Michael Lentz

Aller Ding

Gedichte
Cover: Aller Ding
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003
ISBN 9783100439215
Gebunden, 193 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Gedichte, die von allem handeln (von Aller Ding eben), außer von der Liebe.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.04.2003

Michael Braun erklärt seinen Kollegen, wie Michael Lentz richtig zu lesen sei: nicht als Experimentaldichter, der dem ermüdenden konzeptuellen Hantieren mit der Form noch einen Mehrwert abzuringen meint, sondern als jemand, der einer Avantgarde, die den Sinn ihrer poetischen Gesten längst vergessen hat, ein Abschiedsständchen darbietet. Keineswegs dürfe man in ihm also einen naiven Sprachjongleur sehen. Lentz führe ja in diesem Band gerade vor, was nicht mehr geht; seine Gedichte, so Braun, tragen die "Signatur des Abschieds". Das Buch gleiche einer Bewegung auf das Ende zu: Im ersten Teil werde noch einmal Bewegung in die Sprache gebracht, später gleite die Lyrik dann ins "allmähliche Verstummen" hinein. Darin hat Braun auch reale Trauer gefunden, denn nicht nur um die "letzten Dinge der Poesie" gehe es, sondern auch um die des Lebens: "Wichtiger als das Sprachexerzitium ist das verzweifelte Aufbegehren gegen das factum brutum des Todes".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.04.2003

"Ist das noch der strenge Materialartist, der Extremperformer Lentz?", fragt sich Nicolai Kobus angesichts hingeworfener Kalauer und "schmerzensschöner" Liebesgedichte,die er in Lentz' neuem Gedichtband durchaus zu goutieren weiß. Er beantowrtet sich seine Frage dann selbst: Ja, auch vom "eigentlichen", dem formstrengen, experimentierfreudigen, raffinierten Lentz sei einiges geblieben, behauptet er und sieht den Lautpoeten Lentz irgendwo "zwischen Panizza und Pastior" angesiedelt. Allein die mehrstrophige "Erzählung" über Dieter Schnebel sei einen Sonderdruck Wert, schwärmt Kobus. Das Stöbern in dem Gedichtband hat ihm Spaß gemacht, auch dass sich der Autor über seine eigene normative Poetik hinwegzusetzen gewagt und die unterschiedlichsten Formen und Schreibhaltungen ausprobiert hat. Aber ein bisschen was Beliebiges enthält "Aller Ding" auch, findet Kobus und empfiehlt den Band portionsweise zu sich zu nehmen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.03.2003

Burkhard Müller zieht von diesem Gedichtband eine nicht sehr schmeichelhafte Parallele zu einer Szene aus dem Film "Shining", in dem die Frau eines Schriftstellers mit Entsetzen erkennt, dass ihr Mann seit Monaten nur immer den gleichen banalen Satz in seine Schreibmaschine tippt und also offensichtlich wahnsinnig ist. Dieses Entsetzen bleibt dem Rezensenten nach eigenem Bekunden deshalb erspart, weil der "Wahnsinn" des vorliegenden Lyrikbandes vergleichsweise harmlos sei und "höchstens durch Langeweile töten" könnte, wie er boshaft formuliert. Er kann weder den 251 Zeilen langen Anagrammen aus dem Namen "Dieter Schnebel", noch den Zwei- und Einzeilern des Autors auch nur das Mindeste abgewinnen und bemerkt genervt, dass Lentz zu den Anhängern einer Lyrik gehört, die die Sprache als Materiallager, jedoch nicht als Sinnträger versteht. Man könne ja, so der Rezensent nun hämisch, den "hübschen, sauber" aufgemachten Band, dessen kürzesten Texte aus Einwort-Gedichten bestünden, als Notizbuch nutzen, man dürfe sich nur von den hin und wieder abgedruckten "Buchstabengruppen" nicht stören lassen.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.03.2003

Beatrix Langner feiert in ihrer Rezension den Gedichtband als die "Befreiung des Buchstaben vom Terror des Sinns". Denn die Gedichte sind kaum einmal "intentionales Sprechen", denen mit gediegenen Interpretationen beizukommen ist, sondern sie verstehen sich vor allem auf das "Zerstören" von vorgegebenen Formen und Ordnungen, meint die Rezensentin angetan. Lentz nehme das Dichten "sportlich" und werde vor allem von der "Selbstreferenzialität der Zeichen" unwiderstehlich angezogen, stellt Langner fest, die dennoch hin und wieder auch "hölderlinisch zarten Klang" in den Gedichten entdeckt. Sie charakterisiert das Buch als "temperamentvolles Kompendium experimenteller Lyrik des 20. Jahrhunderts", weil Lentz alles auszuprobieren scheint, was Cocteau einst angehenden Lyrikern geraten hat, nämlich auf alle erdenkliche Weise mit Buchstaben zu spielen.
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