Cesar Aira

Die Mestizin

Roman
Cover: Die Mestizin
Nagel und Kimche Verlag, Zürich 2004
ISBN 9783312003419
Gebunden, 252 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem argentinischen Spanisch von Michaela Meßner und Matthias Strobel. Nach Jorge Luis Borges und Julio Cortazar ist mit Cesar Aira endlich wieder ein bedeutender argentinischer Autor zu entdecken. Sein Roman ist eine Abenteuer- und Grenzergeschichte: die phantastische Odyssee einer mutigen Frau zwischen Siedlern und Indianern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2005

Diesen "verspielten und träumerischen" Roman hat Cesar Aira 1981 geschrieben, also lange vor der Novelle Humboldts Schatten, erklärt Katharina Döbler. Damals war die koloniale Geschichtsschreibung ein vieldiskutiertes Thema in Argentinien. Mit "dick aufgetragener" Ironie setzt Aira die üblichen Rollenzuschreibungen außer Kraft und lässt die Indianer, die mit den weißen Besatzern in Einklang leben, als dekadente und melancholische Vertreter einer weit fortgeschrittenen Zivilisation erscheinen. Dabei pflege Aira keine "kämpferischen" oder "antikolonialistischen" Absichten, und auch ethnologisch sei das Buch "völlig wertlos". Ihm geht es hingegen um die "subversive Revision" der von den einstigen Eroberern geprägten Geschichtsschreibung, und zwar mit den Mitteln der Poesie, der Philosophie und des "höheren Blödsinns". Hier werde "jede, aber auch jede" Erwartung des Lesers aufs "Zauberhafteste" enttäuscht, meldet Döbler entzückt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.03.2005

Der argentinische Schriftsteller Cesar Aira wird von Florian Borchmeyer für würdig erachtet, irgendwann in näherer Zukunft den Literatur-Nobelpreis entgegenzunehmen, den Jorge Luis Borges, der Großmeister der argentinischen Literatur, nie bekommen hat. Aira ist für Borchmeyer in jeder Hinsicht ein würdiger Nachfolger: er könne es an Humor und Talent mit Borges aufnehmen, schwärmt der Rezensent. Sein Urteil zu überprüfen, haben deutsche Leser nun Gelegenheit an einem Frühwerk, das mit beinahe 25 Jahren Verspätung auch auf Deutsch erscheint: "Die Mestizin", ein - nur auf den äußeren Blick, versichert Borchmeyer - Historienschinken, der die gewohnte "Mischung aus Realismus und Exotismus" gezielt unterläuft. Im Mittelpunkt des Roman steht die Mestizin Ema, die von Indianern entführt wird; doch die Welt der edlen Wilden entpuppt sich als artifizielle Feudalgesellschaft nach japanischem Vorbild, verrät Borchmeyer, während die Indianer zugleich ein hochmodernes Genlaboratorium entwickeln. Nichts passe eigentlich zueinander, der Text entwickle sich zu einem "Palimpsest aus Versatzstücken aller Zeiten, Utopien wie Schreckensszenarien", schreibt der Rezensent begeistert über seine ebenso spannende wie amüsante Lektüre.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.01.2005

Eine "bizarre Urwaldgeschichte" erzählt der argentinische Autor Cesar Aira nach Ansicht von Maike Albath in diesem frühen Roman. Als Wiedergängerin von Madame Bovary ohne deren europäischen Seelennöte und gesellschaftlichen Zwänge versteht Albath die Hauptfigur des Romans, die verführerische Mestizin Ema. Mehr oder weniger zufällig gleite diese von Mann zu Mann, werde von Indianern entführt, als Beute an den Hof eines mächtigen Kaziken gebracht, wo sie erneut eine Reihe von Männern um den Verstand bringe, bis sie nach einigen Jahren in ihre Heimat zurückkehre, um Fasanzüchterin zu werden. Vor allem die ersten sechzig Seiten, die einen von Soldaten durchgeführten Gefangenentransport - unter den Gefangenen befindet sich auch Ema - durch die endlose Pampa Argentiniens schildern, findet die Rezensentin ziemlich hart. Weniger wegen der drastischen Darstellung des Soldatenalltag, als wegen der Zersplitterung des Erzählrhythmus durch ungelenk ineinander verschachtelte Satzgebilde: "Mühsam kämpft man sich von Zeile zu Zeile, Relativpronomina und Konjunktionen hängen wie Bleigewichte an den Perioden." Bei allem Respekt vor dem Original hätte sich Albath hier eine freiere Übersetzung gewünscht. Dann aber lichte sich das syntaktische Gestrüpp, der Ton wandele sich, der klassische Abenteuergeschichten-Effekt setze ein, und das Lesen macht der Rezensentin wieder Spaß, zumal es Aira verstehe, "augenzwinkernd" die Topoi der argentinischen Nationalliteratur zu variieren.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.12.2004

Ein Abenteuerroman "kann und will" das Buch von Cesar Aira nicht sein, schreibt Kersten Knipp. Als der Autor in den siebziger Jahren seine Geschichte der Eroberung des argentinischen Hinterlandes durch die Militärs schrieb, beherrschten diese das Land und "allzu romantische Werke" verboten sich von selbst. Bereits 1981 in Argentinien erschienen, schildert das Buch das Schicksal einer jungen Frau, die ins Exil verbannt wird, sich in der Wildnis aber nach und nach einrichtet. Der Autor begeht dabei nicht den Fehler, elegisch oder dramatisch zu werden, lobt Knipp; er zeichne die zu Tausenden hingerichteten Indios weder als "edle Wilde" noch als Barbaren. Auch wenn das Buch gelegentlich "fremd und phantastisch" daherkommt - es bleibt eine realistische und "nüchterne Auseinandersetzung" mit der "brutalen Willkür" des Regimes, lobt der Rezensent.