Die Buchmacher

Die Buchmacher

Ein Blick in die Branchenblätter der Buch- und Verlagswelt. Jeden Montag ab 12 Uhr.
02.06.2003. Diese Woche lesen Sie: Wie das ungeschriebene Gesetz der Buchwerbung lautet. Warum immer mehr nackte Frauenrücken und Affenbrotbäume auf Buchcovern abgebildet werden. Wozu der Börsenverein noch gut ist. Wie Rowohlt Jeffrey Eugenides bekannt gemacht hat. Was aus Sicht von Weltbild der Sinn der Buchpreisbindung ist. Und warum Carel Halff zwar kein Kulturmissionar sein will, jedoch nie gegen die Grundprinzipien der Kirche verstoßen würde. Von Hubertus Volmer

buchreport.magazin

Wenn Weltbild-Chef Carel Halff für die Preisbindung plädiert, sollte man vielleicht misstrauisch werden. Im Interview mit Peggy Voigt sagt er: "Die Preisbindung und die halbe Mehrwertsteuer sind kostbare Privilegien, die wir nicht einfach voraussetzen dürfen, sie beinhalten auch eine Verpflichtung. Sie besteht nicht darin, als Unternehmen möglichst erfolgreich abzuschneiden, sondern dem durchschnittlichen Buchleser gerecht zu werden. Dazu gehören auch Preise, die der normale Buchkäufer zu zahlen bereit und in der Lage ist." Für den Börsenverein fordert Halff, die "Wagenburgmentalität" zu beenden: "Vor lauter Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner werden nach meiner Beurteilung häufig die großen Themen versäumt." Letzte Frage an Halff: "Kann man als Buchhändler auch Bücher lieben, wie sie Dieter Bohlen oder Stefan Effenberg herausgebracht haben?" Antwort: "Diese Frage sollte man so nicht stellen. Um dem Thema Buch gerecht zu werden, muss man auch ein guter Händler sein. Und ein guter Händler hat die Aufgabe, seinen Buchkäufern gerecht zu werden. Ich glaube daran, dass der Leser selbst beurteilen kann, was er lesen will und was nicht. Wir sollten dem Buchkäufer - abgesehen von Bücher, die Kriege verherrlichen, gegen die Grundprinzipien der Kirche verstoßen oder in ähnlicher Weise verwerflich sind - seinen Geschmack nicht vorschreiben. Wir sind keine Geschmackshändler und auch keine Kulturmissionare. Wir sind Buchhändler."

Andrea Czepek fragt Börsenvereins-Vorsteher Dieter Schormann, wozu der Verband noch gut ist. "Die Preisbindung und das Urheberrecht sind Themen, die uns auch weiterhin beschäftigen. Oder die Steuergesetzgebung: Wir haben uns in den letzten Monaten erfolgreich für die Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Kombiprodukte eingesetzt. Richtig ist, dass wir einige Dienstleistungen, zum Beispiel die Steuerberatung, zurückgefahren haben."

Der Pulitzer-Preis hat es Rowohlt zwar ein wenig leichter gemacht. Dennoch war Jeffrey Eugenides in Deutschland weitgehend unbekannt. Peggy Voigt erklärt, wie der Verlag vorging. "'Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, ein Buch zu bewerben: Man geht vom Inhalt aus, vom Autor selbst oder man entscheidet sich - bei Bestsellerautoren - für die klassische Bestsellerwerbung', skizziert Kerstin Reitze de la Maza, Leiterin der Rowohlt-Werbeabteilung, die Ausgangsposition. Weil der Inhalt des Romans 'Middelsex' zu vielschichtig ist - ist es ein Familienepos, ein psychologischer Roman, eine Studie über Gentechnik oder eine Homage an die klassische griechische Literatur? -, entschied sich das Werbeteam um Reitze de la Maza für den Autor. Und an dem fiel auf, dass kaum jemand, außer dem Verleger Alexander Fest, seinen Namen richtig aussprechen konnte. 'Das war unser Ansatz: Der Roman ist ungewöhnlich, der Name unaussprechlich.'"

Tanja Kinkel hat den Verlag gewechselt; ihr nächstes Buch erscheint bei der FVA. Dort fühle sie sich besser aufgehoben, schreibt Maria Ebert: "'Bei Random House gibt es', klagt Kinkel, 'keine individuelle Autorenbetreuung mehr.' Die Unzufriedenheit über die Maschinerie wuchs; da half es auch nicht, dass Kinkel 2001 in den Club-Beirat berufen wurde und dort mit anderen prominenten Autoren Wege erkunden sollte, die dem Publikum die Freude am Lesen erhalten." Ihr erster FVA-Titel heißt "Götterdämmerung"; es ist zugleich ist erster nicht-historischer Roman. "Sie beschreibt darin, wie der investigative Journalist Neil LaHaye einem Pharmakonzern auf die Schliche kommt, der mit Billigung einiger Politiker in Alaska den Supergau der Menschheit vorbereitet."

