Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
20.01.2003. In dieser Woche lesen Sie: Wie sich die Bestsellerliste des Börsenblatt von der des buchreport unterscheidet. Wie die Woopies gerne lesen. Wie die Branche über einen "Billig-Bohlen" streitet. Und welcher Verlag die Ergüsse des Jürgen Möllemann veröffentlicht. Von Hubertus Volmer

Börsenblatt

Nun hat auch das Börsenblatt eigene Bestsellerlisten: Es sind die Listen aus dem Focus, die von Media Control ermittelt werden. Damit konkurrieren nun Börsenblatt und Focus mit ihren Listen gegen die Charts bei buchreport und Spiegel (anders als das Börsenblatt ermittelt der buchreport die Spiegel-Listen allerdings selbst). Ein kurzer Vergleich der Listen zeigt, dass die Belletristik-Titel auf den Plätzen eins bis zwölf dieselben sind - nur in einer anderen Reihenfolge (immerhin sind die Plätze eins bis drei identisch). Die Sachbuch-Listen weichen deutlich stärker von einander ab: Der Duden, der beim Focus auf Platz sechs steht, wird in die Spiegel-Liste nicht aufgenommen (hier steht, warum das so ist). Auch Kochbücher haben auf der Spiegel-Liste nichts verloren; beim Focus dagegen steht eines auf Platz neun. Platz eins ist auf beiden Listen gleich, die Plätze zwei bis fünf laufen jeweils in umgekehrter Reihenfolge.

Der insolvente Achterbahn Verlag soll an den bisherigen Verlagsleiter Christian Dreller und an den Oldenburger Lappan Verlag verkauft werden. Unklar ist offenbar noch, ob die "Werner"-Bücher auch von Lappan übernommen werden können. "Mit dem Zukauf erzielt Lappan einen Umsatzzuwachs von etwa einer Million Euro (ohne 'Werner') und rund das Doppelte, wenn 'Werner' mitwechselt. Lappan erwirtschaftet mit 20 Mitarbeitern einen Umsatz von ca. fünf Millionen Euro."

Ähnlich läuft es bei Baumhaus. Die erst Ende 2002 gegründete Baumhaus Buchverlag GmbH hat das gesamte Verlagsgeschäft der insolventen Baumhaus Medien AG gekauft. "Gesellschafter des neuen Unternehmens sind unter anderem die Verleger des Leipziger Kinderbuchverlags (Leiv) Arne Teutsch, Christine Paxmann und Steffen Lehmann sowie die Familie von Baumhaus-Chef Bodo Horn-Rumold."

Weitere Meldungen: Philip Roth wird am 19. März 70; aus diesem Anlass werben die Verlage Hanser, Rowohlt Taschenbuch und der Hörverlag gemeinsam. Roths neuer Roman "Das sterbende Tier" erscheint im Februar bei Hanser. Und Thalia hat im vergangenen Jahr flächenbereinigt einen Umsatzverlust von 0,2 Prozent verbucht. Um zu rationalisieren, will Thalia Vertreter künftig nicht mehr in den einzelnen Filialen, sondern auf sieben regional-zentralen Einkaufsbörsen empfangen.

Sabine Cronau schreibt über ein Zusatzgeschäft, das einige Verlage längst nutzen: Sie produzieren Bücher als Giveaways für Versicherungen, Banken, Versandhäuser oder andere Großunternehmen. Bei Mairs Geographischer Verlag etwa sind allein drei Mitarbeiter mit der Entwicklung von Produkten für Industriekunden beschäftigt. Beim Ratgeberverlag Gräfe und Unzer gehören zu den auflagenstärksten Aufträgen zwei kleine Weinführer, die kostenlos einem Spülmaschinenmittel beilagen. Durch die Wirtschaftsflaute wird der Markt allerdings kleiner. Und eine weitere Schwierigkeit kommt hinzu: "Wer bei den großen Konzernen einen Auftrag unter Dach und Fach bringen will, muss sich erst einmal den Weg durch das Dickicht der Unternehmenshierarchien bahnen, bis er endlich den richtigen Ansprechpartner gefunden hat", schreibt Cronau.

Interview mit Friedrich-Karl Sandmann, der seinen Verlag Zabert Sandmann unlängst von Ullstein Heyne List zurückkaufte. Nicola Bardola fragt Sandmann, ob die Bereitschaft von Springer, die Mehrheitsanteile an Zabert Sandmann wieder an den Verleger zurückzugeben, ein Signal für die Auflösung der Springer-Gruppe Ullstein Heyne List sei. Antwort: "Das hat mich wirklich nie interessiert. Mir ging es einzig darum, wieder die verlegerische Unabhängigkeit zu erlangen. Zabert Sandmann ist ein profitabler Verlag. Dass Springer ihn verkauft hat, kann ein Indiz dafür sein, wohin die Reise geht."

