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Leseprobe zu Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945, Bd. 3. Teil 4

07.05.2012.
Heimann Stapler berichtet nach seiner Emigration im Oktober 1939, wie sich die Lage der Juden im Protektorat Böhmen und Mähren seit Kriegsbeginn verschärft hat(77)

Bericht Heimann Stapplers(78) vom Oktober 1939(79)


Situationsbericht aus Prag.
Einleitend soll bemerkt werden, daß gerade im Zeitpunkte unserer Abreise, d.i. vom 13.-15.10.1939, sich die Lage der Juden im Protektorate ganz wesentlich verschärft hat und die bereits vorher schwere Situation sich zu einer wahren Katastrophe auszuweiten droht. Über die Verhältnisse vor dem Kriegsausbruche wurden die maßgebenden Faktoren durch unsere Vertreter beim Kongreß(80) sicherlich informiert, weshalb nur über die Maßnahmen nach dem ersten September die Rede sein soll.
Die eingetretenen Kriegsereignisse haben sich für die Juden im Protektorate katastrophal ausgewirkt, und es besteht die Gefahr der völligen Vernichtung und Versklavung dieses sicherlich wertvollen Teiles des Judentums. Es handelt sich da um etwa 82 000 Menschen, die bei der Registrierung der Nichtarier als Volljuden erfaßt worden sind, davon etwa 16 000 im Alter [von] 6-24 Jahren, neben 15 000 bis 20 000 Nichtariern nach den Nürnberger Gesetzen, deren Betreuung gleichfalls der Kultusgemeinde anbefohlen wurde.
Das Charakteristische bei den gegen die Juden angeordneten Beschränkungen liegt darin, daß sie weder durch Verordnungen der Deutschen noch der tschechischen Behörden eingeführt wurden, sondern über mündlichen Auftrag der Gestapo an die Kultusgemeinde in Prag, die ihrerseits alle anderen Kultusgemeinden zur Durchführung der Beschränkungen auffordern mußte.
Seit dem 1. September 1939 sind den Kultusgemeinden nachstehende Maßnahmen zur Durchführung angeordnet worden:
1. Registrierung aller polnischen bez. in Polen geborenen Juden innerhalb von 24 Stunden.(81)
2. Ausgehverbot für Juden nach 8 Uhr abends. Angeordnete Zeitdauer für die Durchführung dieses Verbotes 4 Stunden.(82)
3. Abgabe der Radioapparate, angeordnet am 22.9., d.i. Erev Jom Kippur,(83) 4 Uhr Nachmittag mit der Weisung, am Jom Kippur selbst die Radioapparate an die Kultusgemeinden abzuführen. Ausnahmen, die Radioapparate auch noch am Tage nach Jom Kippur bis 10 Uhr Vorm. abzuführen, waren nur in besonders zu begründenden Fällen zugelassen. In Prag, wo etwa 7000 Radioapparate abgeführt wurden, dauerte die Abgabe bei den Kultusgemeinden von 8 Uhr früh am Jom Kippur bis ununterbrochen 10 Uhr früh des nächsten Tages. Die ganze Nacht hindurch standen viele Hunderte von Menschen vor der Kultusgemeinde mit ihren Radioapparaten Schlange. Bestätigungen über die abgeführten Apparate durften den Besitzern nicht ausgefolgt werden, sondern sie wurden bei der Übernahme nummeriert, registriert und hierauf mit Möbelwagen in den von der Gestapo bezeichneten Lagern deponiert.(84) In einer ganzen Reihe von Städten wurden auch gleichzeitig den Juden die Schreibmaschinen abgenommen.
4. In der gleichen Zeit wurde auch die Vermögensregistrierung sämtlicher Juden und Nichtarier nach den Nürnberger Gesetzen angeordnet.(85) Die bezüglichen von der Kultusgemeinde Prag herausgegebenen Informationsblätter mußten am Jom Kippur sämtlichen Juden zugestellt und am nächsten Tag wieder abgeholt werden. Den Kultusgemeinden in der Provinz wurde der Termin so gestellt, daß sie die ausgefüllten Drucksorten spätestens am zweitnächsten Tage nach Prag durch einen Boten senden mußten, woselbst die Gesamtregistrierung vorgenommen werden mußte, für die der Termin bis zum 25.9., 12 Uhr nachts, d.i. 2 Tage nach Jom Kippur, gestellt war.
