Günther Rühle

Ein alter Mann wird älter

Ein merkwürdiges Tagebuch
Cover: Ein alter Mann wird älter
Alexander Verlag, Berlin 2021
ISBN 9783895815768
Gebunden, 232 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Gerhard Ahrens. Günther Rühle bekennt in seinen Tagebüchern, dass er es bisher trotz aller tätigen Reflexion am Theater versäumt habe, über sich selbst zu reflektieren. Vielmehr habe er "neunzig Jahre gebraucht, bis ich ein Verhältnis zu mir selbst bekam".Rühle, der vor dem Verlust des Augenlichts sich für sich nur in Arbeitszusammenhängen interessiert hat, horcht nun in sich hinein und erlebt die merkwürdigsten Dinge. Er hört Stimmen, die von innen kommen und ihn auffordern: "Tu endlich, was du im ganzen Leben verweigert hast! Denk für dich nach." Das Für meint wohl auch, dass er über sich endlich nachzudenken habe. Aber da spricht es wieder in ihm: "Das ist die Angst vor dir selbst." Ein Satz, den er wie ein Orakel wahrnimmt:"In diesen Tagebucheinträgen gebe ich zum ersten Mal was von mir preis. Ich formuliere zum ersten Mal was von innen drin, das ich selbst nicht kannte, vielleicht auch nicht wissen wollte. Ich habe mich immer nur erforscht in und durch Arbeit. Sie ist mir entzogen. Jetzt horche ich in mich, die Richtung ist umgekehrt. Natürlich quält mich jetzt selbst diese Verlassenheit, diese Einsamkeit mit ihren Stößen von Unmut, Zorn und Widerwillen, in denen ich auch meinen Vater und die Mutter zurückließ, als ich ins eigene Leben aufbrach. Als mich meine Familie forderte, was ich versäumte im eigenen Vielerlei. Ist jetzt die Stunde der Abrechnung mit sich selbst. Sucht man vor der Fahrt in die Grube nach einem guten Gewissen?"

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.11.2021

Rezensent Stephan Speicher liest die von Gerhard Ahrens herausgegebenen Tagebucheinträge des Theaterkritikers Günther Rühle mit viel Sympathie für den Autor. Wie Rühle über das Alter und den Verlust der Seh- und Lesefähigkeit berichtet, rührt Speicher das Herz. Dass sich der Autor nunmehr vom Publikum weg und sich selbst zuwendet, kann der Rezensent verstehen. Zu lesen ist laut Speicher Slapstickhaftes über die "neuen Schwächen" des Autors, über das Gewahrwerden eigener Schuld (Rühle ist Jahrgang 1924) sowie das Glück der Verschonung. Ganz ohne Hoffnung ist das Buch aber nicht, versichert der Rezensent. Es vermittelt Eindrücke des Alters, die für jüngere Leser interessant sein könnten, glaubt er.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.10.2021

Rezensent Wilhelm von Sternburg liest das "merkwürdige Tagebuch" Günther Rühles mit großem Interesse. Der Theaterkritiker und zwischenzeitliche FAZ-Feuilleton-Chef gibt in dem Buch nach der gescheiterten Vollendung eines dritten Theaterbandes Einblicke in sein Inneres, das geprägt ist von Spontaneität, Wut und Erinnerungen, erklärt Sternburg. Der Rezensent staunt über das Buch und freut sich, dass Rühle am Ende seines langwierigen Schaffens doch noch die so lang ersehnte Erkenntnis finden konnte.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.09.2021

Rezensent Simon Strauß scheint sich nicht zu langweilen mit Günther Rühles persönlichem Lebensrückblick. Die Tagebuchnotate des alternden Autors überzeugen Strauß allerdings weniger durch das akribische Festhalten der Toilettengänge als durch den Rückblick auf Rühles bewegte Zeiten als Theaterkritiker und Intendant. Über Thomas Bernhards pickeliges Gesicht und Frankfurter Fassbinder-Skandale kann Rühle abwechslungsreich und pointensicher berichten, so Strauß. Der Körper mag erlahmen, aber dieser Geist ist in Bewegung, stellt Strauß fest.
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