Im Kommentar erklärt David Wengenroth, dass die Zunahme ausländischer Investoren in der Buchbranche die deutsche Harmoniekultur gefährde, dies jedoch eine Chance auch für die deutschen Verlage sei. Anja Sieg gibt einen Überblick über den britischen Buchmarkt und stellt den dänischen Medienkonzern Egmont vor. Rainer Uebelhöde berichtet über den Generationenwechsel im Grazer Literaturverlag Droschl, Brit München über den 20. Geburtstag des Schweizer Verlags Nagel & Kimche. Andrea Czepek stellt die Firma E-Motionbook vor, die Kino-, Radio- und Online-Trailer für Buchwerbung produziert, Brit München das Kölner Verlagsbüro LKO: "Wir machen alles - von der Idee übers Lektorat bis zum Druck, und wenn gewünscht, auch gleich die Marketing-Kampagne dazu", sagt Werner Köhler, dem das K von LKO gehört. Und Anja Sieg berichtet, dass die Bestsellerautorin Janet Evanovich auf Cracker der Marke "Cheese Doodle" steht und sich selbst sehr erfolgreich vermarktet: "Bereits 1995 hat sie die Firma Evanovich Inc. gegründet, in der Ehemann (der Doktor der Mathematik ist Geschäftsführer), Sohn (Finanzen) und Tochter (Homepage) arbeiten."

Weitere Themen sind die 21-jährige Tochter des irischen Premiers Bertie Ahern, Cecilia Ahern, die für ihren Debütroman die irische Rekordsumme von 300.000 Euro plus eine Million US-Dollar Euro kassiert hat; der Schriftsteller Patrick Addai aus Ghana, der seine Geschichten im eigenen Verlag herausbringt; der 75. Geburtstag des Hamburger Barsortiments Libri; der zehnte Geburtstag der Akademie des Deutschen Buchhandels in München; die Kölner Lifestyle-Messe "Wir" und schließlich das Dortmunder Pilotprojekt für die zentrale Verteilung von Paketsendungen, "Tower 24".

Schwerpunkt-Thema sind die Kalender für das nächste Jahr.

Das Juni-Heft des buchreport.magazins bringt außerdem den so genannten Verlagskompass, der auflistet, wer zu wem gehört. Auf der buchreport-Homepage werden die Daten laufend aktualisiert.

Börsenblatt

Random House darf Ullstein Heyne List nicht schlucken. Das Bundeskartellamt begründet seine (noch vorläufige) Entscheidung mit dem aus seiner Sicht eigenständigen Taschenbuchmarkt. Die Verlagsgruppe widerspricht dieser Argumentation. "Der deutsche Buchmarkt muss als Ganzes betrachtet werden", sagt Random-House-Geschäftsführer Joerg Pfuhl. "Zur Untermauerung war eigens eine Studie bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK, Nürnberg) in Auftrag gegeben worden. Ergebnis: Inhalt und Thema leiten den Käufer bei seiner Wahl. Die Ausstattung spielt eine untergeordnete Rolle." Auch das Börsenblatt zitiert eine Erhebung der GfK: das Verbraucherpanel für das erste Quartal 2003. Demnach verfügen beide Verlagsgruppen über einen Marktanteil von 43,4 Prozent bezogen auf den Gesamtumsatz mit Taschenbüchern und 44,7 Prozent bezogen auf den Absatz. Wenn das Kartellamt bei seiner Entscheidung bleibt, will Random House klagen. "Denn Random House trägt das Kartellrisiko. Scheitert die Übernahme, müsste Ullstein Heyne List oder zumindest ein Teil der Gruppe wieder verkauft werden. Spitzenpreise dürfte Random House dann sicher nicht erwarten. Und selbst wenn die Gruppe nur den Heyne Verlag behalten wollte, wäre laut GfK-Verbraucherpanel die kritische Größe von einem Drittel Marktanteil, der eine marktbeherrschende Stellung definiert, im Taschenbuch bereits erreicht."