"Senioren" - gemeint sind Leute über 50 - wünschen sich ihre Buchhandlung übersichtlich und gemütlich. Auf eine ausführliche Beratung legen sie keinen gesteigerten Wert. Das hat der Börsenverein in einer Studie über "Woopies" (well-off older people) herausgefunden. Zur Gemütlichkeit gehört auch "die Möglichkeit, sich ausruhen und ungestört schmökern zu können". Je älter der Leser, desto mehr achtet er auf die Größe der Schrift. Ansonsten sind die Alten bescheiden: "Die Senioren sind (...) mit einer einfachen Gestaltung der Ruhezonen zufrieden: Einen besonderen Komfort, etwa Ablagemöglichkeiten für Einkaufstaschen oder Lesebrillen, erwarten sie nicht." Ob nach Parkplätzen für Omis Hackenporsche gefragt wurde, schreibt das Börsenblatt leider nicht. Ebenso wenig erfahren wir, ob und inwieweit Kaufverhalten und Ansprüche der älteren Kundschaft von Kaufverhalten und Ansprüchen der jüngeren Kunden abweichen.

Auf den Meinungsseiten geht es um die Frage, ob eine Buchhandlung Topseller stapeln oder "ihrem Anspruch treu" bleiben sollte. Anita Calvi, Inhaberin der Mainzer Ketteler-Buchhandlung (die einen theologischen Schwerpunkt hat), beginnt ihren Beitrag mit der Bemerkung: "Nein, eine Buchhandlung muss nicht alles tun, um Kunden zu binden." Und endet mit dem Hinweis: "Der 'Bohlen' wurde bei mir kein einziges Mal verlangt oder bestellt. Hätte ich darauf gebaut, wäre das Weihnachtsgeschäft für Ketteler wohl schlechter gelaufen." Ilona Rehme, Mitinhaberin der Buchhandlung Hellmuth Rehme in Bad Oldesloe, startet genau da, wo ihre Kollegin aufgehört hat: "Es ist noch nicht allzu lange her, da ist im Börsenblatt ein Artikel über den 'Umsatzbringer Bohlen' erschienen, der heftige Leserreaktionen ausgelöst hat. Ein Schreiber wollte gar 'seinen geliebten Beruf an den Nagel hängen. Und sich selbst gleich dazu'. Kurzzeitig war ich versucht, dem Kollegen zumindest verbal das nötige Werkzeug als Geschenk anzubieten."

"Den glamourösen Dandys der Generation Golf, den schreibenden Popstars, Blechtrommlern und Fräuleinwundern weht der Wind eisig ins Gesicht", schreibt Ulrich Rüdenauer. In den Verlagsvorschauen für den Frühjahr beobachtet Rüdenauer eine Rückkehr zu großen Namen. Und nennt dann einige: von Jose Saramago ("Die portugiesische Reise", Rowohlt) und Hans Magnus Enzensberger ("Die Geschichte der Wolken", Suhrkamp) bis Judith Hermann ("Nichts als Gespenster", Fischer) und Frank Goosen ("Pokorny lacht", Eichborn). Und da merkt der Leser: Es geht gar nicht um die großen Namen, es war bloß eine nicht ganz passende Einleitung zu einer Auswahl aus den vielen literarischen Neuerscheinungen.