Für die Durchführung all dieser mündlich durch die Gestapo angeordneten Beschränkungen mußte in Prag jedesmal ein Stab von etwa 1000 Menschen zur Verfügung gestellt werden, denn für den Fall der nicht rechtzeitigen Durchführung wurde mit den schärfsten Repressalien gegen die Juden und mit Massenverhaftungen gedroht. Das Oberrabbinat hat daher mit Rücksicht auf diese Umstände die Verletzung der Heiligkeit des Jom Kippur gestattet.
Am ersten Tage Rosch Haschanah(86) erschien die Polizei vor den Tempeln, wo alle, die sich nicht legitimieren konnten, daß sie nicht nach Polen zuständig sind, verhaftet wurden. Alle nach Polen zuständigen befinden sich noch heute in Haft. Besonders tragisch gestaltete sich das Schicksal der Juden in den Städten mit einer großen Anzahl deutscher Bewohner, wie Mähr. Ostrau, Brünn, Olmütz, Iglau, Pilsen. Abgesehen davon, daß in diesen Städten sämtliche Tempel niedergebrannt wurden, gab es dort Massenverhaftungen von Juden. Ein Großteil wurde zwar nach einiger Zeit wieder freigelassen, doch nach Kriegsausbruch wieder verhaftet und in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald verschickt. Darunter eine ganze Reihe von Menschen, denen Zertifikate(87) zugeteilt wurden, und auch 2 Kinder, die für die Jugendalijah(88) bestimmt waren. In einer ganzen Reihe von Städten, wie z.B. Mähr. Ostrau und Friedek, wurde von der Gestapo den Juden das Bargeld beschlagnahmt und in vielen Fällen ganz einfach ohne Bestätigung weggenommen, ebenso der Schmuck. In Friedek wurden sämtliche Juden zur Gestapo vorgeladen, woselbst sie das Bargeld und den Schmuck ohne Bestätigung abliefern und eine Deklaration unterfertigen mußten, daß sie ihre Häuser in Treuhandverwaltung eines Ariers übergeben. Gleichzeitig wurde ihnen die Übersiedlung nach Prag angeordnet. Der schwerste Schlag erfolgte jedoch im Zeitpunkte unserer Abreise. Es wurde nämlich von der Gestapo bekanntgegeben, daß die Juden aus dem Protektorat nach Polen übersiedelt werden sollen, wo Reservationen errichtet werden sollen. Diese Maßnahme wurde in Mähr. Ostrau bereits durchgeführt, welche Stadt 1000 Männer im Alter von 17-55 Jahren zur Verfügung stellen mußte, die schon am 18. Oktober verschickt worden sind.(89) Zur Durchführung des ganzen Planes der Übersiedlung der Juden wurde Edelstein(90) von der Gestapo nach M. Ostrau abdirigiert mit dem Auftrage, sich für 3-4 Wochen Wäsche mitzunehmen. Gleichzeitig mit ihm wurde auch Friedmann(91) aus Wien nach Ostrau dirigiert und dabei angedeutet, daß eventuell auch noch weitere Vertreter des Palästinaamtes nach Ostrau versetzt werden sollen. Die nach Polen verschickten Juden werden zum Bau von Baracken verwendet werden, nach deren Vollendung mit der Verschickung der Familienmitglieder begonnen werden soll.
Zentralstelle der Gestapo f.d. Auswanderung der Juden.
