Post aus Bangkok

Tod eines reichen Mönchs

Von Doris Klein
12.08.2003. Der Mord an einem geschäftstüchtigen Mönch bringt die thailändische Politik durcheinander: Muss das Finanzgebaren der Tempel genauer überwacht werden?
Der Tempel liegt ruhig und leer. Verstummt die Zwiegespräche mit den Geistern, die zum Alltag gehörten, solange Phra Khru Nanthaphiwat noch hier lebte. Vor einiger Zeit wurde der alte Abt von den Dörflern aus dem Tempel geworfen, weil er ihnen für ein Landgewinnungsprojekt den Weg über Tempelgrund und damit den Zugang zum lebenswichtigen Fluss verweigert hatte. Geflohen ist er in einen benachbarten Tempel, aber auch dort hat er sich keine Freunde gemacht.

Der Mord am Abt vor wenigen Wochen hat Schlagzeilen gemacht (hier eine Geschichte aus der Bangkok Post) und die Polizei aus Bangkok hat nun das Gelände übernommen. Nur ein paar vereinzelte Gläubige, die einer Buddhafigur ihren Respekt zollen, sind auf dem Tempelhof zu sehen. Zu wenige, um die schwüle Stille des Ortes zu stören.

Als der Abt noch lebte, so ein älterer Mönch, brodelten Tempel und Hof nur so von Menschen und Fahrzeugen. Geblieben sind ein paar in der Sonne dösende Hunde und der Geruch von getrocknetem Kuhmist. Keine Buden mehr, die Rosen und Girlanden verkaufen, keine Besucher, die Schlange stehen, um ihre 9.999 Baht (etwa 240 Dollar) für die Rettung von Büffeln und Kühen vor dem Schlachthof abzuliefern. Eine Idee, die sich das Opfer, neben allerlei anderen einträglichen Geschäftszweigen, ausgedacht hatte, die Kassen zu füllen.

Eine Menge Geld eingenommen habe der Abt mit der Schlachthof-Rettungs-Idee, dem Verkauf von heiligem Wasser, der Wahrsagerei und den Einnahmen aus der Besichtigung eines Schiffswracks, in dem eine Angehörige des Königshofes vor langer Zeit im nahen Fluss gekentert und ertrunken sein soll. Dass das Schiffsmodell, das der Abt liebevoll mit Blattgoldfitzeln und kleinen Kultgegenständen verziert hat, einem königlichen Schiff aus der fraglichen Zeit nicht einmal entfernt ähnlich sah, wie Wissenschaftler bereits vor längerem bemängelten, focht den geschäftigen Abt nicht an, er hat sogar ein jährliches Festival zu Ehren der Unglücklichen ersonnen und lud hierzu Jahr um Jahr die zahlungswilligen Gläubigen aus fern und nah.

Mit viel Erfolg, denn immerhin hat es der Ermordete während seiner Amtszeit auf beachtliche 2,5 Millionen Dollar, einige Häuser, Autos und Grundstücke um und in der Hauptstadt Bangkok gebracht. Suspekt war den Leuten die G?schaftelhuberei des Abtes schon lange, denn längst nicht alle konnten sich mit der Idee dieser Art weltlicher Unternehmungen auf Tempelboden anfreunden. Der Mord am Abt und die so zum Stillstand gekommenen fragwürdigen Aktivitäten, so die Dörfler, sei daher ein Glück im Unglück.

Das Geld hatte der Abt unter vier verschiedenen Namen bei vier verschiedenen Banken deponiert. Gemäß einem plötzlich aufgetauchten Testament soll nun sein Vermögen unter seinen vier Adoptivkindern, von denen man annimmt, dass sie keinesfalls adoptiert, sondern ganz und gar leiblich sind, aufgeteilt werden. Vier Leibwächter, waren seit dem Rauswurf aus dem alten Kloster und einem Schuss aus dem Hinterhalt ins Bein des fliehenden Abtes für dessen Sicherheit zuständig. Dummerweise hatten alle vier in der Mordnacht unaufschiebbare Geschäfte in der Stadt.

