Feridun Zaimoglu

Zwölf Gramm Glück

Erzählungen
Cover: Zwölf Gramm Glück
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2004
ISBN 9783462033625
Gebunden, 236 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Das Herz klopft, wenn die Liebe springt - zwölf große Geschichten vom kleinen Quentchen Glück. Feridun Zaimoglu schickt einsame Glücksritter ins Feld - sei es im sanierten Kiez deutscher Großstädte, in den Hinterhöfen touristischer Badeorte oder in archaischen Dörfern. Auf dem Basar der Geschlechter wird hart gehandelt: Rachelüsterne Ehemänner und bigotte Ex-Freundinnen, romantische Schurken, Lustagenten und unkäufliche Verkäuferinnen verstricken sich in den Tauschgeschäften der Liebe. In der beim Bachmann-Wettbewerb preisgekrönten Erzählung "Häute" kollidiert die Sehnsucht nach dem Einfachen und Ursprünglichen mit den kruden Gesetzen kapitalisierter Bedürfnisbefriedigung. Die gebrochenen Helden leben in der modernen westlichen Wirklichkeit und wollen ihr um jeden Preis entkommen. Aber der Weg zurück in die Welt aus Altväterglauben, Ritualen und Reliquien bleibt verschlossen.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.08.2004

Wolfgang Schneider spart zunächst nicht mit Lob für Feridun Zaimoglu: Ein "literarischer Erotiker" sei er, vor allen aber ein Sprachkünstler, wie er in der deutschen Gegenwartsliteratur sehr selten ist. "Von der Kraftmeierei der früheren Werke ist ein kraftvoller Duktus geblieben. Nie sind Zaimoglus Sätze unanschaulich, er geht so dicht wie nur möglich an die Phänomene heran und bemächtigt sich ihrer mit allen Sinnen." Davon könne man sich in jeder dieser Erzählungen überzeugen, aber auch, so Schneider bedauernd, von einer bemerkenswerten Schwäche in der Gestaltung der Story. Oft wirke die Handlung übereilt ausgedacht und schlecht entworfen - "kurz: Der Sprach- und Beschreibungskunst Zaimoglus entspricht nicht ganz seine konzeptionelle Potenz." Eine Geschichte, fährt der Rezensent fort, "ist eben mehr als eine Folge gut geschriebener Sätze". Und im zweiten Teil der Sammlung, wo sich die Erzählungen den Männern und Frauen hierzulande ab- und dem "phantasmagorischen Osten" zuwenden, hat Schneider auch noch den unangenehmen Eindruck gewonnen, "es handele sich dabei um den neuesten Gotteskrieger-Exotismus". Zaimoglu zeige den Fundamentalismus nicht als modernes Phänomen, sondern als Ergebnis vormodernen dörflichen Stumpfsinns, beispielsweise auch in "Häute", der Geschichte, die im 2003 in Klagenfurt den Preis der Jury einbrachte. Fazit: eine "zwiespältige Lektüre".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.06.2004

Rolf-Bernhard Essig ist offensichtlich ein echter Fan von Feridun Zaimoglus Prosa - und mit diesem neuen Buch ist der Autor nach Essigs Meinung auf dem Höhepunkt seines bisherigen Schaffens, seiner "kompositorischen und sprachlichen Kunst" angekommen. Die Kontinuitäten zu früheren Arbeiten sind erkennbar, dennoch hat sich der Autor weiterentwickelt. Es ist "nichts zur Masche geworden." Sieben der insgesamt 12 Kurzgeschichten spielen in Deutschland, die restlichen fünf in der Türkei. Doch bei allen Protagonisten spielen beide Länder in ihrer Sozialisation eine Rolle, weswegen auch die Trennlinie zwischen den Kulturen nicht so scharf ist, wie sie gerne konstruiert wird. Besonders ins Schwärmen gerät Essig über Zaimoglus Sprache. Die besitzt einen "unwiderstehlichen Drive. Ihr Fluss stürzt mal lakonisch über Kurzsatz-Kaskaden, fließt dann in ruhigem Strom religiöser Preis-Prosa dahin, um plötzlich in rätselhaft vielgestaltigen Dialogen zu münden".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 25.03.2004

