02.07.2007. Nein, es hilft nichts, er muss bei mir unten bleiben.
Jederzeit zu meiner Verfügung.
Aber so ein Koloss kann dir natürlich andererseits die ganze Wohnung versauen.
Nein, es hilft nichts, er muss bei mir unten bleiben. Jederzeit zu meiner Verfügung. Aber so ein Koloss kann dir natürlich andererseits die ganze Wohnung versauen. Frankenstein ist nichts dagegen. Ästhetisch gesehen. Meine Tochter hat gleich gesagt, als sie damals in Kitzbühel bei einem Filmprojekt mitgespielt hatte, hätten sie auch so einen gehabt in der Luxusvilla. Echt krass hässlich, hat sie gesagt. Aber auch echt nützlich. Er hätte für Entspannung gesorgt. Schließlich habe ich in der Wohnung eine eigene Ecke für ihn geschaffen. Hauptsache, er hält mich fit. Immerhin muss ich Tag für Tag gegen dreihundertdreißigtausend Neuerscheinungen pro Jahr anschreiben. Auch wenn die Biografie eines x-beliebigen Ex-Bundeskanzlers die Buch-Charts anführt, der Internetkonsum die Zeitungslektüre und womöglich bald auch die Buchlektüre überholen wird, der Film zum Buch im Kinoranking und nun auch das Buch zum Film im Buchranking ungebrochen an der Spitze bleiben und Juroren und Rezensenten und Moderatoren und so weiter Autorinnen und Autoren werden. Da kannst du gar nicht fit genug sein.
Der Esstisch war übrigens auch schon so eine Sache. In der Ausstellungshalle bei
Ikea hatte er nicht so gewaltig ausgesehen wie dann in meinem Zimmer, das an und für sich ziemlich groß ist: dreißig Quadratmeter und eine Raumhöhe bis zu vier Metern. (Ich bin in eine Dachwohnung gezogen.) Jedenfalls, als wir, meine damalige Freundin Amelie und ich, im Zuge meines Umzugs den Esstisch und die acht Sessel von acht Uhr abends bis zwei Uhr früh zusammengebaut hatten und die ganze Esstisch-Sitzgruppe dann so dastand und meine Freundin und ich bereits ein halbes Dutzend Biere während des Montierens getrunken hatten und dann schon ein bisschen lädiert auf dem Parkettboden saßen - sonst war ja noch nichts in dem Wohnzimmer - und als Amelie dann sagte: Eigentlich ganz schön groß für nur zwei Personen, da haben wir so was von einem Lachkrampf erlitten. Ich schwöre, wir haben uns auf dem Boden gewälzt vor Lachen. Aber im Nachhinein muss ich sagen: Der Tisch hat sich voll ausgezahlt. Seit ich ihn habe, lade ich gerne sechs oder acht Personen auf einmal zum Essen ein. Was natürlich andersherum wieder viel Arbeit macht und vom Schreiben ablenkt. Dann habe ich noch eine
Bretz-Couch aufgestellt. Marke
Gaudi. Ursprünglich wollte ich ja
Monsterchen. Aber Julia war strikt dagegen.
Gaudi war dann um einiges teurer als der
Ikea-Tisch, aber auch die hat sich voll ausgezahlt. Nicht nur ästhetisch. Sie ist feuerrot und hat eine goldene Feder als Fußstütze. Julia war von Anfang an für die goldene Löwenpranke, die es auch dazu gegeben hätte, und ich muss sagen, ich habe inzwischen schon manchmal bereut, dass ich sie nicht genommen habe. Wäre noch eine Spur eleganter gewesen. So ein teures Sofa hat natürlich eine ganz andere Qualität als die billigen Sofas, die ich sonst immer hatte. Da setzt du dich darauf und versinkst im Irgendwo. Wenn du dann allerdings wieder hoch willst, musst du mit den Armen rudern, um den Schwung aufzubringen. Und dazu bin ich einfach zu alt. Außerdem hast du dann eine Kuhle im Sofa, genau in der Größe deines Hinterns. Das ist doch peinlich auf Dauer. Kaputt gehen die billigen Sofas auch sofort, besonders bei uns, weil wir zwei Katzen haben, die sich gerne ihre Krallen überall schärfen, nur nicht an ihrem Kratzbaum. Vor allem die kleine Katze, die erst dreizehn Wochen alt und praktisch unerziehbar ist. Auf meinem
Bretz-Sofa versinke ich überhaupt nicht, und die Katzenkrallen konnten ihm auch bis jetzt noch nichts anhaben. Es ist einfach solide gebaut und der Stoffbezug kommt angeblich aus der Weltraumforschung. Gepflegt muss es natürlich werden. Aber das versteht sich von selbst. Dann habe ich in dem großen Zimmer am anderen Ende noch meinen neuen Büroschreibtisch stehen, an dem ich gerade sitze und schreibe. Marke
Effektiv. War auch nicht leicht aufzubauen. Zwei Beine sind übrig geblieben. Zuerst haben wir gedacht, dass die von
Ikea zwei Beine zu viel geliefert haben, aber später, als schon der Computer, das Telefon, der Anrufbeantworter, das Faxgerät und der Drucker auf dem Schreibtisch standen, hat Amelie entdeckt, dass doch noch Platz für zwei Beine gewesen wäre. Da wollten wir natürlich nicht wieder alles abbauen und neu aufbauen. Aber seither habe ich immer ein bisschen Angst, dass der Schreibtisch zusammenbricht. Den Esstisch für acht Personen und den Cumulus sehe ich nicht vom Schreibtisch aus. Da ist die Mauer davor, die meine Terrasse seitlich begrenzt. Vom Schreibtisch sehe ich nur die
Bretz-Couch und die Treppe in den ersten Stock, die gegenüberliegende Wand mit den Holzbalken und natürlich die Terrasse und den Himmel. Ich kann die vorüberziehenden Wolken beobachten. Und im Sommer die Mauersegler, die aus Afrika kommen und unsere Wohnblöcke mit ihren Balkonen und Terrassen für Felsen und Felsnischen an einer gewaltigen Küste halten, über die ein weiter Himmel blau leuchtet und manchmal Wolken ziehen, die es am Meer gar nicht gibt. Ideale Schreibvoraussetzungen, dachte ich damals, als ich in diese Wohnung einzog. (Und denke ich auch heute noch.) Aber dann: nichts. Nicht gar nichts, aber nicht viel. Doch letztlich eine Art Schreibhemmung, würde ich sagen. Habe ich mir lange nicht eingestanden, schließlich lebe ich vom Schreiben. Und nicht nur ich, auch Julia, die im zweiten Stock zwei Zimmer bewohnt. Wie gesagt: Dachwohnung. Dazu muss sie aber immer durch mein Zimmer, genauer: an meinem Schreibtisch vorbei zur Treppe. Das heißt: aufs Klo gehen, essen gehen, trinken gehen, Wohnung betreten und Wohnung verlassen, alles immer an meinem Schreibtisch vorbei. Ebenso natürlich ihre Freunde.
Teil 3Informationen zum Buch und zur Autorin hier