Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
26.05.2003. In dieser Woche lesen Sie: Welches Buch Marcel Reich-Ranicki in Elke Heidenreichs Sendung "Lesen" am 10. Juni vorstellen wird. Und welches Buch demnächst mit einer Startauflage von 8,5 Millionen Exemplaren auf den amerikanischen Markt geht - und das zum stolzen Preis von 29,99 Dollar. Von Hubertus Volmer

buchreport.express

Mit dem "Käuferstreik" sei auch die "Kundenfrequenz in den Keller gerutscht", schreibt der buchreport. Bei der letzten Umfrage des Blattes zur Umsatzentwicklung habe "die überwiegende Mehrheit der Sortimenter in der Spalte 'Kundenfrequenz' einen Minuswert notiert"; nicht nur die Zahl der Käufer sei in den ersten vier Monaten dieses Jahres zurückgegangen, sondern auch die Zahl der Besucher, die sich nur umsehen, aber nichts kaufen. Je weniger Kunden aber in die Buchhandlungen kommen, "desto geringer wird die Chance von Impulskäufen". Viele Geschäfte seien außerhalb der Haupteinkaufszeiten oft leer. "'Was den Buchhandel anbetrifft', so der Hannoveraner Betriebsberater Johannes Immken, 'so ist er aus eigener Kraft nicht in der Lage, diese Entwicklung aufzufangen.'" Erst wenn sich die "Gesamtstimmung" bessere, werde auch der Buchhandel davon profitieren.

Von der Kaufzurückhaltung sei auch Thalia, die Buchsparte der Douglas Holding, betroffen. In den ersten vier Monaten des Jahres habe sie ihren Umsatz zwar um 22 Prozent auf 99 Millionen Euro steigern können, "aber nur durch den Ausbau ihres Filialnetzes". Flächenbereinigt sei der Umsatz auch bei Thalia um 4,3 Prozent zurückgegangen.

Josef Taus, Ex-ÖVP-Chef und 25-prozentiger Gesellschafter des "Gemischtwarenhändlers Libro" will den Büchern wieder eine wichtigere Rolle im Unternehmen geben. Im "Strudel der Insolvenz und des anschließenden Konkurses" seien Bücher auf einen Umsatzanteil von unter 20 Prozent zurückgefallen. Von den beiden Geschäftsführern verlange Taus für das laufende Jahr einen Umsatz von 200 Millionen Euro.

Die Versandbuchhändler haben sich gegen den "allgemeinen Minus-Trend" behaupten können: "Auch 2002 konnten die Mitglieder des Bundesverbandes der Deutschen Versandbuchhändler e.V. wieder ein Plus bilanzieren. Sie haben 840 Millionen Euro Umsatz gemacht (+5%)", schreibt der buchreport. Allerdings ist das Umsatzplus ungleich verteilt: Der Online-Buchhandel legte 2002 um 50 Prozent zu (auf 340 Millionen Euro). Der Bertelsmann Club setzte acht Prozent weniger um. Die übrigen klassischen Versandhändler bilanzierten "stagnierende oder sinkende Umsätze" - mit einer Ausnahme: Weltbild.

Der buchreport meldet Zahlen vom amerikanischen Harry-Potter-Verlag Scholastic: Die Startauflage von "Harry Potter and the Order of the Phoenix" liegt bei 8,5 Millionen Exemplaren - das ist "die höchste Auflage für ein Hardcover in der Geschichte des US-Buchmarktes". Der "ebenfalls rekordverdächtige" Preis liegt bei 29,99 Dollar. Passend zur Rekordauflage habe Scholastic "einen Werbeetat in Rekordhöhe eingeräumt; laut Wall Street Journal dürften es drei bis vier Millionen Dollar sein.

Die Buchkampagne der BBC, "The Big Read" ist in Großbritannien mittlerweile "allgegenwärtig". Schaufenster und Eingangsbereiche von Buchhandlungen seien voll mit "Big Read"-Promotions. "Auf Büchertischen stapeln sich die Lieblingsbücher der Nation, aus denen bis zum Spätherbst schließlich 'das' Buch aller Zeiten gewählt werden soll". An der ersten Telefon- und Online-Abstimmung hätten sich 140.000 Briten beteiligt.

