Ben Ratcliff

Coltrane

Siegeszug eines Sounds
Cover: Coltrane
Hannibal Verlag, St. Andrä - Wölten 2008
ISBN 9783854452904
Gebunden, 262 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Henning Dedekind. Es ist schwieriger, über John Coltrane zu schreiben als über jeden anderen Musiker des 20. Jahrhunderts. Im Vergleich mit vielen anderen Jazzmusikern verlief sein Leben ohne große Ereignisse. Zwar war er eine Weile heroinsüchtig, und Miles Davis schlug ihn einmal nieder, aber nachdem er erst einmal spirituell erwacht war, wie er es im Hüllentext seines Albums "A Love Supreme" ausdrückt, widmete er sich mit extremer Zielstrebigkeit nur noch seiner Musik. Was war die Essenz dieser Musik, die Coltrane auch vierzig Jahre nach seinem Tod noch so einzigartig erscheinen lässt? Was hatten seine Improvisationen, seine Kompositionen, seine Stellung gegenüber seinen Jazz-Zeitgenossen so Besonderes, dass sich so viele Musiker und Zuhörer zu ihm hingezogen fühlen? Und: Wie würde John Coltrane heute aussehen? Solche Fragen stellt der renommierte Jazzkritiker Ben Ratliff in seinem Buch über Coltrane, das sich dem Thema in zwei Teilen nähert. Im ersten Teil schildert Ratliff Coltranes Entwicklung von den ersten Plattenaufnahmen als unbekannter Musiker in einer Navy-Band bis hin zu seinen letzten Sessions, als er vielen fast schon als Heiliger galt. Ratliff richtet den Fokus vor allem auf die letzten zehn Jahre von Coltranes Leben, in denen er auf seiner fast religiösen Suche nach tieferer Ausdruckskraft eine auffällige Serie von seelischen Zusammenbrüchen hatte. Im zweiten Teil seines Buchs verfolgt Ratliff einen anderen Faden: den Einfluss, den Coltrane auf andere Musiker hatte, und seine kreative Hinterlassenschaft.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.09.2008

Für Anhänger, zu denen wohl auch Rezensent und Schriftsteller Adam Olschewski selbst zu zählen ist, bereitet der Autor die biografischen Fakten des legendären Saxofonisten John Coltrane in der gebotenen Dichte auf, denn die Lebensstationen des 1967 gestorbenen Musikers dürften bekannt sein, so der Rezensent einverstanden. Dafür gelinge es Ratliff, der sich in seinem Buch ohnehin eher als Kritiker denn als Biograf versteht, überzeugend, seinen sachlichen Zugriff mit dem Gefühl für Coltranes ungeheure Wirkung zu kombinieren und deutlich zu machen, was das Besondere an Coltrane war, warum er so viele andere Musiker beeinflusst hat und warum so mancher von diesem Eindruck geradezu in der eigenen Entwicklung gelähmt worden sei, so Olschewski fasziniert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 01.08.2008

Diedrich Diederichsen bespricht diese Biografie John Coltranes sehr prominent und sehr ausführlich, natürlich geht es in dem Text nicht nur um das Buch des New-York-Times-Kritikers Ben Ratcliff selbst, sondern um die Ästhetik und Grammatik des Jazz allgemein, um das Charisma als "Auslaufmodell von Kultur 1.0" und die Möglichkeiten des Sounds. Zum Buch erfahren wir so viel: Leider verfalle auch Ratcliff der Biografiker-Manie, so viele Daten und Fakten zusammenzuklauben, wie es nur eingefleischte Jazz-Fans interessieren kann. Aber, gesteht ihm Diederichsen zu, der Autor hat erstens eine These und zweitens soviel Geist, dass er, bevor es einschläfernd wird, doch lieber dem spannenden Zeitzeugen folgt. Ratcliffs These bezieht sich auf den Coltranes Sound, der die solistische Individualität mit den "kollektiven Schichten" des Jazz versöhnen wollte. Interessant erscheint ihm auch, was Ratcliff zu der "Monotonie der Erhabenheit" seiner Klangkathedralen einwirft und was Diederichsen selbst von einer "Koproduktion zwischen protestantisch-transzendentalistischer Überspanntheit und afroamerikanischem Widerstands-Wagnerianismus" sprechen lässt.