Bernd Spamer, Werbeleiter bei Eichborn, vergleicht Werbung für Autos mit der Werbung für Bücher und ist enttäuscht. Buchwerbung sehe so aus: "Man bildet kleine Cover ab, findet eine gemeinsame Überschrift, schreibt kurze Inhaltsangaben daneben, die wenig über das Buch aussagen, setzt Preis und ISBN darunter und fertig. Auffallend? Außergewöhnlich? Gar unverwechselbar? Fehlanzeige! Und das im wahrsten Sinne." (Zu ergänzen wäre noch, dass in den kurzen Inhaltsangaben das Wort "furios" nie fehlen darf.) Spamer fordert, die Verlage - vor allem die Kleinen - müssten "ein ungeschriebenes Gesetz endlich brechen, das da lautet: 'Buchwerbung darf auf keinen Fall humorvoll sein.'"

Der Süddeutsche Verlag will sich nicht mehr von seiner Fachverlagssparte, dem Süddeutschen Verlag Hüthig Fachinformation (SVHFI), trennen. Nun soll die Fachinformation "ein Standbein des Unternehmens" bleiben und ausgebaut werden. "Noch im vergangenen Jahr hatte der SV einen Investor für SVHFI gesucht. Anfang des Jahres hieß es, dass einzelne Segmente der Fachverlagsgruppe verkauft werden könnten. Im April fiel dann die Entscheidung, die Medizinsparte nicht zu veräußern. Zur Disposition stehen allerdings noch kleinere Verlagseinheiten, die nicht zu den Kernbereichen der Fachinformation gehören."

Die Kosten der konfessionellen Verlage sind im Schnitt höher als in der Branche üblich. Das ergab eine Umfrage des Börsenvereins, die vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik ausgewertet wurde. "Dies könnte zum Beispiel auf die geringe Betriebsgröße und das stark diversifizierte Produktprogramm vieler Verlage zurückzuführen sein. Gemeinsame Ressourcen bei Produktion und Vertrieb zu nutzen und Programme stärker zu profilieren könnte hier Abhilfe schaffen."

Die Gestaltung von Buchcovern ist ein zäher Prozess, in dem sich Grafiker und Verleger aufeinander zu bewegen müssen, schreibt Nils Kahlefendt. "In Zeiten eines zutiefst verunsicherten Buchmarkts, der unter gestiegenem Kostendruck und roten Zahlen ächzt, ist die Bereitschaft zur Abweichung fast gänzlich verloren gegangen. Woher der Hang zur Uniformität? Die Entscheidungen darüber, wie die Bücher aussehen, werden anonymer, der Kreis derjenigen, die mitsprechen, wächst. Nicht selten sitzen die Einkäufer der großen Buchhandelsketten mit am Tisch. Originalität gilt als Risikofaktor. Die traurige Folge: ästhetisches Mittelmaß, weichgezeichnete nackte Frauenrücken, und Sonnenuntergänge mit Nashörnern und Affenbrotbäumen satt."

Weitere Meldungen: Die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH hat ihren Gewinn 2002 bei sinkenden Umsätzen deutlich gesteigert. Die oberpfälzische Buchhandlung Rupprecht eröffnet im Sommer die zwölfte Filliale; in Neumarkt bei Nürnberg. Ullstein bietet im Januar 2004 "Sparbücher" an; 20 Bestseller und Klassiker zu Preisen zwischen 3,99 und 5,99 Euro. Die SK-Buecherboerse erweitert ihre Plattform für Restauflagen und Modernes Antiquariat um einen Marktplatz für Endkunden. Der DuMont Reiseverlag wird "Arbeitsplätze abbauen"; wie vielen der rund 65 Mitarbeitern gekündigt werde, stehe noch nicht fest, sagte der Sprecher der Geschäftsführung, Uwe Distelrath, dem Börsenblatt. Der Umsatz des Verlags sei in den ersten Monaten dieses Jahres um zehn bis 15 Prozent zurückgegangen. Thalia hat seinen Umsatz in den ersten vier Monaten dieses Jahres zwar um 22 Prozent auf 99 Millionen Euro steigern können; flächenbereinigt ging der Umsatz allerdings um 4,3 Prozent zurück. Und Buchhandel.de senkt die Preise und erhöht den Service.

