Karsten Krieger (Hg.)

Der 'Berliner Antisemitismusstreit' 1879-1881

Eine Kontroverse um die Zugehörigkeit der deutschen Juden zur Nation. Zwei Bände
Cover: Der 'Berliner Antisemitismusstreit' 1879-1881
K. G. Saur Verlag, München 2003
ISBN 9783598116223
Gebunden, 903 Seiten, 258,00 EUR

Klappentext

Kommentierte Quellenedition. Im Auftrag des Zentrums für Antisemitismus bearbeitet von Karsten Krieger. Der "Berliner Antisemitismusstreit", ursprünglich ein Gelehrtenstreit zwischen Heinrich von Treitschke und Theodor Mommsen in den Jahren 1879 bis 1881, polarisierte die wilhelminische Gesellschaft und hatte Auswirkungen bis in die nationalsozialistische Propaganda im 20. Jahrhundert. Die umfassende Quellenedition zum Berliner Antisemitismusstreit verzeichnet alle wichtigen veröffentlichten und unveröffentlichten Texte in chronologischer Reihenfolge, dokumentiert den Verlauf der Auseinandersetzung zwischen Treitschke und Mommsen und wirft ein neues Licht auf die Diskussion des Themas unter ihren Zeitgenossen. Ein biographisches Personenregister schließt die Bände ab.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 26.04.2004

Thomas Henne hebt zunächst die besondere Bedeutung hervor, die dem in diesem Band dokumentierten Antisemitismusstreit von 1879-1881 vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Walser-, Hohmann- und Möllemann-Debatten zukomme. Denn an jenem wird laut Henne deutlich, wie sich vor 125 Jahren "der Aufstieg des Antisemitismus in das akademische Milieu" vollzog - und im Vergleich zeige sich dann etwa, an welchen Stellen vor allem Hohmanns Rhetorik wiederholt, was den Antisemitismus damals "salonfähig" machte. Diese von Karsten Krieger zusammengestellte Quellenedition, lobt Henne außerdem, erweitere den Blick auf die damalige Debatte noch einmal gegenüber einer knappen Edition von Walter Boehlich aus dem Jahre 1965, und sie mache nun "die verschieden Phasen sichtbar". Gestört haben den Rezensenten in dieser Hinsicht nur einige "Polemiken", und dass die biografischen Angaben im Personenregister "nach nicht nachvollziehbaren Kriterien unterschiedlich ausführlich" seien sowie "im Detail nicht selten wenig hilfreich". Das eigentliche Problem dieser Edition ist für Henne aber ihr Preis: 258 Euro für beide Bände machten sie "zum Begräbnis erster Klasse".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.03.2004

Als "vorzüglich" lobt Rezensent Manfred Hettling diese von Karsten Krieger herausgegebene Quellenedition zum "Berliner Antisemitismusstreit" 1879-188, die mit 121 Texten diesen öffentlichen Streit in "mustergültiger Breite und Differenziertheit" dokumentiert. Wie Hettling berichtet, hatte sich der Streit an einem antijüdischen Artikel Heinrich von Treitschkes entzündet, der als hochangesehener Professor und Reichstagsabgeordneter die berühmt-berüchtigte Formulierung, "die Juden sind unser Unglück", geprägt hatte. Sein Kontrahent in der Debatte, Theodor Mommsen, habe ihm deshalb zu Recht vorgeworfen, die antijüdische Bewegung salonfähig gemacht zu haben. In dieser Debatte ging es nach Hettling jedoch nicht nur um die Stellung der Juden in der deutschen Gesellschaft, sondern auch um die Frage, was deutsch ist - eine Frage, bei der Mommsens Vorstellung eines bürgerlichen Miteinanders und Treitschkes völkisches Ressentiment aufeinander prallten.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.11.2003

Im November 1879 löste der als liberal geltende Berliner Historiker Heinrich von Treitschke mit der Behauptung, die Juden gehörten nicht zum deutschen Volk, den sogenannten "Berliner Antisemitismusstreit" aus, berichtet Christoph Jahr. Viele bekannte und unbekannte Beiträge zu dieser Auseinandersetzung liegen nun in einer von Karsten Krieger bearbeiteten kommentierten Quellenedition vor. Daraus geht für Jahr deutlich hervor, "wie stark die intellektuelle Öffentlichkeit damals polarisiert wurde und wie vielfältig die Reaktionen waren". Zwar bietet die Einleitung von Krieger nach Ansicht Jahrs nur "wenig neue Einsichten". Zudem weist sie einige "sprachliche Defizite" auf. Nichtsdestoweniger wird die Geschichtswissenschaft nach Einschätzung Jahrs "sehr von dieser Neuedition profitieren".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.10.2003

Die Bezeichnung "Berliner Antisemitismusstreit" ist seit der 1965 durch Walter Boehlich vorgelegten ersten größeren Quellenauswahl geläufig, erläutert der Rezensent Julius H. Schoeps. Zwar übernehme die nun von Karsten Krieger vorgelegte Quellenedition den Ausdruck des Vorläufers, gehe aber insofern weit über diesen hinaus, indem in ihr "nahezu alle" zu dieser Kontroverse in den Jahren 1879 bis 1881 publizierten Texte dokumentiert sind, wie auch unveröffentlichtes Material. Es waren nicht "Dunkelmänner vom Schlage Glagaus, Marrs und Stoeckers" die den "Antisemitismus salonfähig" gemacht hätten, sondern allen voran der renommierte Berliner Historiker Heinrich von Treitschke, erklärt der Rezensent, der in seiner Besprechung eingehend die Hintergründe und Folgen der ursprünglich "Treitschkestreit" oder "Treitschkiade" benannten Debatte beschreibt. Es waren vor allem Juden, die auf die polarisierenden Artikels Treitschkes ihre Repliken verfassten, die in diesen jedoch auch zu erkennen gaben, "dass sie sich den Attacken irgendwie hilflos ausgesetzt fühlten". Treitschke, führt Schoeps weiter aus, war an den Universitäten keineswegs "isoliert", was aus der Quellenedition klar hervorgehe - ganz anders noch als bei Boehlich! Und "nichtjüdische Proteste" waren allein marginaler Natur. Daher wurde der nicht minder angesehene Althistoriker Theodor Mommsen "durch seine Parteinahme praktisch über Nacht zu einem der Wortführer der fortschrittlich gesinnten bürgerlichen Kreise". Allerdings werde anhand der nun vorliegenden Texte aber auch deutlich, dass sich die Positionen der beiden Historiker in der Sache nicht grundlegend unterschieden (auch wenn Mommsen keineswegs ein "Judenfeind" war), verdeutlicht der Rezensent, es war die ihm missfallende Form, die den Althistoriker zu seinem Eingreifen bewegte.