In längeren Artikeln geht es um die Mayersche Buchhandlung, die über Nordrhein-Westfalen nicht hinauswachsen will, um die Frage, wie ein Verlag in die Zeitung kommt (nämlich durch individuelle Ansprache und persönliche Kontakte), um die Tollen Hefte, die 2001 in der Büchergilde erscheinen und nach wie vor von dem Verlagsvertreter Armin Abmeier herausgegeben werden. Schließlich stellt Michael Roesler-Graichen Agenturen vor, die redaktionelle Angebote für Buch-Websites entwickeln; vor allem Literaturtest.de mit dem Schwerpunkt Fachbuch, aber auch die Buchmaschine des Perlentauchers und den auf Wirtschaftstitel spezialisierten Service getAbstract.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Aufmacherthema dieses Heftes ist die Diskussion um einen Umzug der Frankfurter Buchmesse nach München. Volker Neumann, der Direktor der Buchmesse, hatte diese Debatte mit einer entsprechenden Bemerkung im US-Branchenmagazin Publishers Weekly angestoßen. Zwar wird die Buchmesse nun wohl am Main bleiben. Doch der buchreport hält nicht viel von Neumanns "Spiel mit dem Feuer": Das Image der Buchmesse habe ebenso Kratzer abbekommen wie die Stadt Frankfurt, "in der nicht nur der Börsenverein residiert, sondern auch die Deutsche Bibliothek zu Hause ist und in der seit 53 Jahren der Friedenspreis verliehen wird." Seinen Kommentar hat Bodo Harenberg mit dem Titel versehen: "Erst denken, dann handeln". Harenberg kritisiert er nicht nur Neumanns Umzugsvorschlag: "Wenn er die Tore der Messe am Freitag für eine Büchernacht öffnen und das Publikum - zusätzlich zum Samstag und Sonntag - auch noch am Montag in die Hallen einladen will, könnte er die Rechnung ohne die Masse der Aussteller machen: Sie brauchen Zeit für Gespräche untereinander, mit Agenten und Autoren, und sie wollen wegen der damit verbundenen Kosten eher eine kürzere als eine längere Messe." Die Buchmesse brauche schnellstens ein klares Konzept: "internationale Fachmesse oder Publikumsevent. Ein starker Kompromiss könnte sein, viel mehr für die Aussteller zu tun, sie in ein internationales Veranstaltungsprogramm einzubinden und nicht massenweise Events, sondern hochkarätige Treffen zu schaffen, die auch nach der Abrechnung aller Spesen als wichtige Erinnerung in den Köpfen der Verleger verbleiben."

Die Verlagsgruppe Dornier schließt nach Leipzig auch den Standort Berlin. Dornier werde künftig in Stuttgart residieren, dem Stammsitz des Kreuz Verlags, der 55 Prozent zum Gesamtumsatz der Gruppe beisteuere, schreibt der buchreport. Bereits im Dezember hatte Dornier mitgeteilt, dass der (Ost-) Berliner Henschel Verlag sowie die Leipziger Verlage Edition Leipzig und E. A. Seemann dicht gemacht werden. Später erklärte Dornier allerdings, einen Käufer für diese Verlage suchen zu wollen.

Zwar ist der Erscheinungstermin der deutschen Übersetzung von "Harry Potter and the Order of the Phoenix" noch offen. Aber bestellt werden kann das Buch schon. Bei Amazon.de seien rund 70.000 Vorbestellungen eingegangen; das seien 75 Prozent mehr als für Band vier ("Harry Potter und der Feuerkelch"). Bei Amazon.co.uk, Amazon.com, Amazon.fr und Amazon.de steht das Buch bereits auf Verkaufsrang eins. Auf dem deutschen Potter-Verlag Carlsen laste ein starker Druck: Jeder Tag Verzug mit der Übersetzung sei auch ein Umsatzverlust. Denn wer Englisch lesen kann, wird nicht auf die Übersetzung warten wollen. Ein weiteres Problem sei der Umfang des Buches. Das englische Original wird 768 Seiten, die deutsche Übersetzung wahrscheinlich 1.000 Seiten stark sein. "Bereits vor dem vierten Band (765 Seiten) sollen junge Leser kapituliert haben. Hannelore Daubert, pädagogische Mitarbeiterin am Institut für Jugendbuchforschung der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt: 'Nach meinen Erfahrungen würde ich die Möglichkeit, dass Kinder ein solch umfangreiches Buch schaffen, verneinen. Aber "Harry Potter" ist ein spezifisches Phänomen.'"

Die Übernahme des Österreichischen Bundesverlags (ÖBV) durch Klett schlage in der österreichischen Presse derzeit hohe Wellen, berichtet der buchreport. Der Vorwurf: "Klett habe eigentlich nur Interesse am Einstieg ins profitable Schulbuchgeschäft (die österreichische Gratisschulbuchregelung bringt per annum rund 92 Millionen Euro Schulbuchumsatz), während die zum ÖBV zählenden Publikumsverlage Deuticke, Residenz und Brandstätter befürchten, sie könnten in Stuttgart als reine Verkaufskandidaten mit an Bord genommen werden." Klett dementiert: Das sei "absoluter Quatsch", zitiert das Blatt Geschäftsführer Tilmann Michaletz. "Sobald die Verkaufsverträge unterschrieben sind, müssen wir mit den Unternehmen allerdings Gespräche führen, wie mehr Wirtschaftlichkeit hergestellt werden kann".

