Jonathan Safran Foer

Alles ist erleuchtet

Roman
Cover: Alles ist erleuchtet
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2003
ISBN 9783462032178
Gebunden, 383 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Aus dem amerikanischen Englisch von Dirk van Gunsteren. Ein junger Amerikaner kommt in die Ukraine. Er heißt zufällig Jonathan Safran Foer. Im Gepäck hat er das vergilbte Foto einer Frau namens Augustine. Sie soll gegen Ende des 2. Weltkrieges seinen Großvater vor den Nazis gerettet haben. Jonathan will Augustine finden und Trachimbrod, den Ort, aus dem seine Familie stammt. Sein Reiseführer ist ein alter Ukrainer mit einem noch älteren klapprigen Auto, sein Dolmetscher dessen Enkel Alex, ein unglaubliches Großmaul und ein Genie im Verballhornen von Sprache. Foer erzählt die phantastische Geschichte eines jüdischen Schtetls, das Schicksal seiner Familie während des Holocaust und die Abenteuer eines jungen Amerikaners, der aufgebrochen ist, um die Vergangenheit zu suchen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.03.2003

Ijoma Mangold ist geradezu überwältigt von diesem Romandebüt, in dem sich ein junger Amerikaner in der Ukraine auf die Suche nach der Retterin seines Großvaters vor den Nazis macht. Der Rezensent beschreibt begeistert den erzählerischen "Trick", den sich der Autor hat einfallen lassen, um diese Geschichte vom Holocaust, seiner Familie und nicht zuletzt einer Liebe mit "ungeheuerlicher Fabulierkunst" zu entfalten, indem er dem Protagonisten einen ukrainischen Mann mit mühsam erlernten Englisch zur Seite stellt. Dessen Sprache ist von derart "unschuldigem Pathos", so Mangold beeindruckt, dass sie keine Gefahr läuft, kitschig zu werden. Etwas anders liegt es beim ersten Teil des Romans, in dem der Erzähler, der den Namen des Autors trägt, die Geschichte des Shtetls seines Großvaters erzählt. Hier erscheint weniger das Leben im Shtetl selbst vor dem inneren Auge der Leser, sondern vielmehr die "Projektion dieses Lebens", betont der Rezensent. Deshalb stört ihn der Anklang von "kolportagehafter Shtetl-Folklore auch nur solange, bis er versteht, dass es sich hier weniger um "Archäologie" oder Geschichtsschreibung als vielmehr um "Überlebensschöpfertum" des Erzählers handelt. Dann aber bejubelt Mangold die "eigene Stringenz" der Schilderungen als "eigenmächtig erfundenen Ursprungsmythos". Wirklich nirgends kommt in diesem Buch "saurer Kitsch" auf, versichert Mangold und rühmt hingerissen das "atemberaubende" Talent des Autors.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.03.2003

Ulrich Sonnenschein schimpft zwar zuerst ein wenig auf den Medienrummel, der um den Erstling von Foer gemacht wird, gibt sich aber dann selbst den ausgiebigsten Schwärmereien hin. Ein "erstaunlicher Erstling", ein "schräges Road-Movie" habe der Debütant da geschaffen, der mit einer "ungebändigten Fantasie" "alles gibt, ohne sich zu verausgaben". Drei Geschichten in einer, mit verschiedenen Sprachstilen, mal voll von "herrlicher Vergeblichkeit" und "irrwitziger Komik" wie in den Briefen des jungen russischen Übersetzers an den Helden der Geschichte, mal "voluminös" und "virtuos", wenn der Protagonist selbst erzählt. Und so kann Sonnenschein auch nicht umhin, den Autor als Vertreter einer "neuen Literatur" in eine Reihe mit Jonathan Franzen und Jeffrey Eugenides zu stellen - selbst wenn ihm der Wunderkind-Hype um Foer und seinen "bedeutenden Roman" auf die Nerven geht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.03.2003

Die Rezensentin Angela Schader wundert sich ein wenig, weshalb der Übersetzer Diek van Gunsteren die für Jonathan Foers Roman so charakteristische "sprachliche Schieflage" begradigt hat. Denn "Alles ist erleuchtet" ist für Schader ein von Schieflagen geprägter Text, in dem der Autor seine tatsächlich unternommene Reise in die Ukraine verarbeitet, die ihn auf die Spur seiner jüdischen Vorfahren führen sollte, die jedoch gescheitert ist. Und so versucht Foer, diese "doppelte Leerstelle in der Familiengeschichte und der eigenen Biografie" zu füllen, in einem Text, der sich als "Gemeinschaftswerk" zwischen der reisenden "Ich-Projektion" Jonathan und dem ukrainischen Übersetzer Alex entspinnt. Während Alex die Irrungen der Reise beschreibt, ist es Jonathan, der den schließlich erreichten Heimatort Trachimbrod als "Shtetl-Phantasmagorie", als "mythisch-surreal überhöhte Nachschöpfung des Ortes und seiner Bewohner" entwirft. Hier, erklärt Schader, vermischt sich "Schrulliges" mit der "Bitterkeit einer fortlaufenden Reflexion über die Unmöglichkeit der Liebe". Etwas störend dabei findet Schader das übermächtige "phantastische Beiwerk". Denn genauso wie Jonathans Ahnfrau sich entschieden habe, "ein Leben zweiten Grades zu leben, in einer Welt, die nur eine Verwandte zweiten Grades einer Welt war, in der alle anderen zu existieren schienen", so scheint sich für Schader auch Foers Roman in eine Art "Dissoziation" zu manövrieren, in der das Entrückte nicht immer dem Romangeschehen dient. Es ist also bei weitem nicht "alles erleuchtet", wie der Romantitel verspricht, doch trotz dieses "Unbehagens", meint die Rezensentin, bleibt einerseits "der Widerschein eines Feuerwerks von Ideen und sprachlichen Einfällen" und andererseits die von Alexander entsponnene "Herzenswärme" übrig.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.03.2003

Rezensent Hubert Winkels bekennt begeistert, bei der Lektüre dieses Buchs "dem Zauber des Geniestreichs" erlegen zu sein. Die Konstruktion sei komplex, der Roman trotzdem leicht zu lesen. Die "komplette Stimmigkeit aller Teile von Anfang an" wird von ihm ebenso hymnisch hervorgehoben, wie die "grandiose Gelungenheit in der Motivführung", die er gegen Ende jedoch beinahe in der "Zerstörung seiner genealogischen Erzählung" enden sieht. Hier bezahlt der Roman seinen Preis für die formale Kunstfertigkeit: "Sie muss knallen, darf nicht wispern". Dennoch sieht er in der Abgründigkeit seines Humors diesen Holocaust-Roman erst gerechtfertigt. Das Team aus jüdisch-amerikanischem Großvater, Vater und Enkel, das auf eine individualtouristische Reise ins ukrainische Land ihrer Väter begibt ist für den Rezensenten ein Team "wie in der Humorkooperative von Kaurismäki und Woody Allen" entstanden. Der Rezensent fand das Buch so "witzig und gescheit, mit so viel Komik und einem Übermaß an klein verpackter großer Weisheit gemacht", dass er sich gelegentlich gefragt hat, wie das einem so jungen Autor überhaupt passieren konnte.