Emine Sevgi Özdamar

Seltsame Sterne starren zur Erde

Wedding - Pankow 1976/77
Cover: Seltsame Sterne starren zur Erde
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2003
ISBN 9783462032123
Gebunden, 256 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Berlin, Mitte der 70er Jahre. Eine geteilte, eingeklemmte Stadt, und doch voller heftiger und stiller Aufbrüche in Ost und West. Genau dorthin zieht es 1976 eine junge türkische Schauspielerin aus Istanbul, noch niedergedrückt von Erinnerungen an die Militärdiktatur im eigenen Land, aber mit einem großen Traum: das Theater Bertolt Brechts an der Ostberliner Volksbühne kennen zu lernen. Emine Sevgi Özdamar erzählt von einem Berlin, das kein Deutscher so je gesehen hat: das Leben ihrer WG-Mitbewohner im Westberliner Wedding und ihrer Ostberliner Freunde in Pankow, die türkischen Einwanderer in der Nachbarschaft, die politischen Ereignisse des "deutschen Herbstes", die täglichen S-Bahnfahrten zwischen West und Ost, kleine und große Liebesgeschichten und vor allem ihre heiße Liebe zum Theater Heiner Müllers und Benno Bessons, das sie zurück ins Leben holt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.05.2003

Alle reden vom Berlin-Roman, spottet Christoph Bartmann, "hier ist einer!" Auch wenn keine Russenmafia und keine Love Parade darin vorkämen. Dieser Roman sei "auf sensationelle Weise von gestern", schwärmt der Rezesent weiter. Denn rund 25 Jahre hat die türkische Schauspielerin und Autorin Özdamar ihr Tagebuch aus ihren Berliner Anfängen liegen lassen, das etwas sehr Schwärmerisches hat, wie Bartmann findet. Damals war Özdamar nach einer gescheiterten Ehe in einer politisch unruhigen Zeit von Istanbul nach Berlin gekommen und hatte sich bei Benno Besson an der Volksbühne im Osten als Hospitantin beworben. Das WG-Zimmer im Westen, arbeitete Özdamar im Osten, was ihr eine doppelte Perspektive ermöglichte, schreibt Bartmann; hier die Westberliner Kommunardenzeit und Subventionskultur, dort die kritisch-loyale DDR-Hochkultur, die den Herrn Brecht beerbt. Auch wenn verschiedene Protagonisten noch leben und wirken - Biermann, Langhoff, Besson, Castorf - so wirke alles unendlich weit weg oder unendlich lange her. Gerade das macht für Bartmann den Reiz dieser Tagebücher aus, die trotz der hochpolitischen Zeiten ungemein viel Liebes-, Lebens- und Diskussionshunger verraten.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.03.2003

Ein großer Wurf ist Emine Özdamar in den Augen Sigrid Scherers mit ihrem Berlin-Roman gelungen, den die Rezensentin "oft komisch, manchmal ironisch", aber immer "voller Kunst und voller Leben" findet. Die Bachmann-Preisträgerin von 1992 breite darin das Panorama der geteilten Stadt dar. Unschwer lasse sich die Autorin in der Hauptperson erkennen, eine junge Schauspielerin, die, 1976 vor der türkischen Militärdiktatur nach Berlin entflohen, zwischen West und Ost hin- und herpendelt, um bei Benno Besson brechtsches Theater zu lernen. Doch ist der Roman für die Rezensentin weniger Autobiografie als vielmehr ein sehr genaues Buch über Teilungen: über die geteilte Stadt, die geteilte deutsch-türkische Gedankenwelt und die zwischen mehreren Männern aufgeteilte Liebe. Dies alles halte Özdamar in einer Collage aus Erzähltext, Gedichten und Schlagzeilen fest, die die Welt anzuhalten scheinen, obwohl doch alles in ihr in Bewegung sei, wie Scherer es seltsam und schön zugleich findet.