Vom Nachttisch geräumt

Eine vielleicht doch etwas zu ausführliche Antwort

Von Arno Widmann
17.08.2017. Gewaltige Massenkotzerei bei Bodo Kirchhoffs "Einladung zu einer Kreuzfahrt"
Der Schriftsteller wird zu einer Kreuzfahrt durch die Karibik eingeladen. Freie Fahrt, freier Aufenthalt in einer Außenkabine mit Balkon gegen täglich eine Lesung. Allerdings hat die Reederei noch ein paar Fragen. Sie möchte zum Beispiel wissen, wie es mit seiner Gesundheit steht, vor allem aber soll er sagen, was er vorlesen wird. Die Reederei möchte nicht, dass die möglichen Zuhörerinnen und Zuhörer Anstoß nehmen könnten an dem,  was der Schriftsteller, der Edutainer, ihnen vorliest.

Der Schriftsteller beantwortet die Fragen, mal gut-, mal schlecht gelaunt. Vor allem aber wächst sich die Antwort, die, wie er selbst schreibt, gut auf einer Seite hätte bewerkstelligt werden können, zu einem Text von 120 Seiten aus, auf denen er gleichermaßen mit Kreuzfahrtreisen und ihrer Verachtung ins Gericht geht.

Er stellt Gegenfragen. Zum Beispiel: Was für Direktiven hat der Kapitän für den Fall auftauchender kenternder Flüchtlingsboote? Rauscht er majestätisch mit seinen 2000 Mann Personal und den 5000 Gästen an ihnen vorbei oder stoppt er, um die Flüchtlinge zu bergen, und räumt er ihnen Liegestühle auf dem Zwischendeck ein? Die 120-Seiten-Antwort ist ein Monolog, ein immer wieder von neuem alten Whiskey angefeuerter Monolog. Es gibt Stellen darin, da kommt der Briefschreiber richtig in Schwung, da steigert er sich in einen Wahn hinein, der den Leser begeistert, weil er den Brief aus der pingelig-biederen Welt der Schriftstellerei und ihres Kundenverkehrs hinaus reißt. Zum Beispiel, wenn es darum geht, wie verhindert wird, dass Magenviren, die man sich bei dem einen oder anderen Landgang einfangen könnte, eingeschleppt werden auf das Schiff und dort zu gewaltigen Massenkotzereien führen.

Bodo Kirchhoff findet schönere Worte dafür, und er versteht es auch deutlich besser, Höhepunkte zu arrangieren, aber leider sind diese Ausschweifungen für einen so grob gestrickten Leser wie mich zu selten. Es gibt andere Schönheiten im Buch, die ich sehr genieße. Zum Beispiel die Seite 98. Da gibt es einen langen Satz, und als der schon die Hälfte der Seite okkupiert, da interveniert der Schriftsteller und erklärt: "Nun wird dieser Satz leider etwas lang, es fällt eben schwer, einen Punkt zu machen, wenn noch so vieles zu sagen ist und ohnehin ein Wort das andere gibt, folglich muss man es einfach tun." Diese Stelle liebe ich. Ich mag es, wenn der Autor sich ab und zu sehen lässt. Hier tut er es besonders schön. Mit diesem gekonnten, die Richtung ändernden Stemmbogen: "folglich muss man es einfach tun" Punkt. Das ist schon sehr schön.

Kirchhoff schillert auch gerne. Er spielt mit Sentenzen, Merksätzen. Zum Beispiel diesem:  "Dumm wie Brot, jedoch gespickt mit Manieren". Auch die Kritik daran kommt als solcher daher: "Ein Mann, ein Wort, das gilt an Land wie auf See. Zwei Männer allerdings, und schon hat man Sprüche."

Bodo Kirchhoff: Betreff: Einladung zu einer Kreuzfahrt, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2017, 126 Seiten, 18 Euro