David Shields

Reality Hunger

Ein Manifest
Cover: Reality Hunger
C.H. Beck Verlag, München 2011
ISBN 9783406613616
Gebunden, 224 Seiten, 18,95 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn. David Shields hat ein in den USA heiß diskutiertes Buch geschrieben. Sein "literarisches Manifest" nimmt Stellung zu den wichtigsten Fragen der Gegenwartskultur: Was ist Realität, was ist Wirklichkeit, was ist "echt" und "authentisch", in welchen Formen stellen wir unser Leben in der Kunst dar? Horaz, Friedrich Nietzsche, Samuel Beckett, Thomas Pynchon, Nicholson Baker, Jean-Luc Godard, Lars von Trier und viele andere bekannte Namen der Literatur- und Kulturgeschichte treffen auf die Google- und Facebook-Generation; sie bilden den aktuellen Hintergrund für eine grundlegend neue Kultur des Sampelns, der kreativen Montage von Bildern und der freien Benutzung aller Texte. Urheberrechte sind genauso wie die Forderung nach einer naturalistischen Erzählung und nach einer linearen Handlung Relikte aus der alten Welt.
Shields plädiert in seinem Manifest für die Freiheit von Grenzen, seien es die zwischen Fakt und Fiktion bzw. zwischen Reportage und Erfindung oder die zwischen Erzählung und Essay. Mit seinem ebenso provozierenden wie höchst informativen Werk, das selbst zu einem großen Teil aus Zitaten, Aphorismen und Anekdoten anderer Autoren besteht, regt Shields dazu an, traditionelle Ansichten über Originalität, Authentizität und Kreativität zu überdenken.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 23.03.2011

Wie David Shields' Manifest "Reality Hunger" in den USA so schnell so hip werden konnte, wird aus Felix Philipp Ingolds sich abmühender, aber am Ende nicht begeisterter Kritik nicht deutlich. Hatten die da drüben um Gottes willen keine Postmoderne? Dass "das Imitat, das Plagiat, das Kompilat" das Eigentliche, dem scheinbar Originellen Überlegene sei, war doch vielleicht zuletzt vor dreißig Jahren eine provokative These. Shields scheint es aber mit Hingabe und unter zahlreichen Montagen von Fremdtexteinsprengseln (die am Schluss doch ausgewiesen werden müssen) nochmal durchzudeklinieren. Ab und zu streut Shields persönliche Reflexionen ein, in denen, wie Ingold sich wundert, recht häufig und unreflektiert das Wörtchen "Ich" auftaucht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.03.2011

Nicht wirklich begeistern kann sich Dirk Pilz für David Shields' Manifest "Reality Hunger". Das aus 618 Stichworten bestehende Buch, das Hunderte von Zitaten enthält, die nicht im Text (aber im Anhang) ausgewiesen sind, läuft in seinen Augen auf zwei Thesen hinaus. Erstens: Wirklichkeit und Fiktion lassen sich nicht trennen. Zweitens: die Zeit des konventionellen Romans ist vorbei. Pilz setzt sich eingehend mit der ersten These auseinander und hält dem Autor vor, letztlich einem trivialen Konstruktivismus das Wort zu reden. Zugleich findet er in dem Buch immer wieder Passagen, die ihm recht essentialistisch anmuten, einen "kohärenten Gedanken" allerdings findet er darin nicht. Sicher, die zahllosen Zitate erscheinen ihm gut, erhellend, witzig, geistreich. Letztlich aber bleibt sein Fazit verhalten: "Im Grunde füllt dieses Buch in 618 Schlückchen alten Wein in einen neuen Schlauch".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.03.2011

Rezensent Jens-Christian Rabe ist spürbar mitgerissen von der Verve, mit der David Shields in seinem Manifest für eine zeitgemäße Literatur des 21. Jahrhunderts eintritt. Sein Verfahren, seine eigene, nach 618 Stichwörtern geordnete Literaturkritik aus nicht angegebenen Quellen "zu kidnappen", umzusortieren und zu erweitern, beeindruckt den Rezensenten als inhaltlich und formal überaus zeitgemäß. Und er registriert bei aller postmodernen Spielerei - der Autor empfiehlt, den Anhang, in dem seine Quellen auf Drängen seines Verlags ausgewiesen werden, einfach auszureißen - den "heiligen Ernst" dieser Kritik der zeitgenössischen amerikanischen Literatur.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.03.2011

Ist es nun ein literarisches Manifest gegen den alles verschlingenden Realitätshunger der Dokusoaps und Reality-Shows oder nicht? Und was könnte es sonst sein? Das Buch von David Shields jedenfalls bleibt für den Rezensenten Daniel Haas - bei allen Versuchen, herkömmlicher literarischer Täuschungslogik zu entkommen - doch ein Text mit einer Agenda, einem poetologischen Programm also, und mit Bezügen zur Tradition (Beckett, Tschechow etc.). Einen Helden entdeckt der Rezensent schließlich auch: Es ist der Autor höchstselbst, der sich mit Textschnipseln zwar unkenntlich zu machen sucht, von dem ein Arm oder Bein, die Nase vielleicht, noch aus der wildesten essayistischen Collage herausragt, wie wir erfahren. Ideensampling als Transzendierungsvehikel? Am Ende ist Haas dennoch überzeugt, dass der Autor etwas Neues geschaffen hat, haarscharf an der klassischen Idee des Manifests vorbei.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de