Außerdem fordert VUB-Geschäftsführer Christian Preuss Neudorf in der Konditionen-Debatte für das Sortiment "schlicht und ergreifend die Butter aufs Brot". Sybille Fuhrmann präsentiert die Ergebnisse der Logistikumfrage des Börsenvereins. "Wenig erfreulich ist die Struktur der Sendungen, die die Auslieferungen verlassen. Die Zahl der Kleinsendungen unter zwei Kilogramm Gesamtgewicht hat die 40-Prozent-Marke wieder überschritten." Birgit Menche gibt juristische Hinweise zum Thema Bücherschecks. Katrin Hage listet Novitäten zum Volksaufstand am 17. Juni 1953 auf und verweist auf eine Website der Bundeszentrale für politische Bildung. Christina Schulte porträtiert Ludwig Fresenius, dem 41,9 Prozent der Eichborn AG gehören. Volkhard Bode stellt Yade Kara vor, deren Roman "Selam Berlin" in diesem Frühjahr bei Diogenes erschienen ist.
Archiv: Börsenblatt

buchreport.express

Der Börsenverein brauche eine neue Zielsetzung, meint der buchreport. Anlass für ausführliche Berichte über die Situation des Verbands sind die Buchhändlertage, die in der vergangenen Woche in Karlsruhe stattfanden. Am deutlichsten habe Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff seine Kritik auf den Punkt gebracht: "Wir stehlen uns bei Verbandstreffen gegenseitig die Zeit, wenn wir diesen Harmoniekonsens fortsetzen, aber tatsächlichen Problemen ausweichen und kleine, interne Probleme auf die Tagesordnung setzen." Als "konfliktscheuer Gesprächskreis über buchhändlerische Befindlichkeiten" werde der Börsenverein nicht überleben, meint auch der buchreport. Früher habe der Verband als Garant der privatrechtlich organisierten Preisbindung gegolten; dieses Argument für die Mitgliedschaft sei mit der gesetzlichen Verankerung der Preisbindung weggefallen. "Gleichzeitig sitzt infolge der Branchenkrise das Geld bei vielen Mitgliedern nicht mehr so locker wie bisher. Zu allem Überfluss musste der Börsenverein aus wirtschaftlichen Gründen seine Dienstleistungen einschränken und die Kontrolle über seine Wirtschaftstöchter aus der Hand geben."

Der buchreport rechnet nicht damit, dass Random House das Bundeskartellamt wird umstimmen können. "Das Kartellamt wird am 27. Juni die Übernahme der Verlagsgruppe Ullstein Heyne List durch die Verlagsgruppe Random House untersagen. Da die Bertelsmänner das Kartellrisiko beim Deal mit der Axel Springer AG übernommen haben, fällt dann zunächst ein eiserner Vorhang." Da Random House nicht auf Heyne verzichten will, bleibt nur der Gang vor das Düsseldorfer Oberlandesgericht. Ein Urteil werde es kaum vor Ende 2004 geben. Und selbst nach einem für Random House günstigen Richterspruch wäre die Auseinandersetzung um Ullstein Heyne List noch nicht zu Ende. "Wie aus München verlautet, sollen die Gesellschafter des Deutschen Taschenbuch Verlages (dtv) einstimmig beschlossen haben, dass sie im Falle einer Pro-Random-House-Aussage in Düsseldorf auf jeden Fall in die Revision vor den Bundesgerichtshof ziehen wollen. Denn für den dtv wie für alle anderen Konkurrenten geht es in diesem Streit um viel: Ob nämlich der rückläufige Markt in einer kleinteiligen Struktur erhalten bleibt oder ob die großen Konzerne an Marktmacht gewinnen."

Weltbild ist weiter erfolgreich. 948,4 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2002, mehr als 12 Millionen Kunden, 70 Prozent der Deutschen kennen die Marke. "Weltbild richtet sich beim Pricing nach den Wünschen der Kunden. GfK-Zahlen zeigen, dass die Nachfrage nach Büchern bis 7,50 Euro gestiegen ist, die nach Büchern über 15 Euro aber sinkt. Das schlägt sich bei Weltbild nieder." Nach Einschätzung von Weltbild-Chef Carel Halff sind Warenhäuser oder Großflächen weniger klar ausgerichtet als sein Unternehmen. "Noch in diesem Jahr, schätzt Halff, könne es erste Schließungen auch großer Filialen geben. Für Versandhandel und Buchclub sieht er den Kulminationspunkt erreicht, hier werde es in Zukunft nur noch zu Marktverschiebungen kommen."

Weitere Meldungen: Die ersten sechs Titel von Bloomsbury Kinderbuch & Jugendbuch erscheinen im Herbst beim Berlin Verlag. Der E-Book-Lesegerätehersteller Gemstar zieht sich aus Deutschland zurück. Der Bundesrat hat die Urheberrechtsreform an den Vermittlungsausschuss von Länderkammer und Bundestag überwiesen. Die drei führenden US-Buchketten haben miserable Zahlen für das erste Quartal vorgelegt. Die London Book Fair wächst weiter.

Schließlich: die Bestsellerlisten.