Bücherbrief

Bücherbrief Juni 06

Der Newsletter zu den interessantesten Büchern des Monats.
02.06.2006. Halbzeit. In der Mitte des Jahres geht es zur Stasi an den Plattensee, zum Seifenkraut in freier Natur und zu den radikalen Verlierern überall auf der Welt. Im Gepäck: die besten Bücher im Juni.
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Die zweite Ausgabe des Bücherbriefs im neuen Kleid, mit dem Buch des Monats und den Bestenlisten. Den Bücherbrief in seiner vollen Pracht können Sie per E-Mail betrachten. Dazu müssen Sie sich hier anmelden. Weiterempfehlen können Sie ihn natürlich auch.

Noch mehr Anregungen gibt es natürlich weiterhin
- im vergangenen Bücherbrief- in der ersten Literaturbeilage des Sommers
- in den Büchern der Saison
- in Vorgeblättert
- in der Krimikolumne "Mord und Ratschlag"
- in unserer Auswahl der besten Bücher 2005



Buch des Monats

György Dalos
Balaton-Brigade
Erzählung

György Dalos' Geschichte eines Stasioffiziers, der ohne den Hauch eines Zweifels am System sich und seine Famile zerstört, hat nur zwei, dafür aber gewichtige Fürsprecher. Zum einen die Verantwortliche für unsere Vorgeblättert-Kolumne, die dieses Buch jedem ans Herz legen möchte. Zum anderen Hubert Spiegel, der in der FAZ vor allem den nuancenreichen Grauton und die Weigerung von Dalos schätzt, seinen Helden weder zum Opfer zu verklären noch ihn als Täter zu denunzieren. Hier eine





Literatur

Hans Werner Kettenbach
Zu Gast bei Dr. Buzzard
Roman

Und noch ein Außenseiter: Von den Zeitungsfeuilletons links liegen gelassen wurde Hans Werner Kettenbachs "Zu Gast bei Dr. Buzzard". Vielleicht weil der neueste Streich des deutschen Simenon wie seine zwölf Vorgänger dem Krimigenre zugerechnet wird. Doch der Kriminalroman ist für Kettenbach nur ein Vorwand für Menschenforschung, wie sie treffender nicht sein könnte. Man versteht seine Mitmenschen - zumindest die abseitigeren Exemplare - nach der Lektüre wirklich besser, beteuert Peter Hennings in seiner hymnischen Besprechung auf Spiegel Online. Diesmal macht sich ein deutscher Architekt im sumpfigen Süden der USA auf die Suche nach seiner mit einem Freund verschwundenen Ehefrau. Hier eine




Christine Büchner, Andreas Maier
Bullau
Versuch über Natur

Eine unbestimmte Sehnsucht treibt Andreas Maier und Christine Büchner hinaus in Wald und Wiese, und was sie zurückbringen, lässt die Kritiker aufblühen wie die strahlende Viola Odorata. Eine kritische Naturkunde, jubelt die FAZ, die den keineswegs schwärmerischen Beschreibungen von Seifenkraut, Hirtentäschel und Ehrenpreis eine heilsame Wirkung auf die Seele zuschreibt. Die Zeit liebt vor allem die Sprache, in der das geschieht, und die eigenwillige Poesie des Buches, die zum Zitieren und natürlich zum Spazierengehen verführt.




Ulrich Schmid
Aschemenschen
Roman

Am Rand der chinesischen Wüste Taklamakan treffen eine Schweizer Bankerin, eine junge Hongkongchinesin mit dem zweiten Gesicht und ein ehemaliger Folterexperte der Stasi aufeinander. Wie Ulrich Schmid die gnadenlose Realität, hier die Stasi-Beratertätigkeiten im kommunistischen Äthiopien der Siebziger, für seine schauderhaft präzisen Figurenporträts nutzt, hat die NZZ tief beeindruckt. Laut Zeit kommt bei dieser Mischung aus Fantasy-Roman, Politthriller und Reisebericht zudem noch eine wahrlich berückende Sprache hinzu.





