Wibke Bruhns

Meines Vaters Land

Geschichte einer deutschen Familie
Cover: Meines Vaters Land
Econ Verlag, München 2004
ISBN 9783430115711
Gebunden, 386 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Am 26. August 1944 wird der Abwehroffizier Hans Georg Klamroth wegen Hochverrats hingerichtet. Jahrzehnte später sieht seine jüngste Tochter in einer Fernsehdokumentation über den 20. Juli Bilder ihres Vaters - aufgenommen während des Prozesses im Volksgerichtshof. Ein Anblick, der Wibke Bruhns nicht mehr loslässt. Wer war dieser Mann, den sie kaum kannte, der fremde Vater, der ihr plötzlich so nah ist? Die lange Suche nach seiner, ja auch ihrer eigenen Geschichte führt sie zurück in die Vergangenheit: Die Klamroths sind eine angesehene großbürgerliche Kaufmannsfamilie und muten wie ein Halberstädter Pendant zu den Buddenbrooks an. Unzählige Fotos, Briefe und Tagebücher sind der Fundus für ein einzigartiges Familienepos.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.07.2004

Fasziniert zeigt sich Sabine Vogel von diesem Buch, in dem Wibke Bruhns die Geschichte ihrer Familie und ihres Vaters erzählt, der als Hitler-Attentäter in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. Zwar habe die Familie nach dem Kriegsende, seit Bruhns früher Kindheit also, nie über dieses Thema geredet, so die Rezensentin, dafür sei umso mehr geschrieben worden. Aus den zahllosen Briefen, Dokumenten und Tagebüchern, die sie nach dem Tod ihrer Mutter aufgefunden habe, habe die Autorin eine "beeindruckende Familien- und eine tragische Liebesgeschichte" geformt. Wie Bruhns Briefzitate, Informationen zur politischen und wirtschaftlichen Lage und ihre eigenen Kommentare zu einer anschaulichen Schilderung montiert, findet Vogel richtig "raffiniert". An manchen Stellen beschleicht sie gar das Gefühl, direkt dem Gedankenaustausch der Familie lauschen zu können - so als säße sie mit ihr im Salon ihres Hauses. Formal vereinige das Buch einen "subtil komponierten Familienroman", eine "wirtschafts- und sozialhistorische Abhandlung" über das kleinstädtische Wirtschaftsbürgertum im 19. und frühen 20. Jahrhundert und schließlich ein Tagebuch, das Wibke Bruhns während der Erkundungsreise in die Vergangenheit der Eltern geführt habe. Einziger Minuspunkt des spannenden Buchs ist für Vogel, dass "etwas unklar" bleibt, auf welcher Quellenbasis die Angaben beruhen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 06.04.2004

Sehr angetan zeigt sich Rezensentin Elke Schubert von diesem Buch, in dem Wibke Bruhns "exemplarisch" den Weg ihrer großbürgerlichen Familie ins "Dritte Reich" aufzeigt, sechzig Jahre nachdem ihr Vater wegen Hochverrats im Zusammenhang mit der Verschwörung des 20. Juli 1944 hingerichtet wurde. Wie Schubert hervorhebt, geht es Bruhns nicht darum, zu entschuldigen, sondern zu verstehen. Beeindruckend findet sie, wie die Autorin detailliert und bis ins Privateste hinein eine "Normalität" schildert, die für die meisten bürgerlichen Familien in dieser Zeit Konsens war, etwa die Begeisterung der Kinder für die NS-Jugendorganisationen oder die Begrüßung der Nürnberger Gesetze. Zwar habe Bruhns trotz aller Mühe keine Antwort darauf gefunden, wie es zur Beteiligung ihres Vaters an der Verschwörung des 20. Juli kam und was ihn zu diesem Schritt bewogen haben könnte, da auch engste Familienangehörige nicht eingeweiht waren. Doch "viel bedeutsamer" als die Annäherung an den unbekannten Vater und seine Beweggründe erscheint Schubert ohnehin, dass es der Autorin gelungen ist, "die Zwangsläufigkeit und Ignoranz aufzuzeigen, mit der die die Familie Klamroth trotz aller Weltoffenheit in den Nationalsozialismus 'hineinrutschten' und innerhalb kürzester Zeit jene Werte akzeptierten, welche die ?rassisch' begründete Verfolgung und die Unterdrückung jeder abweichenden Anschauung implizierten."

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.03.2004

Aus Wibke Bruhns' eigentlichem Vorhaben, aus dem materialreichen Briefverkehr innerhalb ihrer Familie das Bild des Vaters Hans Georg Klamroth zu rekonstruieren, der als Mitverschwörer des 20. Juli 1944 zum Tode verurteilt wurde, ist - wie der Titel schon besagt - etwas anderes geworden, schreibt die Rezensentin Cathrin Kahlweit. Denn mit dem Voranschreiten der Recherche dehnte sich Bruhns' Vorhaben immer weiter aus, auf andere Angehörige der Vatergeneration, aber auch weiter zurück in der Zeit bis zur Firmengründung der I.G. Klamroth im Jahre 1790. Und wenn die Widmung des Buches auch an ihren Vater und seine Zeit geht, so hat Bruhns in den Augen Kahlweits weit mehr geleistet, nämlich eine "anschauliche und detailfreudige private Geschichte Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert". Die zahlreichen Dokumente, die Bruhns mit Kommentaren versieht, schmelzen laut Rezensentin zusammen zu einer "kompakten, fast pedantisch erstellten Mischung", die sich wie ein "in sepiabraun eingefärbter" Film abspult. Einfach "eine große Leistung", so das abschließende Lob der Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.02.2004

Das "anrührende, mutige, wahrhaftige" Buch von Wibke Bruhns könne niemand unbeeindruckt lassen, schreibt Volker Ulrich in seiner fast ungetrübten Lobeshymne. Über das Protokoll der schmerzhaften Annäherung an den eigenen Vater hinaus, der als Mitwisser des Hitler-Attentats vom 20. Juli hingerichtet wurde, lasse sich das Werk als exemplarische Geschichte einer angesehenen großbürgerlichen Kaufmannsfamilie sehen, die sich schließlich zu einem "Sittengemälde" der zwanziger Jahre ausweite. Es werde deutlich, wie breit und wie tief Spuren des nationalsozialistischen Denkens im Bürgertum des Deutschen Reichs verankert waren. Der Vater entspricht nicht dem Idealbild, das sich Bruhns anfänglich von ihm gemacht hat, sie fühlt sich von dem lange durch und durch Nazibegeisterten abgestoßen, ermahnt sich aber immer wieder selbst, die Haltung der distanzierten Chronistin zu wahren. In diesem "Hin- und Hergerissensein" findet Ulrich einen "besonderen Reiz", der "anklägerische Gestus" der 68er sei auf angenehme Weise verschwunden und habe dem Willen zum Verstehen Platz gemacht. Damit könnte Bruhns, schließt Ulrich, eine neue Form der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit eröffnet haben. Einziger Kritikpunkt sind für den Rezensenten nur die bisweilen zu oberflächlichen oder veralteten historischen Kenntnisse der Autorin.