Virtualienmarkt

Datenschutz im Internet

Ein ewiges Ausharren in der Grauzone. Von Robin Meyer-Lucht
17.09.2003. Das deutsche Datenschutzrecht setzt Site-Betreibern enge Grenzen. Darüber schweigen sie sich lieber aus.
Das deutsche Datenschutzrecht setzt Site-Betreibern enge Grenzen. Darüber schweigen sie sich lieber aus.

Zur Hype-Folklore um das Internet gehörte einst auch das Versprechen, es sei ein Werbemedium von überlegener Zielgenauigkeit: Mit Hilfe technisch-algorithmischer Tricks würden sich Zielgruppen online viel treffsicherer ansteuern lassen. Auf derartigen Annahmen fußten die hohen Voraussagen für den Online-Werbemarkt und damit der Sog kommerzieller Anbieter ins Netz.

Inzwischen nutzen journalistische Sites in den Vereinigten Staaten derartige "tageting"-Mechanismen tatsächlich erfolgreich. Vorreiterin war die New York Times, die bereits seit 1996 eine Nutzer-Registrierung verlangt. Auf Basis der demographischen Daten und des individuellen Leserverhaltens platziert sie nun immer häufiger Werbung für spezielle Nutzergruppen. Auch die Site der Washington Post oder CBSMarketwatch.com setzten zunehmend auf diese Technik.

In Deutschland begann im Juni eine der großen überregionalen Sites, stufenweise eine Registrierungspflicht einzuführen. Doch die Übernahme amerikanischer Verhältnisse dauerte nur wenige Tage. Das deutsche Datenschutzgesetz ließ die Geschäftsführung zurückrudern.Das "Teledienste-Datenschutzgesetz", kurz TDDSG, regelt nämlich, dass ein Anbieter nur wirklich erforderliche Daten abfragen darf. Mit anderen Worten: Daten abpressen ist verboten. Eine pseudonyme und anonyme Nutzung sei wo immer möglich zu gewährleisten, wie der Hamburger Datenschutzbeauftragte in einem pdf-Dokument erläutert.

Seine Ausführungen zum TDDSG geraten zur Thriller-Lektüre. Auch die pseudonyme Überwachung durch "Cookies", die für längere Zeit beim Nutzer gespeichert bleiben, unterliege nämlich strengen Regeln. Der Nutzer muss jeweils genau über die Datenerhebung und auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen werden. Dies habe "zu Beginn des Nutzungsvorgangs" zu passieren, so das Gesetz.

Das TDDSG mag vorerst die Registrierungspflicht auf großen journalistischen Sites in Deutschland verhindert haben - doch um die Regelungen zur pseudonymen Überwachung mogeln sich viele Anbieter herum. So offenbart ein Blick auf die Festplatte dieses Autors Cookies der beiden großen überregionalen deutschen Tageszeitungssites. Daneben platzieren inzwischen auch einige deutsche Online-Vermarkter hemmungslos ihre kleinen Datenpakete.

Die Anbieter stellen sich dabei auf den Standpunkt, die Anfrage beim Browser, ob ein Cookie gesetzt werden darf, reiche aus. Ihrer Unterrichtungspflicht enthalten Sie sich vornehm. Auf den Einstiegsseiten und in den Impressi von Sueddeutsche.de und FAZ.net fehlen jeweils Hinweise zu Umgang mit Daten und Cookies. Mobile.de ist da weiter.

Gegen die Überwachung von öffentlichen Plätzen mit Video-Kameras gibt es Demonstrationen und Kunst-Happenings. Der lose Umgang mit Cookies in Deutschland kümmert dagegen kaum jemanden. Die Anbieter hoffen auf eine schleichende Amerikanisierung - mit der Perspektive, das Gesetz dann später ändern zu können. Die Nutzer halten Cookies wohl schlicht für unwirksam, nehmen sie gar nicht wahr oder pfeifen auf ihr Datenschutzrecht. Dass sich Gerichte in den letzten Jahren mit dem Thema beschäftigt hätten, ist nicht bekannt geworden. Die professionellen Datenschützer haben vor der Überwachtungsvielfalt des Internets kapituliert.

So unterbleibt ein Dialog zwischen Anbietern, Nutzern und Politik über einen "fairen" und legitimen Einsatz von Online-Überwachungsmechanismen. Eine Diskussion über einen angemessenen Ausgleich zwischen Industrie- und Nutzerinteressen findet nicht statt. Langfristig kann das für keine Seite gut sein. Doch bislang wird das Thema lieber totgeschwiegen.

Ganz legal ist es in Deutschland übrigens schon heute, Online-Werbung allein Surfer mit bestimmter Domain-Adressen-Herkunft auszuliefern. So ist eine Platzierung nur für Nutzer aus der "Deutschen Bank" oder dem Bundestag buchbar. Von dieser Möglichkeit wissen jedoch nicht einmal viele Werbeplaner. Über die Rahmen-Bedingungen von Online-Werbung wird noch zu reden sein.