Weitere Meldungen: In Berlin eröffnen Ursula und Regine Kiepert unweit des alten Kiepert-Hauses am 14. Juni eine neue Buchhandlung. Der DuMont Reiseverlag sieht sich gezwungen, Mitarbeiter zu entlassen: "Unsere Lage spiegelt exakt die Gesamtsituation in der Touristikbranche", sagt Geschäftsführer Andreas von Stedman. Der Wirtschaftsfachverlag Gabler und die Financial Times Deutschland starten ein gemeinsames Buchprogramm. Der Schweizer Nord-Süd-Verlag hat Liquiditätsprobleme und hat bei Gericht eine so genannte Nachlassstundung beantragt; laut buchreport entspricht dies in etwa dem deutschen Antrag auf Insolvenz. Weiter meldet der buchreport, dass einige Verlage dazu übergegangen seien, Druckfahnen für Journalisten und Buchhändler im PoD-Verfahren zu produzieren; der Berlin Verlag lässt gar seine Leseexemplare als PoDs herstellen. Und das Lesefestival "Criminale 2003" meldet einen Besucherrekord.

Schließlich: die Bestsellerlisten. Die Spätfolgen von Elke Heidenreichs neuer Büchersendung sind noch immer sichtbar: "Ein alter Traum von Liebe" von Nuala O'Faolain steht auf Platz eins. Sichtbar sind übrigens auch die Folgen der Ankündigung einer höheren Tabaksteuer: Auf der Taschenbuch-Bestsellerliste steht "Endlich Nichtraucher!" auf Platz vier.

Börsenblatt

Marcel Reich-Ranicki wird nach Harald Schmidt der zweite Gast in Elke Heidenreichs "Lesen!" sein. Die Sendung wird am 10. Juni ausgestrahlt; Reich-Ranicki wird Undine Gruenters Roman "Sommergäste in Trouville" vorstellen (und zweifellos ausführlich loben). Ein weiterer Bestseller steht fest: "Bittere Mandeln" von Max Aub; dieses Buch sei ebenfalls auf der Titelliste der Sendung.

Die Heidelberger Mitarbeiter des Fachinformationsverlags BertelsmannSpringer haben gelassen auf den Verkauf ihres Unternehmens an die britischen Investmentunternehmen Cinven und Candover reagiert, schreibt das Börsenblatt. "Wie Betriebsrätin Ute Meyer-Krauss dem Börsenblatt sagte, hielten sich Sorge und Zuversicht die Waage. Einerseits verspreche der Verkauf neue Wachstumschancen, andererseits sei aber noch ungewiss, wie sich die Fusion mit Kluwer Academic Publishing auswirke."

Die französische Regierung will über die Übernahme der Vivendi-Buchverlage durch die Groupe Lagardere selbst entscheiden; einen entsprechenden Antrag hat sie bei der EU-Kommission gestellt. "Die Prüfung einer solchen Fusion kann der EU-Wettbewerbskommissar immer dann einer Regierung übertragen, wenn sich der nationale Markt wesentlich vom europäischen unterscheidet und die Übernahme nur im Inland eine marktbeherrschende Position befürchten lässt. (...) Grundsätzlich steht die Regierung dem VUP-Kauf durch Arnaud Lagardere aufgeschlossen gegenüber, das ist bekannt."

Eckart Schlapp, Geschäftsführer der Buchhandlung Schlapp in Darmstadt, meint, dass Größe allein "nie ein Allheilmittel gewesen" ist. In schwierigen Zeiten könne Größe die Probleme sogar massiv verstärken. "Regionales Filialisieren hat seine Ursprung meist in einer Buchhandlung mit relativ starker Marktposition in einem Oberzentrum, die durch Filialen sukzessive ins Umland und die nähere Umgebung ausgebaut wurde und weiter ausgebaut wird. So kann der Buchhändler dort von seinen Stärken - seinem hohen Bekanntheitsgrad und der guten Marktkenntnis - profitieren und durch die Vernetzung der Filialen erhebliche Synergien erreichen und die Kundenbindung verstärken. (...) Diese Vorteile lassen sich auch durch geeignete Zusammenarbeit erzielen, wenn es gelingt, Situationen entstehen zu lassen, die allen beteiligten Buchhändlern eine bessere Position ermöglicht."

