 2002 verstorbene französische Soziologe besonderes Interesse für die "magischen und rituellen" Methoden, mit denen erreicht wird, dass die weiblichen "Beherrschten" diese Herrschaft annehmen und sogar unterstützen. Auch wenn man Bourdieu vorgeworfen hat, er arbeite "unhistorisch", auch wenn er die Erkenntnisse, die er bei den Berbern der Kabylei gewonnen hat, auf moderne, europäische Gesellschaften übertrage, findet die Rezensentin dennoch die Darstellung der unzähligen Rituale, Verhaltensmuster und Strukturen, an denen das Prinzip der männlichen Dominanz ablesbar ist, "bestechend". Am "luzidesten" aber scheinen ihr die Ausführungen des Autors, wenn er die "symbolische Gewalt" analysiert, mit der "jenseits von physischer Gewalt" Herrschaftsmuster durchgesetzt werden, die von den Frauen unbewusst verinnerlicht werden. Das Buch ist nicht leicht zu lesen und zudem "stilistisch nicht allzu elegant", räumt Brunotte ein. Dennoch ist sie sehr angetan und betont, es sei zu "begrüßen", zu "empfehlen" und schließlich "notwendig", weil es auch das "Unbehagen an der Geschlechterrolle" der Männer deutlich mache.