Virtualienmarkt

Portalschaden bei Bild.T.Online

Von Robin Meyer-Lucht
27.08.2004. Mit Walter Gunz erhält Bild.T-Online nun schon den dritten Chef in dreieinhalb Jahren. Doch das Portal leidet nicht nur unter Managementfehlern, sondern steckt mit seinem Printerbe auch zwischen allen Stühlen fest.
Mit Walter Gunz erhält Bild.T-Online nun schon den dritten Chef in dreieinhalb Jahren. Doch das Portal leidet nicht nur unter Managementfehlern, sondern steckt mit seinem Printerbe auch zwischen allen Stühlen fest.

Der nächste Chef von Bild.T-Online wird ein Kaufhauskönig sein. Walter Gunz, Mitbegründer der Media Märkte, wird die Leitung der Site Ende des Jahres übernehmen (mehr hier). Das Signal dieser Personalentscheidung ist klar: Bild.T-Online wird in Zukunft noch mehr Volkshandys, Volkshaartrockner und Volksdrucker über Site und Zeitungsbeilage vertreiben. Bild.T-Online wird zum Versandhauskatalog und Gunz hat die richtigen Kontakte dafür.

Vor drei Jahren startete Bild.T-Online mit einer universellen Internet-Eroberungsstrategie. Das "Nachrichten- und Unterhaltungsportal" sollte alles zugleich sein: Es sollte die publizistische Wucht der Bild auch online entfalten, es sollte ein Portal sein, es sollte ein E-Commerce-Vermittler sein. Ziel der Site war es, die hochprofitable Markte Bild gestützt auf T-Online hochprofitabel ins Internet zu übertragen. Doch viele Pläne zündeten nicht.

Ihre Rettung suchte die Site in einer Art publizistischen Variante des Einkaufsfernsehens: Das Kerngeschäft von Bild.T-Online besteht inzwischen vor allem darin, auf der Site und in einer Beilage der Bild-Zeitung die Waren von Kooperationspartnern als "Volksprodukte" zu bejubeln und für den entsprechenden Absatz zu sorgen. Deutlich mehr als eine halbe Million Euro verlangt das Unternehmen, um eine derartige Verkaufsförderung einzuleiten. Mehr als 30 Volksprodukte kamen seit Januar 2003 auf den Markt (mehr hier). Walter Gunz wird diesen Geschäftsbereich weiter ausbauen. Seine Ernennung zeigt, wo Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner auch zukünftig den Schwerpunkt des Angebots sieht.

Man könnte nun höhnisch anmerken, Döpfner setze auf das Internet als Verkaufskanal, weil sein Verlag dort publizistisch gescheitert sei. Tatsächlich hat die Online-Präsenz von Bild in den letzten Jahren einen furiosen Schlingerkurs mit vielen konzeptionellen und technischen Schwächen hingelegt. Doch die Probleme liegt tiefer, nicht allein auf der Ebene von Personen oder mangelnder publizistischer Entschlossenheit.

Der für die Zeitung entwickelte Boulevardstil von Bild tut sich schwer im Internet, weil er inhaltlich und ökonomisch für ein anderes Medium entwickelt wurde. Er passt nicht nahtlos zum neuen Medium und entfaltet sich dort schwer. Auch in vielen anderen Ländern tut sich der klassische Print-Boulevard online schwer. Die Gründe sind zumeist ähnlich:

Boulevard-Zeitungen sind zumeist Monopolisten in ihrem Print-Markt. Sie besetzen ein ganzes journalistisches Genre allein. Mit ihrer Site machen sie daher vor allem sich selbst Konkurrenz. Die Kannibalisierungsangst ist groß. Die Neigung, das einträgliche Print-Geschäft für eine Online-Expansion aufs Spiel zu setzen, ist gering.

Unter den Zeitungen ist Boulevard das reichweitenstärkste Format. Im Internet ist das anders: Hier sind die Portale die Könige der Massen. Sie haben größre Reichweiten als Boulevard-Sites, ein nicht minder werberelevanteres Publikum und kein schmuddeliges redaktionelles Umfeld. Aus diesem Gründen fällt das Werbegeschäft auf klassischen Boulevard-Sites zumeist sehr enttäuschend aus.

Angesichts des schwachen Werbegeschäfts war es nur konsequent, dass Döpfner und der alte Bild.T-Online-Chef Peter Würtenberger wiederholt ankündigten, auf der Site demnächst Bezahlinhalte einführen zu wollen. Doch aktuelle printjournalistische Inhalte, ob sie nun aus der Bild oder der New York Times stammen, sind - und das ist eine bittere Lehre auch für alle Printjournalisten - den Online-Leser nicht erkennbar differenziert genug, um dafür über die Bezahlschwelle zu springen.

Bild.T-Online steckt mit seinem Print-Erbe zwischen allen Stühlen fest. Im Werbemarkt tut sich die Site extrem schwer. Verkaufen kann sie ihre publizistischen Inhalte aber auch nicht. Klassischer Print-Boulevard ist online nahezu nicht überlebensfähig. Daher die Volks-Strategie. Daher Gunz.

Um online publizistisch erfolgreich zu sein, hätte sich die Site frühzeitig anders ausrichten müssen. Sie hätte auf einen nachrichtlicheren, zurückhaltenderen Boulevard setzen müssen, um neue und breitere Nutzergruppen anzusprechen. Damit wäre die Site in Gefilde vorgedrungen die nun längst Spiegel Online mit seiner Qualitätsboulevard-Strategie besetzt hat. Doch eine solche Neuausrichtung verhinderte das Markenerbe, der späte Neustart, die konkurrenztüchtige Verlagskultur beim Axel Springer Verlag und die Zielkonflikte eines Joint Ventures.

Statt dessen wirkt das Angebot bis heute wie ein Provisorium: Das Layout ist kleinteilig und wirr, die Navigation unübersichtlich, die Texte lassen sich nicht über eine URL adressieren. Es gehört schon zu den Großtaten des letzten Mini-Relaunch, dass die "Post von Wagner" nun auffindbar ist. Welches die aktuelle Print-Titelgeschichte ist, bleibt weiter unklar.

Bild.T-Online wird von seinen Lesern nicht geliebt. Die Site hat zwar viele unterschiedliche Besucher pro Monat. Die aber schauen nur selten vorbei. Sie ist die Online-Präsenz einer Tageszeitung, kein ausgewachsenes Online-Nachrichtenangebot.

Über Walter Gunz gibt es nur wenige Medienberichte. Er soll aber einmal gesagt haben, Kreativität werde gelähmt durch Neid und die Angst vor dem Scheitern. Es sei kein Wunder, dass gegängelte Untergebene nicht innovativ seien (vergleiche hier). Wenn Gunz konsequent ist, dann teilt er Bild.T-Online in zwei Bereiche auf: Den einen nennt er Bild Shop und für den anderen sucht sich einen eigensinnigen, unabhängigen Redaktionsleiter.