Auf zwei Seiten erläutert Joerg Pfuhl, Chef von Random House Deutschland, warum Random House ein großer und toller Verlag ist. "Größe ist kein Ziel an sich", schreibt Pfuhl. Aber: "Größe bringt Kostenvorteile - so etwa im Einkauf von Druck- und anderen Dienstleistungen, in der Logistik, im Vertrieb. Mit einem vielfältigen Programm ist ein großer Verlag ein noch interessanterer Partner für den Handel. (...) Innerhalb einer Verlagsgruppe lassen sich Risiken leichter ausgleichen, der Aufbau junger Autoren kann durch etablierte Bestseller subventioniert werden." Größe könne jedoch auch zum Wettbewerbsnachteil werden: "Dann nämlich, wenn Individualität und Kreativität wegen bürokratischer Prozesse und langer Entscheidungswege verloren geht. (...) Immer wieder neue Talente aufzuspüren und zu entwickeln und dabei den Geschmack des Publikums zu treffen oder sein Interesse zu wecken, das bleibt die Aufgabe des Verlegers auch innerhalb einer Verlagsgruppe. (...) Bei Random House versuchen wir daher, die Größenvorteile einer Verlagsgruppe mit den Vorzügen kleinerer Verlage zu kombinieren. In einem Dutzend dezentraler Verlagsteams, in denen sämtliche Verlagsfunktionen abgebildet sind, werden alle wichtigen verlegerischen Entscheidungen getroffen." Die Wörter Ullstein, Heyne und List fallen auf den zwei Seiten übrigens nicht.

Weitere Meldungen: Das neue Kinder- und Jugendbuchprogramm des Berlin Verlags erscheint unter dem Label Bloomsbury - dem Namen des neuen Eigentümers des Berlin Verlags. Die Europabüros von Gemstar eBook in Hamburg und Paris werden geschlossen; in den USA soll das E-Book-Geschäft weiter laufen. Der Spener Verlag hat seinen Geschäftsbetrieb eingestellt. Hugendubel eröffnet eine 1,150-Quadratmeter-Fläche in einem Einkaufszentrum in Kempten. Cornelsen hat die Studienkreis Unternehmensgruppe gekauft. Wolters Kluwer Deutschland hat den juristischen Online-Dienst Jurion übernommen. Der Hanser Verlag präsentiert sein Wirtschaftsprogramm erstmals in einer eigenen Vorschau. Und Bertelsmann hat sich neues Geld besorgt.

Außerdem fasst Christina Schulte die Ergebnisse einer Schnellumfrage des Börsenvereins zusammen: "Die Umsätze der Verlage sind 2002 um knapp drei Prozent gesunken. Gleichzeitig haben die Unternehmen an der Kostenschraube gedreht und Werbebudgets gekürzt. Nun blickt die Branche mit ein wenig Hoffnung auf das laufende Jahr." Stefan Hauck spricht mit den Carlsen-Geschäftsführern Klaus Humann und Klaus Kämpfe-Burghardt über Image und Programm des Potter-Verlages. Im Interview mit Christina Schulte erläutern Oliver Weyergraf und Luis Sanchez Weickgenannt die Balanced Scorecard (BSC), ein "zukunftsgerichtetes Führungs- und Steuerungssystem, das die strategischen Unternehmensziele durch Kennzahlen messbar macht". Uwe Ebbinghaus stellt populäre Wissenschaftsliteratur vor. Andreas Trojan porträtiert den Groh Fotokunst Verlag, Nicola Bardola die Buchhändler Herbert und Frank Edele aus dem Allgäu. Claudia Kramatschek spricht mit Tamara Domentat über deren Buch "Lass dich verwöhnen. Prostitution in Deutschland". Und Ursula Escherig schreibt über Cecile Wajsbrot, deren Roman "Mann und Frau den Mond betrachtend" unlängst in der Verlagsbuchhandlung Liebeskind erschien.
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