Tanja Dückers

Der längste Tag des Jahres

Roman
Cover: Der längste Tag des Jahres
Aufbau Verlag, Berlin 2006
ISBN 9783351030681
Gebunden, 213 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Ganz überraschend kommt der Tod des Vaters nicht. Seit er seine Zoohandlung wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten schließen mußte, schien er jeden Lebensantrieb verloren zu haben. Als typischer Vertreter der Nachkriegsgeneration hatte er jahrzehntelang all seine Energie darangesetzt, das Geschäft auf- und auszubauen. Ja, mehr noch, die Wüstentiere, die er verkaufte, waren die Verkörperung seiner romantischen Sehnsucht nach Exotik. Allein die älteste Tochter teilt diese wirklichkeitsferne Wüstenleidenschaft, die schuld daran war, daß der Vater seine Kinder weniger wahrnahm als die Warane im Terrarium. Der jüngste Sohn hat der Familie sogar den Rücken gekehrt und ist nicht zu erreichen. Die anderen vier ahnen nicht, daß er die ungelebten Träume seines Vaters auf eigenwillige Art wahrgemacht hat. Unter dem Eindruck der Todesnachricht erkennen die längst erwachsenen Kinder auch den eigenen Lebensweg in unerbittlicher Schärfe.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.08.2006

Tanja Dückers "ganz unsentimental und genau" erzählte Geschichte davon, wie der Tod des Vaters auf seine fünf erwachsenen Kinder wirkt, hat Walter van Rossum schmerzlich berührt. Er erkennt sich in Dückers Figuren wieder, die am Leben verzweifeln und das Rätsel des Todes nicht lösen können, und darüber nicht luzide diskutieren, sondern einfach hilflos schweigen. So unbarmherzig realistisch und doch so vielsagend, jubelt der Rezensent. "Die dünne Luft des Ungesagten. Was die alles trägt!" Ebenso unspektakulär wie die Reaktionen der Kinder fällt auch das Ende des Romans aus, der in der Mojave-Wüste, dem Lebensort des Sohnes Thomas, "versandet". Walter van Rossum scheint es, als versuche Tanja Dückers hier die "eigene Lebenslinie" zu finden, eine Introspektive anzustellen, ohne dabei in "klebrige Innerlichkeit" zu verfallen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.04.2006

Ingeborg Harms scheint von diesem Generationsroman einer deutschen Nachkriegsfamilie beeindruckt, lässt sich aber an keiner Stelle zu einem expliziten Urteil über den Roman hinreißen. Tanja Dückers beschreibt in ihrem Buch, wie sich das "deutsche Trauma" auf die nachkommenden Generationen auswirkt und hat damit ein "rabenschwarzes Bild" gezeichnet, meint die Rezensentin. Durch die Nachricht vom Tod des Vaters, die die fünf Kinder eines Zoohandelbesitzers an diesem "längsten Tag des Jahres" erreicht, werden sie zu "Bestandsaufnahmen", "Rückblenden" und "Sinnfragen" herausgefordert. Der Großvater ist beim Rommel-Feldzug umgekommen, die Familie wurde ausgebombt und der Vater hatte eine eigentümliche Vorliebe für unter widrigsten Umständen lebende Wüstentiere entwickelt, die auch die verschiedenen Lebensentwürfe der Kinder auf je spezifische Weise prägen, erklärt Harms. Deutlich werden die "Ausbruchsanstrengungen" der Nachkommen, in denen sich doch nur "biedermeierliche Lebensangst" und der Versuch, den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs zu entkommen, verbirgt, resümiert die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 25.03.2006

In weiten Teilen misslungen erscheint Stephan Maus der neue Roman von Tanja Dückers. Nur dank des letzten Kapitels, das nicht mehr im deutschen Muff Fürstenfeldbrucks, sondern in der Mojave-Wüste spielt, ist das Buch für Maus kein Totalausfall geworden. Die ersten vier Kapitel freilich haben ihn ziemlich gelangweilt. Hier kommt die Geschichte nicht recht in Fahrt, "bleibt im Treibsand der Klischees stecken und psychologisiert konfus vor sich hin". Die Autorin suche aus fünf Perspektiven zu zeigen, wie die inzwischen erwachsenen Kinder der Familie Kadereit mit der Nachricht vom Tod ihres Vaters umgehen. Maus bezichtigt Dückers hier des "größten Fehlers", den ein Autor in einem multiperspektivischen Text machen könne: "Alle fünf Erzähler haben exakt denselben Tonfall." Er klagt, dass nur der Autorin nur selten ein wirklich szenisches Schreiben gelinge, das die Trauer der Kadereit-Kinder in stimmige Gesten oder mehrdeutige Handlungen fasst. Meist kann er, genervt vom "lästigen Psychojargon", den Figuren ihre Trauer nicht abnehmen. Glücklicherweise gibt es da noch das "fantastische Wüstenkapitel" am Ende des Buchs, das aufwarte mit einer überaus gelungenen Beschreibung der Mojave-Wüste und all der Desperados, die sie anzieht.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.03.2006

Ein "formal ziemlich strenges Konstrukt" habe Tanja Dücker da entworfen, meint Heike Runge. Und das würde einer Geschichte nicht eben zuträglich sein, die beides sein will: "Familienbiografie" und Schilderung einer bundesdeutschen Nachrkriegsgeschichte, auf die jede Generation eine ganz eigene Sicht hat. In fünf Episoden schildert Dückers den Tod des Vaters aus der Perspektive seiner erwachsenen Kinder. Das hat in den Augen Runges den "offenkundigen Nachteil", dass die gleiche Geschichte in verschiedenen Versionen fünf mal erzählt wird, sich aber ab der dritten Schleife "abzunutzen beginnt". Dabei habe Dückers hier ein hochinteressantes Thema gefunden, mit dem sie durchaus plausibel an ihre Berlinromane der 90er Jahre anschließt, so Runge. Doch was den dort geschilderten großstädtischen Submillieus als "episodenhafter Patchworkroman" durchaus entgegenkommt, stößt hier an seine Grenzen: Dückers episodenhafter und "pointierter Erzählmodus" könne den über "drei Generationen erzählten Stoff nicht mehr bändigen". Das ist schade, findet die Rezensentin: "So bleibt manches nur Behauptung, wird manches Motiv nur angetippt, aber nicht ausgeführt."