Die Zentralstelle wurde Ende Juli mit der Absicht errichtet, die zur Auswanderung erforderlichen Formalitäten zu erleichtern.(92) In Wahrheit ist dieses Amt zu einer wahren Hölle für diejenigen geworden, die mit ihren sogenannten Mappen dortselbst persönlich erscheinen müssen. Diese Mappen enthalten 17 Fragebogen mit etwa 600 Fragen, die zu beantworten sind. Zweigstellen dieser Auswanderungsstelle sind das Palästinaamt für die Auswanderung nach Erez und die Kultusgemeinde Prag für die Auswanderung nach der übrigen Welt. Sämtliche Menschen, die für die Auswanderung in Frage kommen, müssen vor Überreichen der Mappen nach Prag übersiedeln.(93) Die vorhergenannten Zweigstellen für die Auswanderung sind heute die wichtigsten Apparate der Gesamtorganisation und beschäftigen einen ganzen Stab von Menschen, die dazu bestimmt sind, teils Informationen für die Ausfüllung der Fragebogen zu erteilen, teils zur Ausfertigung der Fragebogen selbst, denn sie müssen in duplo mit Maschine geschrieben sein und dürfen weder gefaltet noch sonst irgendwie zerdrückt sein, weil ansonsten für die Überreicher die Gefahr besteht, bei der Zentralstelle geohrfeigt zu werden. Doch sind iese technischen Schwierigkeiten eine Kleinigkeit gegenüber den sachlichen Schwierigkeiten, die sich bei der Beantwortung der in den Fragebogen enthaltenen Fragen ergeben.
Diese Fragebogen sind in erster Reihe dazu bestimmt, das Gesamtvermögen des Auswanderers zu erfassen, wobei das Steuerbekenntnis der letzten drei Jahre zur Grundlage genommen wird. Als Gesamtvermögen wird nicht nur das wirkliche steuermäßig erfaßte Vermögen angesehen, sondern dazu gehören auch Lebensversicherungen, Einrichtungsgegenstände, zurückzulassendes und mitzunehmendes Umzugsgut, Schmuck, Forderungen im Auslande, auch wenn sie nachweisbar uneinbringlich sind, vor allem auch Vermögenswerte im heutigen deutschen Gebiet, über das der Auswanderer gar nicht mehr verfügungsberechtigt ist, weil es sich ja ohnedies in Treuhandverwaltung befindet. All diese auch fiktiven Werte werden für die Bemessung der Abgaben als Vermögensstand zu Grunde gelegt. Wer Immobilien, Unternehmungen oder ein Geschäft besitzt, kann schon durch die Zweigstellen, d.i. durch das Palästinaamt(94) und durch die Kultusgemeinde, zur Ausfüllung der Mappen nicht zugelassen werden, auch wenn er ein Zertifikat zugesichert hat, bevor er nicht sein Unternehmen liquidiert oder in Treuhandverwaltung übergeben hat. Daraus allein kann schon entnommen werden, welch ungewöhnlich große Opfer von den Auszuwandernden verlangt werden, die angesichts der Schwierigkeiten, jetzt das palästinensische Visum zu erhalten,(95) gar nicht davon überzeugt sind, daß sie auch wirklich herauskommen werden, wobei bemerkt werden muß, daß diejenigen, welche die Mappe überreicht haben und den sogenannten Durchlaßschein erhalten, innerhalb der Gültigkeit dieser Scheine auswandern müssen, weil sie ansonsten Gefahr laufen, in Konzentrationslager verschickt zu werden. Aber nicht nur das allein ist die Schwierigkeit, sondern auch das finanzielle Risiko (oftmals handelt es sich um die letzte Reserve der Auszuwandernden) ist sehr groß, denn die Petenten für die Zertifikate müssen vor Erhalt des Durchlaßscheines alle Abgaben geleistet haben, die, falls sie das Visum nicht erhalten, 100%ig verloren sind. Diese Abgaben sind bei einem Vermögensstand, zu dem alles, wie schon vorerwähnt, gezählt wird, sogar das Taschentuch, das der Emigrant mitnimmt und die Schuhe, die er an seinen Füßen anhat,
bis K 10 000 ½ % Judensteuer
50 000 2 %
200 000 4 %
      500 000 5 %
1 000 000 10 % und über
