Dirk Schümer

Das Gesicht Europas

Ein Kontinent wächst zusammen
Cover: Das Gesicht Europas
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2000
ISBN 9783455113402
Gebunden, 256 Seiten, 18,41 EUR

Klappentext

Europa, das ist für viele ein leerer Begriff. Und doch zwingen die aktuellen politischen Debatten - um den Krieg auf dem Balkan, um BMW/Rover oder um die neue österreichische Regierung - dazu, sich Europa als Einheit vorzustellen, als eine Einheit der Unterschiede, kulturell wie politisch. Dirk Schümer versucht das neue Gesicht Europas auf ungewohnte Weise zu beschreiben. Er besucht die Städte und Regionen, die Europa prägen und von denen aus die maßgeblichen Entscheidungen getroffen werden. So geht es, beispielsweise, um Straßburg, wo einst eine Art europäischer Utopie erwuchs und heute der Europarat residiert. Oder um Den Haag, den Sitz von Europol. Um Frankfurt, wo sich der Reichtum Europas trostlos spiegelt. Um den profitablen Ministaat Luxemburg, um Berlin, die alte-neue Hauptstadt, um die Osterweiterung der Europäischen Union. Die Besichtigungen der Metropolen führt auch in die Region Aachen/Lüttich/Maastricht, wo sich der grenzüberschreitende europäische Alltag am besten beschreiben lässt. Der geographische Rundgang macht die politische Analyse verständlich.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.08.2001

Das Buch ist weniger ein politischer Traktat als ein Reisebericht in 17 Stationen, in dem Dirk Schümer "beschreibend und analytisch", wie der Rezensent Jürgen Kahl vermerkt, die aktuelle Situation untersucht. Das Buch gefällt Kahl richtig gut, er lobt Schümer als "sensiblen wie engagierten Beobachter" und schätzt seinen lesbaren Stil. Zu eindeutigen Resultaten kommt das Buch offenkundig nicht: Es beginnt auf dem Balkan, genauer in Sarajewo, beobachtet dann aber auch "gelungene Brückenschläge" und wirtschaftliche Erfolge in der Europäischen Union wie in Irland oder Spanien. Schümer mache aufmerksam auf neue Tendenzen zum Unsolidarischen in "regionalen Allianzen" und finde wenig gute Worte für die Brüsseler Bürokratie.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.01.2001

Carsten Schymik scheint ein wenig überrascht, dass ein Buch über Europa auch mitreißen kann. So berichtet er mit einer Mischung aus Erstaunen und Begeisterung von Schümers Reise durch Europa, die in Sarajewo und mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs startet und von da aus durch zahlreiche Orte führt, die für die Entwicklung Europas bedeutsam waren und sind. Dass der Autor dies ohne eine vom Rezensenten offenbar befürchtete Langatmigkeit gelingt und eine "erdnahe und tabulose" Darstellung präsentiert, gehört für Schymik zu den ausgemachten Stärken des Buchs. Etwas verwirrend scheint der Rezensent jedoch zu finden, dass Schümer nach zahlreichen harten Urteilen zur EU (die er - wie Schymik ausdrücklich betont- ohne "platte Vorurteile" äußert), am Ende recht überraschend dann doch ein "Hohelied auf die Einheit durch Vielfalt" in der EU anstimmt. Insgesamt tut dies jedoch der Qualität dieses "hintergründigen und stilistisch glänzenden Beitrags" keinen Abbruch, so der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.12.2000

Einleitend sendet Klaus Harprecht ein großes Lob an seinen Kollegen von der FAZ und Autor des vorliegenden Buchs, der - wie der Rezensent betont - die große Fähigkeit besitzt, das "Wesentliche" im "Beiläufigen" zu erkennen und komplexe Themen farbig und spannend zu behandeln. Doch klingt dies fast wie eine Entschuldigung für den nachfolgenden Verriss. Denn Harprecht listet anschließend etliche Aspekte auf, bei denen er anderer Meinung als Schümer ist. So etwa bei dessen Behauptung, Europa sei `ein einziges Schlachtfeld von Ressentiments ohne Ansatz für ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl`. Auch die Katastrophe von 1914 als Ursprung für die "Notwendigkeit der europäischen Vereinigung" wird von Schümer nach Ansicht des Rezensenten nicht ausreichend erkannt. Gänzlich unverständlich findet Haprecht gar, dass Schümer sich Kurt Schumachers "blamablem Verdikt über den Schuman-Plan als ein Konglomerat der Länder des vierfachen `k`: `konservativ, klerikal, kapitalistisch, kartellistisch`" anschließt - eine Auffassung, die nach Harprecht spätestens seit Willy Brandt als überholt gelten darf. Schümers Überlegungen zu einer Reform der Europäischen Union findet der Rezensent schließlich "anregend, kühn, oft vernünftig, manchmal jenseits des Nachvollziehbaren".