Drei Mord-Verdächtige gibt es unterdessen; unter anderen der angeblich vierte Adoptivsohn und Anwalt des Klostermannes, der seinerseits die Echtheit des Testamentes bestreitet. Und zuguterletzt habe das Opfer auch noch vier kaum verhohlene Liebschaften unterhalten. Der Hauptverdächtige empört sich derweil, man solle kein solches Gedöns machen, denn das Opfer selbst habe schließlich ihn zuerst mit der Ermordung eines anderen Abtes und politischen Widersachers für 10.000 US-Dollar beauftragt, um seiner eigenen Ermordung, die er sich womöglich selbst gewahrsagt hat, zuvorzukommen. Den Auftrag aber habe das Opfer ohne Angabe von Gründen einen Tag vor dem Termin storniert.

Darum, wer denn nun das stärkste Motiv hatte im klösterlichen Mordfall, geht es bei den Ermittlungen der Polizei. Wie der Abt, der von Spenden und Bettelgängen leben sollte und einst Enthaltsamkeit, Besitzlosigkeit und Wahrheitstreue gelobt hat, zu derlei Wohlstand gekommen ist, fragen sich hingegen Bevölkerung und Politiker.

Bei der Untersuchung, die diesem bizarren Fall nun folgte, stellte man verblüfft fest, dass derlei Lebenswandel und Vermögen unter den Klosterbrüdern eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Diese irritierenden Erkenntnisse haben eine landesweite Diskussion ausgelöst, selbst der Premierminister ließ verlauten, er sei erschüttert und kündigte Maßnahmen an.

Nun hat sich das Anti-Money-Laundering Office (AMLO) eingeschaltet um, zusammen mit dem stellvertretenden Premierminister, der zuständig ist für religiöse Affären, Licht ins Dunkel zu bringen und aufzuräumen in den "Hinterhöfen der Tempel".

Das aber ist schon deswegen ein kaum mögliches Unterfangen, weil es eine "Buddhistische Kirche" und folglich ein Kirchenoberhaupt nicht gibt, die Mönche und Laien lediglich dem Vinaiya, dem mönchischen Kodex, verpflichtet sind und ihr eigenes Monitoringsystem haben, dem keine weitere Instanz übergeordnet ist.

In größere Tempeln werden die Finanzen traditionell von Tempel-Komitees verwaltet, doch in der Mehrzahl der Fälle erledigen das die jeweiligen Äbte selbst und unterliegen dabei keinerlei Kontrolle.

Nun hat das zuständige Ministerium einen Empfehlungskatalog vorgelegt, um das Chaos im Klingelbeutel besser in den Griff zu bekommen. Der sieht unter anderem vor, dass alle Tempel künftig unabhängige mehrköpfige Komitees einzusetzen und über Einnahmen und Ausgaben ordentlich Buch zu führen und zuzusehen haben, dass die Einnahmen auch wirklich den Tempeln zugute kommen und nicht den Privatkonten der Mönche. Ein Kontrollorgan wird es weiterhin nicht geben und die Geste selbst kommt zu spät angesichts längst leerer Tempelkassen und einer verarmenden Landbevölkerung, die für ihre echten Bettelmönche nicht mehr aufkommen kann. Eine hilflose Geste gegenüber einer urbanen Gesellschaft, die zunehmend Kommerz und Kalkül zur Religion erhebt und für Spirituelles keine Zeit mehr hat. Gab man den Mönchen früher noch Reis in ihre schwarzen Pötte, steckt man ihnen heute schnell ein paar Scheine zu. Im Gegensatz zu Reis lassen sich Geldscheine aber wunderbar sammeln und den Verlockungen des Käuflichen in einer Welt der Leuchtreklamen und bunten Verheißungen sind schon ganz andere erlegen. Bedauerlich nur, dass hier gerade eine ganze Religion in Misskredit gerät, weil ihre Protagonisten sich prostituieren im einträglichen Geschäft mit dem Heil.
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