1 000 000 20 %

Diese Judensteuer wird von der Kultusgemeinde Prag vorgeschrieben und von der Gestapo beim Ausfolgen des Durchlaßscheines und des Passes (die Auswanderer erhalten jetzt deutsche Pässe, da die alten tschechischen Pässe [für] ungültig erklärt worden sind) einkassiert wird. Neben dieser Steuer wird vom tschechischen Finanzministerium eine Abgabe für das Umzugsamt eingehoben, und zwar 20 % für Gegenstände, die vor dem 1.9.1938 angeschafft worden sind und 100 % für alle nach dem 1.9.1938 angeschafften Gegenstände, laut Einkaufspreis. Dazu gehören auch alle Gegenstände, die zur Auswanderung selbst angeschafft worden sind, wie Werkzeuge, Koffer, Kisten usw., für die also 100 % des Einkaufspreises eingehoben werden. Der gleiche Satz gilt auch für Bilder, Teppiche, Pelze und Silber, das jedoch nur in beschränktem Ausmaße mitgenommen werden darf (2 Paar Bestecke und 200 g anderer silberner Gegenstände per Person, Eheringe in Gold und eine silberne Uhr). Der ganze übrige Schmuck als auch Effekten und Wertpapiere müssen in Safes oder Depots von Banken übergeben werden, und zwar noch vor Überreichung der Mappen. Dabei sind die Auszuwandernden gezwungen, die Depot- und Safegebühren im voraus für 2 Jahre zu bezahlen.
Besonders große Schwierigkeiten ergeben sich für die aus dem Sudetenland stammenden Flüchtlinge, die dortselbst ein größeres Vermögen zurückgelassen haben. Selbst wenn sie über die zur Erlangung eines A/1/Zertifikates(96) erforderlichen Mittel in Prag verfügen, können sie infolge der hohen Abgaben für die im Sudetenland zurückgebliebenen Werte nicht zur Auswanderung kommen, weil diese Abgaben oftmals ihren Vermögensstand in Prag, der allein zur Zahlung der Abgaben verwendet werden darf, überschreiten und keine Mittel für den Transfer übrigbleiben. Es ist daher eine ganz wesentliche Anzahl von Leuten entfallen, denen bereits Zertifikate zugesichert waren, die aber infolge der oben erwähnten Umstände nicht mehr zur Alijah gelangen können. Man war daher gezwungen, auf andere, für eine spätere Zeit vorhergesehene Petenten um A/1/Zertifikate [zurück]zugreifen, wobei Menschen bevorzugt werden, die bereits liquidiert haben und daher für die Überreichung der Mappen "reif" sind. Bei der Beurteilung für die Zuweisung wird nicht nur auf die zionistische Vergangenheit Rücksicht genommen, sondern auch auf die Einordnungsfähigkeit der betreffenden Personen, wobei Menschen, die für Spezialindustrie in Frage kommen oder für die Ansiedlung im Lande, durch Abschluß von Verträgen mit Jachin oder RASSCO(97) unter sonst gleichen Umständen bevorzugt werden.
Nun noch einiges über die Praxis bei Überreichung der Mappen. Das Pal[ästina-]amt und die Kultusgemeinde sind gezwungen, eine bestimmte Anzahl von Auswandernden der Zentralstelle täglich zu "liefern". In der ersten Zeit waren es 200, dann 100, später 80 und jetzt 40 täglich. Wenn diese Zahlen nicht eingehalten wurden, gab es für Edelstein und den Vertreter der Kultusgemeinde den größten Krach. Die zu wenig abgelieferte Anzahl von Auswandernden mußte am nächsten Tage "nachgetragen" werden, weil die Gestapo ansonsten mit der Sperrung der Zentralstelle für die Auswanderung und mit schweren Repressalien für die maßgebenden Personen drohte. Übrigens wurde gerade zum Zeitpunkte unserer Abreise Edelstein von der Gestapo mitgeteilt, daß die neueste Bestimmung, die die Gestapo von ihrer vorgesetzten Behörde erhielt, dahin lautet, die Auswanderung der Juden nicht zu stören, aber auch nicht zu fördern. Was darunter in der Praxis zu verstehen sein wird, kann heute nicht gesagt werden.
