Post aus Neapel

Das Dritte Global Forum und der Digital Divide

Von Gabriella Vitiello
17.03.2001. Drei Tage lang saßen in Neapel 122 Delegationen aus 40 Ländern in verschiedenen Workshops zusammen und diskutierten über das Regieren im Zeitalter von Internet und der neuen Technologien: e-government.
"Fostering poverty and subjugation through e-tyranny", so kündigte die homepage der OCSE, der "Organizzazione per la Cooperazione e lo Sviluppo Economico" das Thema des dritten Global Forum an. Die Internetadresse ist inzwischen abgeschaltet.

Denn das war ein Streich. Und damit begannen schon vor Wochen die Proteste und Vorbereitungen für das Gegen-Forum zur offiziellen Veranstaltung der OECD in Neapel. Autonome Aktivisten hatten die gefälschten Internet-Seiten, die der offiziellen Version zum Verwechseln ähnlich sahen, ins Netz gestellt (unter scheinbar authentischer Adresse) und deuteten die amtlichen Worte der Organisatoren - der italienischen Regierung - in ihrem Sinne um. Die offizielle Fassung heißt nämlich so: "Fostering democracy and development through e-government".

Drei Tage lang saßen in Neapel 122 Delegationen aus 40 Ländern in verschiedenen Workshops zusammen und diskutierten über das Regieren im Zeitalter von Internet und der neuen Technologien: e-government. Das internationale Treffen zu Fragen der Globalisierung entstand unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, in Zusammenarbeit mit der Weltbank und der OCSE (Italien), die international unter OECD (Organisation for economic co-operation and development) oder OCDE, dem französischen Kürzel, bekannt ist - einen Hinweis zum Third Global Forum suchte man auf den Internet-Seiten des Berliner Büros übrigens vergeblich.

Während der Eröffnungsveranstaltung im San Carlo, dem prächtigen Theater Neapels, konnten die Delegierten sich ein Bild von dem machen, was e-government so bedeuten kann. Der italienische Premierminister Amato, extra aus Rom eingehubschraubert, legte großen Wert auf die Gleichung: e-government gleich e-democracy. Und sprach von mehr Effizienz und Transparenz von Regierung und Verwaltung. Mamphela Ramphele, Generaldirektorin der Weltbank und die einzige Frau auf dem Eröffnungspodium, betonte den Kampf gegen Armut und Korruption. Neben ihr auf der Bühne prägte der Vizegeneralsekretär der UN, Nitin Desai, einen neuen Begriff von Gemeinschaft: community of concern. Der Beauftragte der italienischen Regierung für Privacy, Stefano Rodota, stellte die Rechte der Bürger in den Mittelpunkt seiner Ansprache und ersetzte e-government durch e-citizenship.

Ein sehr konkretes Thema setzte sich jedoch bereits in den Einführungsreden durch und wurde zum Schwer- und Knackpunkt des Global Forum: der digital divide. Die informations-technologische Kluft und das gar nicht nur virtuelle, digitale Ungleichgewicht zwischen reichen und armen Ländern - von Rodota so neckisch als "planetarische Dialektik" bezeichnet.

"Dividieren", kommentierte die kommunistische Tageszeitung il manifesto sei das Zauberwort der Konferenztage. Denn der digital divide beschreibe die Gefahr, dass die technologischen Innovationen die Distanz zwischen dem Norden und dem Süden der Welt vergrößern. Und fügt hinzu: "Und in welchem Teil liegt Neapel?" Es sei doch bizzar, schreibt der Korrespondent des roten römischen Blatts: "Premiers, Minister und Abgesandte sagen alle das gleiche: die drei Tage des Forums dienen der Annäherung zwischen Armen und Reichen. Fantastisch: aber was machen dann die 6000 Polizisten mitten drin?" Und die Aufforderung an die Autonomen, sie sollen doch nicht protestieren, sondern lieber mit ihnen über die Zukunft diskutieren, könne doch niemand ernst nehmen. Denn der Hauptort der Veranstaltungen, der Palazzo Reale, gleich neben dem Theater San Carlo, ist praktisch nur mit einem der Hubschrauber erreichbar, die permanent über der Stadt kreisen. Also gar nicht.

Denn Teile Neapels wurden hermetisch abgeriegelt, die Öffentlichkeit hat keinen Zutritt und die Autonomen erst recht nicht! Zona rossa - rote Zone nennt sich der Bereich der Stadt, der Neapel teilt. Innen sind der Palazzo Reale mit der riesigen Piazza Plebiscito, das Theater, die schicke Einkaufsstraße, das bekannte historische Cafe Gambrinus, die Luxushotels am Meer und viele angrenzende Straßen. Außen ist der Rest und zwischendrin ist die Polizei. Da die meisten Sicherheitswächter keine Ortskenntnisse haben und aus anderen Gegenden Italiens rekrutiert wurden, können sie den Bürgern noch nicht mal sagen, wie man die Straßensperren umgeht. Die Anwohner der roten Zone lebten in einem Geisterviertel und brauchten eine Pass, um in den anderen Teil der Stadt zu gelangen. Den meisten ist allerdings erst nach Beginn des Forums aufgefallen, dass ihr Personalausweis abgelaufen ist. Ohne den es natürlich keinen Pass gibt, berichtete die Repubblica in ihrem Lokalteil und druckte gleich einen Plan der roten Zone ab, zur besseren Orientierung.

Think global - act local, könnte das Motto der Absperrungen lauten, deren Präsenz die fehlende Kommunikation zwischen innen und außen mehr als deutlich manifestiert. Ein Dialog zwischen den Vertretern des Global Forums und der Gegenveranstaltung der Autonomen, dem No Global Forum fand.

Der Aktionsplan des No Global Forums richtet sich vor allem gegen diese real existierenden und weiterhin drohenden sozialen Ungleichheiten und Ausbeutungsmechanismen, die durch den derzeitigen Gebrauch und die Verteilung der Informations- und Kommunikationstechnologien hervorgerufen werden. Striker, alias Francesco, einer der Hauptorganisatoren aus dem autonomen centro sociale SKA, richtet sich besonders gegen die internationalen Großkonzerne - ausgerechnet Microsoft trat als Sponsor des Global Forums auf und Bill Gates lässt per Videoübertragung schön grüßen.

"Wir sind weder gegen die Globalisierung noch gegen die Technologien, aber wir sind gegen diese Art der Globaliserung und gegen diese Technologie" ist die Position des No Global. Die Hälfte der Menschheit besitzt keinen Telefonanschluss. Jedoch allein in New York City gibt es mehr Internet-Nutzer als auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, wo nur 1% der weltweiten User zu finden ist.

Damit e-government nicht als e-commerce, e-business oder e-profit verstanden wird und die telematische Transparenz nicht zum Durchleuchten und zur Kontrolle der Privacy mutiert, organisierte das Netzwerk der sozialen Autonomen ein abwechslungsreiches Protest-Programm. Dazu gehörten Street Parade und ein Netstrike (hier steht, wie es geht), der das online-Trading-Unternehmen Fineco für ein paar Stunden lahm legte. Am Abschluss des Antiforums stand der Global action Day mit dem corteo internazionale, einer Demo durch die Stadt.