Vom Nachttisch geräumt
Nirgends ein nijimu-Effekt
Von Arno Widmann
29.10.2018. Blieb auf der Oberfläche des Papiers und suchte seinen eigenen Weg zwischen Osten und Westen: Der Kalligrafie-Maler Julius Bissier.Julius Bissier (1893-1965) wurde nach dem Krieg für ein paar Jahre ein bekannter Künstler. Davor lebte er zusammen mit seiner Frau von ihren Webkünsten. Er wurde in Freiburg im Breisgau als Sohn eines französischen Mechanikers geboren. Seine Mutter stammte, so Wikipedia, aus einer Schwarzwälder Großbauernfamilie mit dem schönen Namen Vögtle. Den ersten Weltkrieg überstand Bissier bestens auf der Freiburger Postüberwachungsstelle. Zu seinen Kollegen, die dort ihren Militärdienst leisteten, gehörte auch Martin Heidegger. Bissier malte altmeisterlich, romantisch und im Stil der Neuen Sachlichkeit. Bis er dann in den Nazijahren für sich die asiatische Kalligraphie entdeckte. Es entstanden Tuschbilder auf Japanpapier, die selten größer als 17 mal 25 Zentimeter wurden. Mit ihnen eroberte er, gewissermaßen im Informel "embedded", nach dem Krieg die Biennale von Venedig, die Documenta in Kassel und vor allem amerikanische Museen.
Im Sommer konnte man seine Arbeiten im Museum für Neue Kunst in Freiburg im Breisgau sehen: "Im Raum meiner Imagination - Julius Bissier und Ostasien". Im Austellungskatalog erinnert Vera Wolf nicht nur an den Japonismus, sondern sie erinnert zum Beispiel auch an Okakura Kakuzo (1862-1913), dessen Buch vom Tee zu den auch in Europa weit verbreiteten Büchern der japanischen ästhetischen Theorie gehört. Der auch in Boston lehrende Okakura versuchte dem Westen den Osten als das ganz Andere, das vom Westen Verdrängte darzustellen. Er gehört zu jenen Autoren, die damals schon sich als globalisierte Weltbürger verstanden und gerade darum, Wert darauf legten, dass die Traditionen, aus denen sie kamen, einflossen in die neuen Ideen von der Welt. Die Tuschmalerei war für ihn ein Stück zu erringender Weltkultur. Bissier kannte die Schriften Okakura Kakuzos, der auch Heideggers Bild von Asien prägte. Wie weit die Tuschmalerei eine Möglichkeit war, abstrakt zu arbeiten ohne als abstrakter Maler zu gelten, davon berichtet Vera Wolf. Bissier nannte seine Arbeiten darum wohl "Töpferzeichnungen". Aber vielleicht handelte es sich nicht nur um ein Versteckspiel mit den nationalsozialistischen Kunstwarten. Vielleicht gab es auch Künstler, für die es wichtig war, ein altes, traditionsreiches Gewerbe auszuüben, um brechen zu können mit der europäischen Tradition. Man ist dann kein Neuerer mehr, sondern kann sich einreihen in eine lange, viel gefeierte Geschichte.
Bissier ging, alte Techniken, Formen und Materialien nutzend, einen eigenen Weg. Der Weg nach Osten war eine Möglichkeit, dem Westen zu entkommen. Wie die Künstler, die im Italien des 16. Jahrhunderts versuchten, das antike Drama wieder zu beleben, die Oper schufen, so gelang Bissier, durch die Nachahmung asiatischer Tuschmalerei etwas Eigenes. Ob er mit jenen kleinen kleinen Arbeiten wie "44 hinein" oder "45 nach außen nach innen - Spitzenblatt" zu sich kam, weiß ich nicht. Oder ist ein Blatt wie "29.9.61 JB" näher an ihm. Eine dumme Frage. Der Mann hat jeden Tag gearbeitet, immer wieder neue Blätter betuscht. Ich kenne eine Malerin, die auch jeden Tag zeichnete, malte, fotografierte. Sie begriff nicht, warum ihre schreibende Freundin nicht jeden Tag schrieb. "Man muss doch in Übung bleiben!" rief sie.
Julius Bissier und Ostasien - Im Raum meiner Imagination, Ausstellung im Museum für Neue Kunst in Freiburg, Katalog herausgegeben von Isabel Herda und Anna Hagdorn, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2018, 272 Seiten, deutsch und englisch, 420 Farb- und 8 S/W- Abbildungen, 39,95 Euro.
Im Sommer konnte man seine Arbeiten im Museum für Neue Kunst in Freiburg im Breisgau sehen: "Im Raum meiner Imagination - Julius Bissier und Ostasien". Im Austellungskatalog erinnert Vera Wolf nicht nur an den Japonismus, sondern sie erinnert zum Beispiel auch an Okakura Kakuzo (1862-1913), dessen Buch vom Tee zu den auch in Europa weit verbreiteten Büchern der japanischen ästhetischen Theorie gehört. Der auch in Boston lehrende Okakura versuchte dem Westen den Osten als das ganz Andere, das vom Westen Verdrängte darzustellen. Er gehört zu jenen Autoren, die damals schon sich als globalisierte Weltbürger verstanden und gerade darum, Wert darauf legten, dass die Traditionen, aus denen sie kamen, einflossen in die neuen Ideen von der Welt. Die Tuschmalerei war für ihn ein Stück zu erringender Weltkultur. Bissier kannte die Schriften Okakura Kakuzos, der auch Heideggers Bild von Asien prägte. Wie weit die Tuschmalerei eine Möglichkeit war, abstrakt zu arbeiten ohne als abstrakter Maler zu gelten, davon berichtet Vera Wolf. Bissier nannte seine Arbeiten darum wohl "Töpferzeichnungen". Aber vielleicht handelte es sich nicht nur um ein Versteckspiel mit den nationalsozialistischen Kunstwarten. Vielleicht gab es auch Künstler, für die es wichtig war, ein altes, traditionsreiches Gewerbe auszuüben, um brechen zu können mit der europäischen Tradition. Man ist dann kein Neuerer mehr, sondern kann sich einreihen in eine lange, viel gefeierte Geschichte.
Bissier ging, alte Techniken, Formen und Materialien nutzend, einen eigenen Weg. Der Weg nach Osten war eine Möglichkeit, dem Westen zu entkommen. Wie die Künstler, die im Italien des 16. Jahrhunderts versuchten, das antike Drama wieder zu beleben, die Oper schufen, so gelang Bissier, durch die Nachahmung asiatischer Tuschmalerei etwas Eigenes. Ob er mit jenen kleinen kleinen Arbeiten wie "44 hinein" oder "45 nach außen nach innen - Spitzenblatt" zu sich kam, weiß ich nicht. Oder ist ein Blatt wie "29.9.61 JB" näher an ihm. Eine dumme Frage. Der Mann hat jeden Tag gearbeitet, immer wieder neue Blätter betuscht. Ich kenne eine Malerin, die auch jeden Tag zeichnete, malte, fotografierte. Sie begriff nicht, warum ihre schreibende Freundin nicht jeden Tag schrieb. "Man muss doch in Übung bleiben!" rief sie.
Julius Bissier und Ostasien - Im Raum meiner Imagination, Ausstellung im Museum für Neue Kunst in Freiburg, Katalog herausgegeben von Isabel Herda und Anna Hagdorn, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2018, 272 Seiten, deutsch und englisch, 420 Farb- und 8 S/W- Abbildungen, 39,95 Euro.
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