Die Unternehmensberatung Roland Berger hat beim Süddeutschen Verlag für das vergangene Jahr einen Verlust in Höhe von 73 Millionen Euro errechnet - eine "desaströse Diagnose", meint der buchreport. "Tonnenschwer auf den Schultern liegen dabei nicht nur die eklatant weggebrochenen Anzeigenannahmen. Als größter Verlustbringer zieht die Tochter Süddeutscher Verlag Hüthig Fachinformationen (SVHFI) die Mutter mit einem Minus in Höhe von 42,6 Millionen Euro in den Keller. (...) Medienweit planen die Süddeutschen bis zum Jahresende die Reduktion um 650 Stellen. In 2004 sollen weitere 300 wegfallen, im Bereich der Fachinformationen stehen 139 Arbeitsplätze auf der roten Liste."

Im Februar soll "die erwartete Ramsch-Welle der Könemann-Bücher" anrollen. Einer der Hauptabnehmer der Könemann-Bestände, der Kölner Großantiquar Zanolli, will am 10. Februar die erste Charge von Büchern des in Konkurs gegangenen Verlags anbieten. "Rund 300 Könemann-Titel mit einer Gesamtauflage von 'einigen Millionen' Exemplaren will Bruno Zanolli in der Zentrale des MA-Spezialisten in Köln-Bocklemünd unter die Sortimenter bringen. (...) Obwohl der Abverkaufsdruck wegen der hohen Lagerkosten immens ist, glaubt Bruno Zanolli, 'eine Blase im Markt' verhindern zu können: 'Wir wollen den Namen Könemann nicht kaputtmachen.' Dafür soll eine vorsichtige Preisgestaltung sorgen."

Die Fernsehgala für den Deutschen Bücherpreis, die im vergangenen Jahr überaus peinlich geriet, wäre in diesem Jahr fast ausgefallen: Der MDR hatte sein Konzept für die Sendung zum vereinbarten Termin nicht präsentieren können. Dies hat der Sender nun nachgeholt. Dieter Schormann sagt, das Konzept habe den Börsenverein überzeugt. "Die Gala findet also statt, jetzt müssen wir in den verbleibenden zwei Monaten alles dransetzen, die Sendung auf die Beine zu stellen", zitiert der buchreport den Börsenvereins-Vorsteher.

Der buchreport zieht eine Zwischenbilanz des Preisbindungsgesetzes. Die ersten Erfahrungen von Börsenverein und Preisbindungstreuhänder seien "positiv" oder sogar "uneingeschränkt positiv". Allerdings zeige der Fall der Bohlen-Sonderausgabe: "Das Preisbindungsgesetz ist nicht die eierlegende Wollmilchsau, für die viele Buchhändler es gehalten haben. Das große Konfliktpotenzial, das in Sachfragen wie den Voraussetzungen für Sonderausgaben steckt, ist allenfalls vorübergehend entschärft." (Mit einer Taschenbuchausgabe des Bohlen-Buchs für 12,90 Euro, die zunächst nur von Weltbild angeboten wurde, hatte Ullstein Heyne List die Sortimenter verärgert.)

Peter Olson, Chef der Bertelsmann-Verlagsgruppe Random House, hat die Verlagsleiterin der amerikanischen Random House Trade Group, Ann Godoff, entlassen. Zudem soll der "eher literarisch geprägte Verlag" mit dem Mass-Market-Taschenbuchverlag Ballantine verschmolzen werden. Verlagsleiterin der neuen Random House Ballantine Trade Group wird die bisherige Ballantine-Chefin Gina Centrello. "In einem Memo an die Mitarbeiter hat Olson indirekt bestätigt, dass kommerzielle Gründe ausschlaggebend für die umstrittene Entscheidung waren. Trotz ihrer vielen 'unbestrittenen Stärken' war die Random House Trade Group 'der einzige Verlagsbereich von Random House, Inc., der seine jährlichen Gewinnvorgaben regelmäßig verfehlt hat', schreibt er als Begründung für den überraschenden Rauswurf." (Mehr hier.)

In den USA haben die fünf größten Verlagsgruppen im vergangenen Jahr 77,4 Prozent "aller verfügbaren Hardcoverplätze auf den Jahresbestsellerlisten belegt", meldet der buchreport unter Berufung auf die Kollegen von Publishers Weekly. Beim Taschenbuch sind es sogar 79,5 Prozent. Rechnet man die Nummern sechs und sieben dazu, ist das Ergebnis noch krasser: Die sieben größten Verlagsgruppen kontrollieren im Hardcover 91 und im Taschenbuch 85,8 Prozent des Bestsellergeschäfts.

Schließlich meldet der buchreport, dass Buch Habel künftig nur noch Filialen mit einer Fläche von mindestens 600 Quadratmetern betreiben will. Die Kette schließt daher zwei Buchhandlungen in Berlin und Gotha.

Hier der Link auf die Bestsellerlisten des buchreport.