Mit einem "Bildhauer", der aus dem "Rohstoff" der deutschen Sprache bisweilen völlig "ungesehene Bilder meißelt", vergleicht Daniel Bax den Autor Feridun Zaimoglu. In seinem neuen Erzählband, in dem sich Zaimoglu auf die Suche nach dem Glück macht, vereine er Frauenanbeter und Gotteskrieger, Bekehrte und "Schmalspur-Bohemiens". Schade nur, dass die Szenarien, die stets "Diesseitszweifel und Sehnsucht nach Transzendenz" beschreiben, dadurch zuweilen "wie aus der Zeit gefallen" scheinen, bedauert der Rezensent. Auch das "betont altmodische" Vokabular, auf das Zaimoglu gerne zurückgreife, lasse die Texte manchmal zu "überladen" wirken. Doch glücklicher Weise gelingt es Zaimoglu dennoch, das Auge des Lesers hinter den "barocken Stil" auf ein "wichtiges Stück" deutscher Gegenwart zu lenken, schreibt Bax.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 25.03.2004

Die Show ist vorbei, sagt Hubert Winkels über Feridun Zaimoglu, der seine Stimmenkolportagen, seine Kanak-Sprak, sein deutsch-türkisches Kunstidiom in fünf Büchern hinreichend ausgeschöpft habe. "Crosskulturelle Kraftmeierei" nennt Winkels diese Selbstdarstellerpose, die er zwar sympathisch fand, die nun aber ausgedient habe. Dafür sei Zaimoglu auch ein viel zu kluger Kopf, um dies nicht zu erkennen. Nun liegt Winkels der erste Band mit "richtigen" Erzählungen des Autors vor, die er zwar nicht alle gleich gelungen findet, doch gelten lassen möchte: den "Höhenkamm der Literatur touchiert", lautet des Kritikers leicht anmaßendes Urteil. Großartig findet Winkels gleich die erste Erzählung des Bandes "Fünf klopfende Herzen, wenn die Liebe springt", auf Dauer aber, meint er, lasse sich ein etwas schematisches Konzept hinter den 12 Erzählungen um Glück und Liebe erkennen, das schon an den Schauplätzen abzulesen sei. Die Geschichten beginnen stets in einer deutschen Großstadt, verengen sich dann auf den kulturellen Konflikt, führt Winkels aus, wechseln vom Dialogischen und Szenischen ins eher Essayistische; verstärkt werde dieses Schema von den zwei großen Überschriften "Diesseits" und "Jenseits", die im zweiten Teil des Erzählungsbandes ein imaginiertes und archetypisch besetztes Anatolien einführten. Die parabelhafte Anlage des Bandes wird zunehmend elliptischer, kritisiert Winkels, und zerfasere dabei "in schrillen Tonlagen".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2004

Ob es nun zwölf Gramm sind oder nicht, Glück hat die Rezensentin Kristina Maidt-Zinke bei Feridun Zaimoglu auf jeden Fall gefunden. Denn in seinen zwölf Erzählungen präsentiere sich der Verfechter der "Kanak Sprak" in einem sprachlich neuen Licht. Hier sieht die Rezensentin keine "furiose" Fremdheit mehr, sondern eine "selbstverständliche" Art, in der deutschen Sprache ganz "zuhause" zu sein, die trotzdem eine "irritierende Fremdheit" ausstrahle, eine große "vibrierende" und schnörkellose "Kraft", die die Rezensentin gerne "alttestamentarisch" nennen würde, hätte man das nicht schon vorher von Zaimoglu gesagt. Seine Figuren sende er als "Glückssucher" aus, die einen "diesseits" (in Deutschland), die anderen "jenseits" (im Orient). Doch beide Welten, die eine in ihrer Dschungelhaftigkeit, die andere in ihrer seltsam "kargen" Verdorbenheit, erscheinen eher "grau" und "trostfern". Wo ist also das verheißene Glück, fragt die Rezensentin. Es ist in kleinen Augenblicken, nach einem Regenguss hier, im Gesang einer Nachtigall da. Und dann, so die Rezensentin, wird Zaimoglu zum "Dichter"; einer, der seiner poetischen Vollendung entgegengeht.
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