Juli Zeh

Schilf

Roman
Cover: Schilf
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 9783895614316
Gebunden, 380 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

»Wir haben nicht alles gehört, dafür das meiste gesehen, denn immer war einer von uns dabei. Ein Kommissar, der tödliches Kopfweh hat, eine physikalische Theorie liebt und nicht an den Zufall glaubt, löst seinen letzten Fall. Ein Kind wird entführt und weiß nichts davon. Ein Arzt tut, was er nicht soll. Ein Mann stirbt, zwei Physiker streiten, ein Polizeiobermeister ist verliebt. Am Ende scheint alles anders, als der Kommissar gedacht hat - und doch genau so. Die Ideen des Menschen sind die Partitur, sein Leben ist eine schräge Musik.So ist es, denken wir, in etwa gewesen.«Mit diesen Worten beginnt eine unerhörte Kriminalgeschichte, die der Gegenwart und dem Leser alles abverlangt. Juli Zeh, eine der aufregendsten und intelligentesten Autorinnen ihrer Generation, entwirft in ihrem dritten Roman das Szenario eines Mordes, wie wir es uns bisher nicht vorstellen konnten. Virtuos, sinnlich, rasant, erbarmungslos und scharfsinnig treibt sie ihre Geschichte bis zum grotesken Finale und erklärt ganz nebenbei das physikalische Phänomen der Zeit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.01.2008

In ihrem neuen Roman "Schilf" will Juli Zeh sehr viel mehr als sie kann, daran lässt Petra Kohse keinen Zweifel. Irgendwie hat ihr das Buch aber trotzdem Spaß gemacht. Weil es sich angenehm wegliest, vor allem. Sobald größere Ambitionen ins Spiel kommen, wird es unangenehmer. Und recht große Ambitionen sind im Spiel: Nicht nur geht es um die Suche nach Vereinheitlichung von Quantenmechanik und allgemeiner Relativitätstheorie, sondern es wird die Theorie auch noch in die Figurenkonstellation hinübergespiegelt. Im Mittelpunkt steht Sebastian, der Familienmann, und sein Studienfreund (wenn nicht mehr) Oskar, der sein Leben der Wissenschaft weiht. Zum Krimi - oder einer Art Krimi - wird das ganze dadurch, dass ein Mord geschieht, wenngleich andererseits der Spannungsplot nicht im Zentrum steht. Oft fliegen Vögel auf, das findet Kohse meist "poetisch gelungen" geschildert. Bleibt nur ein zutiefst ambivalentes Resümee dieses Buches: "Im Bewusstsein, dass es nicht gut ist, kann man es mögen."

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.11.2007

Als "intelligente Etüde" lobt Rezensent Ulrich Greiner Juli Zehs Kriminalroman, schränkt sein Lob aber schon im Nachsatz beträchtlich ein. Denn trotz saftiger Szenarien mit Entführung "Mord und allem Drum und Dran", kommt ihm die ganze Sache oft zu altklug und manchmal bloß hübsch daher. Die Figuren und Gefühle, mit denen das Buch umgeht, scheinen ihm alle hinlänglich bekannt zu sein. Auch die ausgeklügelte Konstruktion selbst verdirbt ihm immer wieder den Spaß an der Lektüre, die seinen Informationen den Gedanken zu belegen versucht, es gebe mehr als eine Welt. Da ist der Erzähler dann für seinen Geschmack doch zu sehr "Schöpfergott", die Figuren zu sehr seine Marionetten, als dass Greiner wirklich bewegt von der Geschichte wäre. Da hilft auch der spät auftretende, einsilbige Kommissar mit dem "einsilbigen Namen Schilf" nicht mehr viel.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.10.2007

Betrübt zeigt sich Burkhard Müller von Juli Zehs jüngstem Roman "Schilf", dem er als gravierendsten Makel Überambitioniertheit vorwirft. Das Buch verquickt Krimigeschehen mit einem physikalischen Rätsel, teilt der Rezensent mit, und schon hier sieht er das Problem der Überfrachtung dräuen. Er wirft der Autorin vor, ihre Geschichte und die Protagonisten krampfhaft interessant und geheimnisumweht vorzustellen und es dabei zu versäumen, diese auch mit Leben zu erfüllen. Zudem peppe sie das Ganze mit Ideen und Theorien auf, die sich zwar äußerst tiefsinnig gerierten, bei näherer Betrachtung aber als fragwürdig, im Zweifelsfall gar als "albern" zu werten seien, so Müller barsch. Der geschilderte Fall dreht sich um den an einem Hirntumor leidenden Kommissar Schilf, der die Entführung des Sohnes eines renommierten Nachwuchsphysikers aufzuklären hat, und mit der Lösung des laut Rezensent ziemlich gewollten und konstruierten Plots werden die Leser mit Sicherheit unzufrieden sein, verspricht er sarkastisch.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2007

Sehr von oben herab kanzelt Rezensent Tilmann Lahme die Autorin ab. Man ahnt es schon, wenn er anfangs nicht nur zitiert, was die Frauenzeitschrift "Brigitte" Positives über sie sagt, sondern wiedergibt, wie sie einst schon von "Titanic" abgewatscht wurde ("annähernd apokalyptische altkluge Angeberin und Schwallmadame"). Hoppla, was wird das? Ein Schlachtfest. In dem Roman geht es um die Jugendfreunde Oskar und Sebastian, alle beide "physikalische Genies", die durch die Entführung des Sohnes von Sebastian in einen Schlagabtausch über "Kausalität und Zeit" geraten; einer wird zum Mörder und ein Kommissar namens Schilf dröselt den Fall am Ende auf. Was ist Lahmes Problem? Insgesamt wirft er der Autorin vor, zu ehrgeizig zu große Themen ins Visier zu nehmen, und dann, insbesondere bei diesem Roman, die Figuren zu hölzernen Charakteren zu degradieren, die akademische Themen abhandeln müssen. Der Plot sei "mühsam konstruiert", einiges "krampfhaft selbstironisch" und viele Metaphern findet Lahme einfach nur scheußlich daneben. Und dann freut sich Lahme doch noch über Juli Zeh, - genauer darüber, dass sich die studierte Juristin als nächstes, wie er gehört habe, ihrer Doktorarbeit widmen wolle. Da ist er froh, dass er die nicht lesen muss.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.09.2007

Gut, der Schluss sei elegant, aber sonst kann sich Rezensentin Wiebke Porombka nicht sehr für Juli Zehs neuen Roman erwärmen, den sie auch als "intertextuelles Gespräch mit Musils 'Mann ohne Eigenschaften' gelesen hat, allerdings mit mehr Missmut als intellektuellem Genuss. Der titelgebende Schilf ist ihren Informationen zufolge ein Kommissar, der den unsinnigen Mord aufzuklären hat, den Zehs Protagonist Sebastian begangen hat. Alles was möglich sei, könne auch geschehen, fasst die Rezensentin das philosophische Credo des Romans zusammen. Trotzdem findet Porombka die Konstruktion der Handlung mehr als hanebüchen, was das Lesevergnügen der Rezensentin erheblich mindert. Auch die Tatsache, dass Juli Zehs Figuren eher den Eindruck einer Klischeeparade erwecken, wirken sich eher ungünstig auf die Rezensentinnenstimmung aus, die sich genervt vom "blumigen Metaphernreichtum" des Buches zeigt.
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