Vom Nachttisch geräumt

Sie hat ja Schokolade

Von Arno Widmann
04.12.2016. Sind nicht mehr handtellerklein: Schmunzel-Bücher über die Ehefrau, den Ehemann, die Midlife Crisis und Dating im Postfeminismus.
Im längst verstorbenen Frankfurter Verlag Bärmeier und Nikel, berühmt vor allem als Verlag des Satiremagazins Pardon,  erschienen in den Jahren 1955 bis 1970 die "Kleinen Schmunzel-Bücher". Sie waren 24 - 77 geklammerte Seiten dünn und illustriert, 7 mal 6 Zentimeter klein und jedes hatte eine Kordel, mit der man das Büchlein an ein "richtiges" Geschenk binden konnte. Autoren waren u.a. Robert Gernhardt, Kurt Halbritter, Gerd Hüsch, Loriot, Chlodwig Poth, Anton Schnack mit Bele Bachem und F.K. Waechter. Die Bändchen waren billiger als eine halbe Schachtel Zigaretten und extrem beliebt. Man brauchte keine fünf Minuten, dann hatte man sie durch, hatte zwei-, drei Mal gelacht und reichte das Büchelchen weiter. "Unentbehrlicher Ratgeber für das Benehmen in feiner Gesellschaft" hieß Loriots Beitrag zu den Schmunzel-Büchern. Für ihn muss man heute im Antiquariat mehr als 18 Euro auf den Tisch legen. Chlodwig Poths "Taktik des Ehekrieges" ist schon für 4 Euro zu haben. Die erweiterte Fischer Taschenbuchausgabe dagegen schon für einen halben.

Ich erinnere daran, weil im Lübbe-Verlag gerade vier Bände einer ähnlichen, aber doch auch ganz anders konzipierten Reihe erschienen sind. Sie tragen die Titel "Midlife Crisis", "Die Ehefrau", "Der Ehemann", "Dating". Als Untertitel jeweils: "Ein Handbuch". Die Titel entsprechen denen von Bärmeier und Nikels Schmunzel-Büchern. Was heute zum Beispiel "Dating" heißt, war damals  Chlodwig Poths "Taktik der Verführung". Mit all den Unterschieden, die u.a. Feminismus und Postfeminismus so mit sich bringen. Man ist auch ebenso schnell fertig mit ihnen. Hier werden freilich nicht deutsche Humoristen auf deutsche Gewohnheiten losgelassen, sondern es handelt sich um Übersetzungen aus dem Englischen. Im Vereinigten Königreich sind bereits acht Bände erschienen. Sie verkaufen sich so gut, dass der Verlag inzwischen eine Million Exemplare hat drucken lassen, um der ständig steigenden Nachfrage Herr zu werden.

Die Serie ist die Parodie einer in den sechziger und siebziger Jahre erschienenen Reihe von Ladybird Books. Die freilich auch schon parodistisch angelegt waren. Auch der Humor lebt im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Die neuesten Parodisten der Parodisten heißen Jason Hazeley und Joel Morris. Sie schreiben sonst Texte für TV-Comedy-Shows. Edith Beleites, Romanautorin und Übersetzerin, hatte damit bisher nichts zu tun. Ich mag die Lakonie ihrer deutschen Version: "Bei einem Date lernt man jemanden kennen, der nicht allein sterben will - genau wie man selbst." Man muss aber vielleicht doch schon Großvater sein, um Sinn zu haben für diese Art von Humor. Die Texte stehen links, ihnen gegenüber immer eine ganzseitige Abbildung. Links von dem Bild einer angebrochenen Tafel Schokolade liest man: "Wenn eine Ehefrau traurig ist, isst sie Schokolade. Das macht sie glücklich. Doch dann denkt sie an ihre Figur und wird wieder traurig. Aber sie hat ja Schokolade." 

Der Text ist 22 Punkt groß. Zwischen den Sätzen zwei Leerzeilen. Man kommt wirklich in Windeseile durch so ein Buch durch. Die Lübbe-Bände sind  allerdings - anders als die Schmunzel-Bücher - fest gebunden. Sie kosten 8 Euro. Die Schmunzelbücher lebten damals davon, dass sie eine Nichtigkeit waren. Etwas, das man um die Sektflasche oder die Pralinenschachtel hing. Die Miniaturform einer Kleinigkeit, die man den Gastgebern mitbrachte. Heute muss selbst das Mitbringsel eines Mitbringsels etwas hermachen. Es darf nicht handtellerklein sein. Es muss mindestens so groß sein wie die ganze Hand. Und es muss importiert sein. Sonst trauen die Verlagskonferenzen so viel Bedeutungslosigkeit nichts zu. Selbst Understatement muss fest auftreten.

J.A. Hazeley und J.P. Morris: Dating, Die Ehefrau, Der Ehemann, Midlife Crisis, Lübbe Verlag, Köln 2016, aus dem Englischen von Edith Beleites, pro Band 54 Seiten, farbige Abbildungen, 8 Euro.