Zur Frage der Alijah aus der letzten Schedule.(98)
Aus der letzten Schedule kommen bei uns etwa 1200 Menschen zur Alijah, von denen bis nun etwa 212 bereits ausgewandert sind, so daß noch ca. 1000 Auswanderer abgefertigt werden müssen. Die A/1/Zertifikate besitzt das Pal[ästina]amt vollständig, bis auf die 5 Zertifikate, die von der Sochnuth(99) direkt zugeteilt werden sollten. Von den B III Zertifikaten fehlen 50 und 18, welch letztere beim Englischen Konsulat in Berlin versperrt sind. Weiter fehlen 60 D-Zertifikate und 20 Studentenzertifikate.(100)
Zur raschen Abwicklung der Alijah ist es unerläßlich, daß die Schwierigkeiten bei der Erteilung des palästinensischen Visums in Triest so rasch als möglich beseitigt werden, damit die Auswanderer nicht in Gefahr kommen, in Triest durch den englischen Konsul nicht bestätigt zu werden, wie es diesmal bei einem A/1/Zertifikat der Fall war und bei 3 D-Zertifikaten, die deshalb abgewiesen wurden, weil ihr palästinensisches Visum bereits abgelaufen war. Es wäre die Frage zu ventilieren, ob es nicht möglich ist, einen Beamten der Schiffahrtsgesellschaft in Prag mit den Pässen nach Triest zu senden, um sie dortselbst zur Vidierung vorzulegen und sie wieder nach Prag zurückzubringen, oder [ob] es nicht möglich wäre, Sammelvisa zu erhalten, mit Ausnahme von Visa für A/1/Zertifikatisten. Auch wäre das Pal[ästina]amt in Triest anzuweisen, für eine präzisere Festlegung der Termine für die Abfahrt der Schiffe zu sorgen, damit die zur Abreise bestimmten Auswanderer rechtzeitig ohne Vorkehrungen eintreffen können.(101)

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(77) YVA, 07/CZ/367.
(78) Richtig: Heimann Stapler (1880-1956), Ingenieur; war nach seinem Studium für die Staatsbahnen der k.u.k.-Monarchie als Baukommissar, von 1918 an für die Direktion der Tschechoslowak. Staatsbahn als technischer Rat tätig; 1925 Repräsentant der Tschechoslowakei beim Zionistischen Weltkongress in Wien; emigrierte im März 1939 auf der "Galil" zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern nach Palästina; arbeitete dort als Buchhalter.
(79) Im Original handschriftl. Korrekturen.
(80) Gemeint ist der Jüdische Weltkongress.
(81) Mitte Sept. 1939 mussten die Mitarbeiter der JKG Prag sämtliche Häuser und Wohnungen aufsuchen, um Juden poln. Staatsangehörigkeit zu erfassen; Jüdische Kultusgemeinde Prag, Sonderaktionen, in: Židé v Protektorátu. Hlášení Židovské Náboženské Obce v roce 1942. Dokumenty, hrsg. von Helena Krejcová, Jana Svobodová und Anna Hyndráková, Praha 1997, S. 226-229, hier S. 226.
(82) Das Ausgehverbot erließ die Gestapo im Sept. 1939; Franz Friedmann, Rechtsstellung der Juden im Protektorat Böhmen und Mähren, Stand: 31.7.1942, in: Židé v Protektorátu (wie Anm. 81), 232-263, hier S. 262.
(83) Versöhnungsfest, höchster jüdischer Feiertag. Mit ihm enden die zehn Tage der Reue und Umkehr, die am Neujahrstag, an Rosch Haschana, beginnen.
(84) Am 22. 9. 1939 wurden die Prager Juden angewiesen, ihre Rundfunkempfänger abzugeben. Etwa 12 000 Apparate wurden innerhalb von zwei Tagen abgeliefert.
