Raphael Urweider

Das Gegenteil von Fleisch

Gedichte
Cover: Das Gegenteil von Fleisch
DuMont Verlag, Köln 2003
ISBN 9783832178581
Gebunden, 90 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Mit seinem vielfach ausgezeichneten Debüt Lichter in Menlo Park stürmte Raphael Urweider leichtfüßig die Bühne der Poesie und "durcheilte in rasantem Erfolgstempo den Weg zum lyrischen Jungstar". Ernster zeigt sich sein neuer Gedichtband: "des anderen schlaf bewundern / im halbschlaf" - es sind stillere Seiten, die diese Gedichte entdecken, sprachnahe, wahrnehmungswache Beobachtungen: "erste eingebildete insekten formieren / sich zu licht".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 14.02.2004

Schwärmerisch gibt sich die Rezensentin Sibylle Cramer in ihrer Besprechung von Raphael Urweiders zweitem Gedichtband "Das Gegenteil vom Fleisch", dabei leider nicht besonders anschaulich, sondern interpretativ. Es wird viel gesagt, das hier nur wiedergegeben werden kann. Denn was damit gemeint ist, und worauf es sich bezieht, bleibt (auch mangels Beispiele) schleierhaft. Also: Raphael Urweider betreibe hier "Gegenwartskunde". Er entdecke die "Ereignishaftigkeit von Natur und Wahrnehmung", die "Spontaneität der Sinne, ihr Doppelleben zwischen Innen und Außen, zwischen Material und immateriellen Bewusstseinsinhalten". Und noch viel mehr: das semantische "nicht" der mythischen Euridike werde zur "zentralen Metapher" und "zersinge" das symbolistische "neant", behauptet Cramer. Urweider stelle der "universellen Geltung lyrischer Subjektivität" die "empirische" Vorstellungskraft des einzelnen gegenüber. Kunst sei hier "nicht mehr Spiegel der Welt ist, sondern Sprachhandlung, die ihr Verhältnis zur Wirklichkeit untersucht". Tja. Wir hätten uns auch ein bisschen mehr Welt und Wirklichkeit von der Rezensentin gewünscht.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.01.2004

Mit seinem vor drei Jahren erschienenen Debütband habe Raphael Urweider bereits "ein schönes Beispiel" dafür gegeben, lobt Rezensent Harald Hartung, dass "Grazie möglich ist in der modernen Poesie". In diesem, seinem zweiten Band nun, meint Hartung, habe Urweider eine "schöne Balance" zwischen "dem Graziösen und dem Ausdruck von Schmerz" gefunden. Insofern, bescheinigt der Rezensent Urweider, hat der neunundzwanzigjährige Schweizer also auch die recht hohe Hürde der Erwartung vor dem zweiten Buch "durchaus respektabel" genommen. Die dabei anklingende Einschränkung des Lobs Hartungs ergibt sich daraus, dass er drei der sechs Kapitel des Buches zwar "wohlgelungen", drei allerdings auch "weniger" gelungen fand. So wirke das Gedicht "Faltenwürfe" etwa "zart, aber kunstgewerblich" und eine anderes "ambitioniert, aber überladen". Nur "umso rühmenswerter" sei dafür aber dann, wiederholt Hartung noch einmal, die andere Hälfte des Bandes, aus der er unter anderem eine "artistische Hommage" an H.C. Artmann hervorhebt sowie das Hauptstück "Steine", das der Rezensent zugleich "das beste und eindrücklichste" fand.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.11.2003

Schon Urweiders lyrisches Debüt "Lichter in Menlo Park" vollzog nach Aufassung des Rezensenten Michael Braun "strenge Exerzitien der Wahrnehmung". Nun ist der Dichter noch strenger, spröder geworden - eine romantisierende Verschmelzungssehnsucht des lyrischen Ich habe bei Urweider keinerlei Chance mehr, stellt Braun (bedauernd?) fest. Dabei führe gerade der Anfang des ersten Gedichtzyklus - mit Grünbeinschem Anklang "Faltenwürfe" genannt - in die Irre einer scheinbaren Naturdichtung, die mehr und mehr demontiert wird. Und zwar mithilfe von "Ernüchterungvokabeln", wie Braun sie nennt, die die traditionelle Naturmetaphorik unterlaufen, kleine subversive Störungen, die im Laufe des Zyklus' immer mehr zunehmen, erläutert Braun. Der Band enthält auch den Zyklus "Steine", mit dem Urweider 2002 den 3sat-Preis in Klagenfurt gewonnen hat, damals allerdings in Prosaform vorgetragen, was den Rezensenten nun doch verwundert. Thematisch enthält "Steine" das poetische Urbild Urweiders, behauptet Braun, der in der Gegenüberstellung von Stein und Fleisch beziehungsweise von Naturmaterie und Krankheit das Zentralmotiv eines Dichters sieht, der in anthropologischen Konstanten gegen den Tod Trost sucht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 16.09.2003

Der junge Dichtersmann hat sich entwickelt, ruft Roman Bucheli begeistert und erstaunt aus. Einst war Urweider ein "entzückender Sänger", fährt er in seinem Loblied fort, ein Orpheus, der in seinem Debütband "Lichter in Menlo Park" einen Hang zum Spielerischen und Verspielten zeigte; nun aber, steigert Bucheli seine Hymne auf den Dichter, sei diesem Orpheus "die Erfahrung der Eurydike zugewachsen", die Begegnung mit dem Tod. Und noch immer seien Urweiders Verse hinreißend, stellt der Rezensent fest. Die Begegnung mit dem Tod manifestiert sich für Bucheli im Bild der Steine, die eben "Das Gegenteil von Fleisch" seien. Eine ganze Phänomenologie des Gesteins entwerfe Urweider und erst allmählich schäle sich aus dieser erdgeschichtlichen Erkundung der "Hirnstein" heraus, ein vermuteter Tumor, den Urweider umkreise, beschwöre, unschädlich zu machen versuche. Spätestens hier sei alle frühere Heiterkeit aus den Gedichten gewichen, meint Bucheli, allerdings zugunsten einer inneren Erfahrung und intensiven Mitteilung. Doch die Erfahrung des Todes besitzt darüber hinaus auch einen poetologischen Sinn, behauptet Bucheli: Urweider zeige, wie sich jedes Gedicht erst über das Vorangegangene hinwegsetzen müsse, um zu einem eigenen neuen Sprechen zu gelangen.
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