Peter Nadas

Behutsame Ortsbestimmung

Zwei Berichte
Cover: Behutsame Ortsbestimmung
Berlin Verlag, Berlin 2006
ISBN 9783827004024
Gebunden, 80 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Aus dem Ungarischen von Heinrich Eisterer. Die alten Gebräuche und Götter werfen lange Schatten bis in die Gegenwart. Noch wird in dem Dorf nichts mit Geld bezahlt. Ein Tauschhandel aus Materialien, Naturalien und Arbeit regelt den internen Verkehr. Man grüßt sich nicht, redet aber sofort miteinander, wenn auch nicht im Dialog. Handlungen und Wahrnehmungen scheinen kein Subjekt zu haben. Jeder hat Teil an einem kollektiven, mythisch-mahischen Wissen. Peter Nadas gibt uns in "Behutsame Ortsbestimmung" einen verstörenden Einblick in eine uns fremde, geradezu archaische anmutende Dorfgemeinschaft im Westen Ungarns. Der Autor erinnert sich noch an die Zeit, als die Nachbarn unter dem riesigen Wildbirnenbaum auf seinem Hof leise singend an der großen Dorfgeschichte spannen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 28.12.2006

Als "Riesenbuch" von knapp achtzig Seiten feiert Rezensent Martin Lütke diesen Band mit zwei Essays des ungarischen Schriftstellers. Denn darin ist Peter Nadas aus Sicht des Rezensenten etwas gelungen, was in der Literatur nur selten gelingt: nämlich eine "ganze Welt" und einen "Zipfel der Ewigkeit" zu umfassen. Die beiden Essays beeindrucken Lütke mit einer dichten, poetischen Beschreibung hoch abstrakter Gegenstände wie dem Verhältnis von Mensch, Geschichte und Natur sowie dem eigenen Tod. In seinem Essay "Behutsame Ortsbeschreibung" kann Nadas den Rezensenten beeindrucken, weil er darin fast zwanglos die Natur, in der er lebt und die Geschichte, die über sie hinwegging, zusammenzudenken versteht. Im zweiten Essay "Der eigene Tod" begeistert ihn Nadas, weil es hier gelingt, ein eigentlich unmögliches Thema durch eine seltene "Form der Genauigkeit der Beobachtung, Wahrnehmung" von Prozessen in Körper und Bewusstsein spürbar zu machen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 13.12.2006

"Klug" ist die einzige Wertung, die sich Martin Krumbholz über die zwei Erzählstücke Peter Nadas' abringen lässt. "Durchaus komische und groteske" Details entdeckt er im ersten Text, in dem Nadas über seinen Herzinfarkt erzählt, den er so lange ignorierte, bis es fast zu spät war. Die Beschreibung des westungarischen Dorfes, in das Nadas gezogen ist, hat für Krumbholz beinahe "ethnologischen" Charakter. Nadas seziere die soziale Struktur des Örtchens, ohne sich aber über seine Mitbürger zu erheben oder sie zu kritisieren. Die Passagen über die ersten freien Wahlen zeigen Krumbholz schließlich anhand der Schilderung der "schockgefrorenen atavistischen" und offenbar bruchlos aus dem Sozialismus hinübergeretteten Zustände im Dorf, was Demokratie ausmacht.