(85) Verordnung des Reichsprotektors in Böhmen und Mähren über das jüdische Vermögen vom 21.6.1939; VBl. RProt. 1939, Nr. 6, S. 45-49.
(86) Das jüdische Neujahr Rosch Haschanah fiel 1939 auf den 14. Sept.
(87) Um die Einwanderung von Juden nach Palästina zu beschränken, gab die brit. Mandatsregierung Zertifikate aus. Die Empfänger mussten über Kapital oder eine Qualifikation verfügen, die im Land gebraucht wurde.
(88) Alija(h) (hebr.) Aufstieg. Jüdische Einwanderung nach Palästina. 1933 rief die Jewish Agency unter ihrem Dach außerdem die Jugendalija ins Leben, um gezielt jüdische Kinder und Jugendliche aus Deutschland zu retten. Nach dem Zweiten Weltkrieg betreute die Abteilung Kinder, die überlebt hatten.
(89) Im Okt. 1939 wurden etwa 1300 Juden aus Mährisch-Ostrau nach Nisko im Distrikt Lublin deportiert, von denen ca. 190 den Krieg überlebten.
(90) Gemeint ist der Leiter des Palästina-Amts in Prag Jakob Edelstein.
(91) Richard Friedmann (1906-1944), Verbandsfunktionär; von 1929 an als Beamter in der IKG Wien tätig, 1939 zur Jüdischen Kultusgemeinde in Prag versetzt; 1943 nach Theresienstadt, 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort erschossen.
(92) NAP, ÚRP I-3b 5811, karton 389, Bl. 8-10.
(93) Diese Vorschrift wurde, da sie praktisch undurchführbar war, nach kurzer Zeit wieder aufgehoben.
(94) Das Palästina-Amt der Jewish Agency förderte die Auswanderung nach Palästina, u. a. mittels Verteilung von Einwanderungszertifikaten. 1918 in Wien gegründet, hatte das Amt seinen Hauptsitz in Berlin und unterhielt zahlreiche Zweigstellen; im April 1941 wurde es aufgelöst und in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eingegliedert.
(95) Im Mai 1939 hatte die brit. Mandatsregierung die Einwanderung nach Palästina strikt begrenzt.
(96) Voraussetzung für ein solches Zertifikat war ein Eigenkapital von mindestens 1000 brit. Pfund, weswegen die A1-Zertifikate auch Kapitalistenzertifikate genannt wurden.
(97) Die Siedlungsgesellschaft Jachin kaufte landwirtschaftliche Nutzflächen auf und verteilte sie an Siedler, die 1934 gegründete Baugesellschaft RASSCO (Rural and Suburban Settlement Company) baute insbesondere Häuser für deutsche Immigranten in Palästina und war später allgemein in der Baubranche tätig.
(98) Liste für die Verteilung der Zertifikate zur Palästina-Einwanderung.
(99) Ha-Sochnut ha-jehudit, hebr. für "Jewish Agency". Gemeint ist die Jewish Agency for Palestine, die die jüdische Bevölkerung gegenüber der brit. Mandatsregierung in Palästina vertrat.
(100) B III Zertifikate wurden an Schüler vergeben, deren Lebensunterhalt bis zur Berufsausübung gesichert war. D-Zertifikate erhielten in der Regel Ehefrauen, Eltern oder Kinder, die ein in Palästina lebender Angehöriger "angefordert" hatte, der auch ihren Unterhalt garantieren musste. Ein Studentenzertifikat bekam, wer nachweisen konnte, dass die Aufnahme an einer von der palästinensischen Regierung anerkannten Hochschule (z. B. der Universität Jerusalem) sowie die Lebenshaltungs- und Studienkosten für mindestens zwei Jahre gewährleistet waren.
(101) Am Ende folgende Ergänzung: "Zur sofortigen Intervention bei der Machleketh [hebr.: Abteilung] Alijah in Jerusalem. Die D-Zertifikatsinhaber Pohl /2 Köpfe/, Löwit/1 Kopf/ haben Visa, die am 16. September 1939 abgelaufen sind!"


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