Sachbuch

Volker Perthes
Orientalische Promenaden
Der Nahe und Mittlere Osten im Umbruch

Den Kritikern gefallen Volker Perthes' kundige Berichte aus dem Nahen und Mittleren Osten immer besser. Fand die SZ den um Ausgleich bemühten Schiedsrichterblick noch etwas zu europäisch vernünftig, lobt die Zeit den Band als ein Sachbuch, wie es besser nicht sein könnte: sachkundig, lesbar, unterhaltsam und höchst informativ. Und die NZZ meint gar, Perthes' genaue und differenzierte Beobachtungen enthüllen endlich das wahre Gesicht des Nahen Ostens.




Hans Magnus Enzensberger
Schreckens Männer
Versuch über den radikalen Verlierer

HME hat mit seinem Essay eine Steilvorlage geliefert, die das Feuilleton gerne aufnimmt. Die Zeit ist zunächst in einen Klarheitsrausch verfallen: Denn hier sind sie alle übersichtlich versammelt: Selbstmordattentäter, Amokläufer und Nationalsozialisten. Doch der diskursive Kater ließ nicht lange auf sich warten und so widerspricht sie schließlich nahezu jeder These Enzensbergers. Die NZZ kann sich mit Enzensbergers These, eine narzisstische Kränkung sei Quelle der Gewalt von Selbstmordattentätern, noch anfreunden, den Islam will sie aus der ganzen Sache aber dennoch nicht heraushalten.




Jorge Valdano
Über Fußball

Dutzende von Fußballbüchern sind im Vorfeld der WM erschienen, dieses von Jorge Valdano ist das beste für Anfänger und Kenner, versichert die FAZ. Seine gesammelten Kommentare vereinen nicht nur präzise Analyse und emphatische Leidenschaft, sondern behandeln von der Bedeutung des Dribbelns bis zu den Feinheiten der Jugendarbeit so ziemlich alles, was das Universum Fußball ausmacht. Und der unverwechselbare Stil Valdanos löst bei der FAZ die gleiche Begeisterung aus wie ein gutes Tor.




Thomas Bräutigam
Hörspiel-Lexikon

Von Dylan Thomas bis Friedrich Dürrenmatt: Die 400 wichtigsten Hörspiele seit 1924 hat Thomas Bräutigam in einem Band versammelt, mit den kompletten Produktionsdaten sowie Angaben zu den beteiligten Autoren, Sprechern und Regisseuren. Da capo, ruft die SZ und wünscht sich sogleich einen Fortsetzungsband mit literarischen Tonadaptionen. An Thomas Bräutigams Kompetenz besteht für sie nun jedenfalls kein Zweifel mehr.




Hörbuch

Jeremias Gotthelf
Die schwarze Spinne
Gelesen von Fritz Lichtenhahn. 3 CDs

Stephen King muss sich warm anziehen, frohlockt die SZ. Selbst Gruselveteranen werden bei dieser Übertragung von Jeremias Gotthelfs meisterlicher Novelle vor Entsetzen die Knabberkrümel aus dem Mund fallen, prophezeit sie. Wenn Fritz Lichtenhahn erzählt, versetze das den Hörer in jene seligen Zeiten zurück, als die Literatur noch am Lagerfeuer weitergegeben wurde. Durchgehend spannend, wunderbar grauenhaft und kongenial vorgelesen: Die SZ streckt die überwältigende Herrlichkeit dieses Hörbuchs nieder wie einen Grashüpfer das Gift der Tarantel.




Bildband

Andreas Magdanz
BND - Standort Pullach

Die FAZ wundert sich, dass der sonst so geheimnistuerische BND Andreas Magdanz als erstem Fotografen überhaupt die Erlaubnis gegeben hat, über das lange auf keiner Karte verzeichnete Gelände in Pullach zu spazieren und alles abzulichten, was ihm vor die Linse kommt: Baracken, Treppenhäuser, Büros und Bunkergänge. Damit hat sich der BND selbst entmystifziert, stellt die FAZ fest, die diesen gnadenlosen "Einblick ins Trostlose" zwar demokratietechnisch begrüßt, verschwörungstechnisch aber auch bedauert.