Bernardo Kucinski

K. oder Die verschwundene Tochter

Roman
Cover: K. oder Die verschwundene Tochter
Transit Buchverlag, Berlin 2013
ISBN 9783887472887
Gebunden, 144 Seiten, 16,80 EUR

Klappentext

Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Sarita Brandt. São Paulo in den siebziger Jahren. K. wartet seit vielen Tagen auf ein Lebenszeichen seiner Tochter, Dozentin an der Universität São Paulo: dort sei sie seit zwei Wochen nicht mehr erschienen. Bis er schließlich auf Umwegen erfährt, dass sie seit Jahren ein Doppelleben führte und mit ihrem Mann verdeckt politisch arbeitete. K. glaubte seine Tochter genau zu kennen und hielt sie für völlig unpolitisch. Und er begreift nicht, warum gerade er, der Mitte der dreißiger Jahre in Polen selber Mitglied einer jüdischen Widerstandsgruppe war, auffällige Indizien im Verhalten seiner Tochter falsch eingeschätzt hatte. Sein Leben besteht danach aus einer doppelten Suche: Er will herausfinden, wer seine Tochter wirklich war, und, am wichtigsten: ob sie noch lebt. Diese Suche provoziert Erinnerungen an seine eigene Jugend. So verschränkt sich brasilianische überraschend mit europäischer Geschichte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.12.2013

In die Geschichte über einen Vater, der sich auf die Suche nach seiner Tochter begibt, die sich, eigentlich auf bestem Wege, eine bürgerliche Karriere einzuschlagen, in den 60ern dem linken Widerstand gegen die brasilianische Militärdiktatur anschließt und dabei verschwindet, hat Bernardo Kucinski, als Sohn jüdischer Einwanderer 1937 in Brasilien geboren, auch viel seiner eigenen Familiengeschichte eingeschrieben, erklärt Kersten Knipp: Der politische Mord an seiner Schwester im Jahr 1964 und der Widerstand gegen das NS-Regime in den 40ern bilden hier den Background. Im Vordergrund aber stehen die Erfahrungen der Hinterbliebenen derjenigen, die sich - womöglich wider jede Aussicht auf einen Triumph - widerständischen Bewegungen anschließen und in den Tod gehen: Wie der Ich-Erzähler, der Vater selbst, seinen eigenen psychischen und menschlichen Verfall auf der Suche nach seiner Tochter und den zermürbenden Einforderungen, der Staat möge Klarheit in die Sache bringen, beobachtet, beschreibt Kucinski mit einer "Sensibiliät und Genauigkeit", die die Rezensentin bestürzt zurücklässt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.08.2013

Bernardo Kucinski, Journalist und Berater des brasilianischen Expräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, arbeitet in seinem Roman "K. oder Die verschwundene Tochter" das Schicksal seiner Schwester Ana auf, die in den Jahren der Diktatur als Teil einer Stadtguerilla Widerstand leistete und schließlich verschwand, berichtet Lutz Taufer. Die Fiktionalität des Romanraums erlaubt es Kucinski, einen "Wimpernschlag von den realen Personen und Ereignissen entfernt" innerlich ausreichende Distanz zu gewinnen, um dieses Buch überhaupt schreiben zu können, erklärt der Rezensent. Häufig begleitet die Geschichte K., den Vater der im Roman verschwundenen Chemie-Dozentin Ana, der sich Vorwürfe macht, weil er nicht bemerkt hat, in welchen Kreisen sich seine Tochter bewegt hat, den aber auch seine eigene Geschichte im jüdischen Widerstand umtreibt. K. macht sich daran, Nachforschungen anzustellen, und Kucinski fährt eine ganze Reihe von Akteuren auf, die ihm dabei helfen oder hinderlich sind und die ihm allesamt ungemein menschlich gelingen, fasst der Rezensent zusammen. Dieses Buch ist Aufklärung und Gedächtnisarbeit im besten Sinne, lobt Taufer, und ein wenig ist es auch ein therapeutischer Bericht.